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Wildunfälle

Warum die Gefahr im April und Mai am größten ist, ein Reh zu überfahren

Rotwild läuft über eine Straße
Wildunfälle passieren das ganze Jahr. Doch vor allem im April und Mai ist die Gefahr, Rehe oder Hirsche anzufahren groß Foto: Getty Images / JMrocek
Sonja Jordans

5. April 2024, 6:21 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Zwar besteht die Gefahr, mit einem Wildtier zusammenzustoßen, das ganze Jahr über. Besonders groß aber ist sie in den Monaten April und Mai und das hat einen bestimmten Grund.

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Manchmal hilft nicht mal mehr eine Vollbremsung: Wenn Reh, Wildschwein oder ein anderes Wildtier plötzlich auf die Straße rennen, lässt sich ein Zusammenstoß oft nicht mehr vermeiden. Mehr als 200.000 Wildunfälle passieren jährