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Biologisches Phänomen

Von 6 auf 900! Wie Fledermäuse ihren Herzschlag auf Hochtouren bringen

Eine Fledermaus (großer Abendsegler) auf einem Ast
Fledermäuse wie der Große Abendsegler haben laut einer Studie clevere Taktiken, Energie zu sparen Foto: Getty Images
Louisa Stoeffler
Redakteurin

16. Juli 2024, 17:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Wenn der Große Abendsegler durch die Nacht gleitet, denkt wohl kaum jemand an sein außergewöhnliches Talent: Die bedrohte Fledermaus kann ihren Herzschlag von kaum vorhandenen 6 auf unglaubliche 900 Schläge pro Minute steigern. Wie sie das schafft und warum ihre Hoden dabei wachsen, enthüllt nun eine Studie.

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Viele, die an Fledermäuse denken, werden wahrscheinlich nicht gerade in Jubel, sondern eher in Gruselschauer ausbrechen. Denn durch Bücher und Filme haben Menschen unbegründete Angst vor den nachtaktiven Tieren – wahrscheinlich auch, weil man sie kaum sieht und so wenig über sie weiß. Nach einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie wird jedoch hoffentlich keiner mehr vor dem Großen Abendsegler Angst haben. Denn diese bedrohte, heimische Fledermaus kann mit cleveren Tricks ihren Herzschlag von 6 auf 900 hochfahren. Wie die Tiere das fertigbringen und weshalb sich deshalb auch ihre Hoden vergrößern, berichtet PETBOOK im Folgenden.

Fledermäuse fahren Herzschlag im Mini-Winterschlaf herunter

Der Große Abendsegler ist eine heimische Fledermausart, die vor allem in Wäldern lebt. Sie zählt zu den größten Arten hierzulande und kann eine Spannweite von 40 Zentimetern erreichen. Statt Blut zu saugen, ernährt sie sich laut dem Bundesamt für Naturschutz von Käfern, Schmetterlingen, Eintagsfliegen und weiteren kleineren, fliegenden Insekten.

Dass sie dabei saisonal unterschiedlich vorgeht und gerade im Sommer zu Höchstleistungen aufläuft, zeigt eine Studie von Lara Keicher und ihren Kollegen, die im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“ erschien. Um die Lebensweise des Großen Abendseglers zu erforschen, zeichneten sie mithilfe von winzigen Sonden die Herzschläge von männlichen Fledermäusen im Großraum Konstanz auf.

Damit konnten die Forscher zeigen, dass Fledermäuse auch nach dem Winterschlaf immer noch Phasen der Inaktivität durchleben und wie diese ablaufen. Diese kurzen Phasen nennen sich Torpor und werden eingesetzt, wenn das Nahrungsangebot noch sehr karg ist. Dabei kann der Große Abendsegler nach den Daten der Sonden seinen Herzschlag auf bis zu sechs Schläge in der Minute herunterfahren, um Energie zu sparen. Ebenfalls schläft dabei sein Stoffwechsel und der gesamte Kalorienumsatz herunter.

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Im Sommer putschen sich die Fledermausmännchen gegenseitig auf

Wenn die Insektenpopulation im Sommer jedoch hoch ist, läuft der Große Abendsegler zu seiner Hochphase auf. Die Forscher konnten dokumentieren, dass die Fledermäuse ihren Herzschlag im Flug dann auf bis zu 900 Schläge pro Minute hochfahren. Denn in den warmen Monaten wird überdurchschnittlich viel gejagt und viel Energie umgesetzt. Quasi wie in einem Fledermaus-Fitnessstudio, bei dem jeder den Preis für Höchstleistung und am meisten verdrücktes Protein bekommen will.

Doch wozu eigentlich das Ganze? Hierzu muss man sich die Lebensweise der Tiere genauer anschauen. Denn Männchen und Weibchen verbringen Frühjahr und Sommer größtenteils getrennt. Die Weibchen fliegen zur Geburt und Aufzucht der Jungen in den Norden. Währenddessen beginnen die Männchen in Gruppen von bis zu 20 Tieren einander anzustacheln und sich aufzupumpen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie ändern sogar ihre nachtaktive Routine, um auch am Tag so viel Beute wie nur irgend möglich zu machen. Nicht nur ihr Herzschlag wird um einiges schneller, auch das Blut beginnt zu kreisen und ihre Hoden schwellen an.

Diese Phase im Fledermausjahr nennt sich Spermatogenese. Währenddessen können die Testikel auf bis zu acht Prozent der Körpermasse der Fledermaus ansteigen, heißt es in der Studie. Die gesamte zusätzliche Energie wird benötigt, um im Herbst wieder in die Paarungssaison starten zu können. Bis dahin wird die Körpertemperatur hochgehalten, um das Wachstum des Hodens zu steigern. In dem hochaktiven Gewebe werden dann vermehrte Mengen an Keimzellen produziert.1

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Erkenntnisse können helfen, bedrohte Tierart zu schützen

Diese sind dann bereit, wenn die Weibchen im Spätsommer zurückkehren. Wie viel Energie die Weibchen jedoch bis zu diesem Zeitpunkt in Fortpflanzung und Aufzucht investiert haben, muss noch untersucht werden. Denn in dieser ersten Untersuchung wurden nur die standorttreuen Männchen analysiert.

Man weiß aber, dass nach den Paarungen noch eine Phase des „großen Fressens“ folgt, in der sich Weibchen und Männchen gemeinsam auf den Winterschlaf vorbereiten. In dieser Zeit speichern die Weibchen das an sie abgegebene Sperma, bis sie sich mit Beginn des Frühjahrs quasi selbst schwängern. Anschließend beginnt der Prozess von Neuem.

Die aus der Studie gewonnen Erkenntnisse können helfen, die bedrohten Großen Abendsegler langfristig besser zu schützen. Denn wenn man versteht, wie sie ihre Energie einsetzen und wann sie besonders viel Futter benötigen, kann man die in Deutschland als bedroht geltende Art auch in Zeiten des Klimawandels unterstützen und erhalten.

Themen Heimische Wildtiere Neues aus Wissenschaft und Forschung

Quellen

  1. Keicher, L., Shipley, J. R., Dietzer, M. T., Wikelski, M., & Dechmann, D. K. (2024). Heart rate monitoring reveals differential seasonal energetic trade-offs in male noctule bats. Proceedings of the Royal Society B, 291(2026), 20240855. ↩︎
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