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Studie zeigt

Gängiges Medikament für Hunde und Katzen ist für Singvögel tödlich

Kohlmeisen mit Küken im Nest
Viele Singvögel wie Kohlmeisen nutzen auch Tierfell für den Nestbau. Das wird den Tieren nun zum Verhängnis, wie eine Studie zeigt Foto: Getty Images/500px
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

28. Januar 2025, 14:46 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Singvögel wie Kohlmeisen nutzen nicht nur Äste und Moos, sondern auch Tierfell für den Nestbau. Doch die Flohmittel darin können für den Nachwuchs tödlich sein, wie eine britische Studie gezeigt hat. Die Folgen könnten weitreichend sein: Von erhöhten Sterberaten bei Nestlingen bis zu möglichen Auswirkungen auf ganze Vogelpopulationen. PETBOOK stellt die wichtigsten Erkenntnisse vor.

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Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Pestizide auch eine Bedrohung für Vögel darstellen. Allerdings lag der Fokus bisher vor allem auf chemischen Rückständen in der Landwirtschaft. Eine neue Studie aus Großbritannien legt nahe, dass auch gängige Mittel zur Bekämpfung von Parasiten bei Haustieren und Nutztieren eine Gefahr darstellen könnten. Vor allem Flohmittel sind für Singvögel und ihren Nachwuchs schädlich.

Pestizide führen zu höherer Sterblichkeit bei Vögeln

Obwohl Pestizide eigentlich sehr spezifisch wirken, haben sie oft auch auf andere Tiere negative Auswirkungen. Bei Vögeln führen sie etwa zu kleineren Gelegen, zu dünneren Eierschalen und zu einer erhöhten Sterblichkeit des Nachwuchses. Daher dürfen viele Pestizide in der Landwirtschaft mittlerweile nicht mehr eingesetzt werden. Jedoch finden sie sich noch oft in Medikamenten zur Behandlung von Parasiten.

So wurden etwa 80 Prozent der Hunde und Katzen in Großbritannien mit einem Flohmittel behandelt, schätzen die Forscher. In ihrer Studie stellten sie daher folgende These auf: Sie vermuteten, dass Nester, die mit hohen Konzentrationen an Pestiziden belastet sind, mehr ungeschlüpfte Eier oder tote Küken enthalten. Doch wie gelangen Flohmittel überhaupt ins Nest der Singvögel?

Flohmittel verbleiben lange im Fell

Produkte zur Behandlung von Parasiten bei Haustieren enthalten Wirkstoffe wie Fipronil, Imidacloprid und Permethrin. Diese verbleiben auch nach ihrer Anwendung im Fell der Tiere und können so in die Umwelt gelangen. Viele Singvögel sammeln die weiche Unterwolle von Tieren ein, um damit ihr Nest auszukleiden.

Manche Hundebesitzer kämmen ihre Hunde sogar gezielt im Wald oder im Park aus. Das Fell lassen sie für die Vögel liegen – mit offenbar tragischen Folgen, wie die Studie zeigt. Denn die Forscher konnten in jedem einzelnen Nest der Singvögel Rückstände der Substanzen aus Flohmitteln finden.

Auch interessant: Wann Katzen ein Flohhalsband brauchen

Freiwillige sammelten 237 Vogelnester in Großbritannien

Für ihre Studie untersuchten die Forscher Nester von zwei Vogelarten: der Blaumeise (Cyanistes caeruleus) und der Kohlmeise (Parus major). Zwischen September und Oktober 2020 sammelten Freiwillige insgesamt 237 Vogelnester in Großbritannien. Die Nester stammten sowohl aus ländlichen als auch städtischen Gebieten, um mögliche Unterschiede in der Exposition zu untersuchen. Dabei wurde das verwendete Tierhaar, das als Nestmaterial diente, analysiert.

Die Forscher konzentrierten sich auf 15 häufig verwendete Pestizide wie Fipronil, Imidacloprid und Permethrin sowie deren Abbauprodukte. Mittels hochmoderner Labormethoden bestimmten sie die Konzentrationen der Substanzen im Haar. Parallel dazu wurden die Nester der Singvögel auf unbefruchtete Eier und tote Nestlinge untersucht, um mögliche Korrelationen zwischen Rückständen von Flohmitteln und anderen Insektiziden zu erkennen.

„In unserer Studie war kein Nest frei von Insektiziden“

Die Untersuchung ergab, dass in allen getesteten Nestern Rückstände von Insektiziden nachweisbar waren. Dabei wurden durchschnittlich 6,3 verschiedene Wirkstoffe pro Nest gefunden. „In unserer Studie war kein Nest frei von Insektiziden“, sagt Cannelle Tassin de Montaigu, Hauptautorin der Studie, der britischen Tageszeitung „The Guardian“.

Besonders häufig nachgewiesene Substanzen waren Fipronil (in 100 Prozent der Proben), Imidacloprid (88,3 Prozent) und Permethrin (87,4 Prozent). Dieses Ergebnis zeige, dass die Insektizide in den Nestern der Singvögel hauptsächlich aus Flohmitteln und Zeckenmedikamenten für Haustiere stammen, ordnet Tassin de Montaigu die Werte ein.

Zwar wurde in der Studie nicht näher bestimmt, ob es sich bei dem Tierfell um Haare von Wild-, Nutz- oder Haustieren handelt. Da die Anwendung dieser Mittel in der Landwirtschaft jedoch verboten ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um Rückstände aus der Behandlung von Nutz- und Haustieren gegen Parasiten handelt.

Nester aus der Stadt hatten mehr tote Küken

Alarmierend war die Beobachtung, dass höhere Konzentrationen von Fipronil und Imidacloprid mit einer erhöhten Anzahl unbefruchteter Eier und toter Nestlinge einhergingen. Besonders bei Kohlmeisen war die Sterblichkeit der Nachkommen in Nestern mit höheren Insektizidbelastungen deutlich erhöht. Zudem zeigte sich, dass städtische Nester, die tendenziell höheren Konzentrationen von Insektiziden ausgesetzt waren, eine größere Anzahl verstorbener Nestlinge aufwiesen als Nester aus ländlichen Gebieten.

Die Forscher vermuten, dass sowohl Altvögel als auch Eier und Küken über den Kontakt mit der Nestauskleidung aus behandeltem Fell direkten Hautkontakt mit den Wirkstoffen haben. Zudem könnten Vögel diese Substanzen auch beim Hantieren und beim Transportieren von behandeltem Fell während des Nestbaus und des Putzverhaltens aufnehmen, heißt es in der Studie.

Problem könnte tatsächlich viel schlimmer sein

Die Gesamtbelastung variierte stark, von 0,83 ng/g bis 11.043 ng/g Haar. Doch die Forscher vermuten, dass die Werte in der Realität noch höher liegen. „Wir haben unsere Nachforschungen durchgeführt, als es sicher war, dies am Ende der Brutsaison zu tun, sodass das Problem tatsächlich viel schlimmer sein könnte“, erklärt Tassin de Montaigu.

Dazu kommt, dass die Haustiere wahrscheinlich häufiger in den Frühlings- und Sommermonaten behandelt werden, wenn Flöhe und Zecken am aktivsten sind. Dies fällt auch mit der Brutzeit der meisten Vögel zusammen. Diese schädlichen Chemikalien könnten daher verheerende Folgen für die Vogelpopulationen in Großbritannien haben und müssten umfassend auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden, wie die Wissenschaftlerin betont.

Weitreichende Folgen für die Vogelpopulationen

Die Studie liefert als erste eindeutige Hinweise darauf, dass Vögel durch die Verwendung von Tierhaaren in Nestern einem erheblichen Risiko ausgesetzt sind. Besonders besorgniserregend ist, dass Substanzen wie Fipronil und Imidacloprid trotz Verbots in der Landwirtschaft über die Behandlung von Haustieren gegen Parasiten weiterhin in großem Umfang in die Umwelt gelangen.

Das könnte weitreichende Folgen für die Vogelpopulationen und den Naturschutz haben. Eine erhöhte Jungvogelsterblichkeit könnte langfristig die Populationen beeinflussen, insbesondere bei Arten, die Tierhaare regelmäßig für ihre Nester nutzen. Die Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Tierarzneimittel auf ihre Umweltauswirkungen zu prüfen und gezielte Maßnahmen zur Begrenzung der Kontamination zu ergreifen, etwa durch strengere Vorschriften oder Aufklärung der Tierhalter.

Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen

Trotz der eindeutigen Ergebnisse basieren die Daten auf Rückständen in Nestern, sodass keine direkte Kausalität zwischen den Chemikalien und der Jungvogelsterblichkeit nachgewiesen werden kann. Auch andere Umweltfaktoren wie Wetterbedingungen oder Nahrungsknappheit könnten zur erhöhten Mortalität der Jungvögel beigetragen haben. Die hohe Belastung der Nester bleibt dennoch alarmierend.

Nicht zuletzt sind die Auswirkungen auf andere Vogelarten und Ökosysteme weiterhin weitgehend unklar. Dennoch bietet die Studie einen wichtigen Ansatzpunkt für weitere Forschungen und politische Entscheidungen.

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Flohmittel auch für deutsche Singvögel eine Gefahr

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Insektizide aus Tierarzneimitteln eine ernsthafte Gefahr für Wildvögel darstellen können – nicht nur in Großbritannien. Auch in Deutschland kommen hauptsächlich Flohmittel mit Fipronil, Permethrin und anderen Insektiziden zum Einsatz, die Singvögel wie Meisen belasten könnten.

Wer seinen Hund oder seine Katze mit entsprechenden Mitteln behandelt, sollte dies berücksichtigen. Zwar lässt sich nicht ganz vermeiden, dass Haare der behandelten Tiere in die Umwelt gelangen. Auf jeden Fall sollte man aber davon absehen, seinen Hund in Parks oder in der Natur auszukämmen und das Fell Vögeln zum Nestbau zu hinterlassen. Ganz davon abgesehen, taugt Hundefell ohnehin nicht zum Bau von Vogelnestern, da sich Altvögel und Nestlinge mit ihren Beinchen oder Flügeln in den Haaren verheddern können. 1

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Quellen

  1. nabu-dueren.de, „Hundehaare taugen nicht für Vogelnester“ (aufgerufen am 28.01.2024) ↩︎
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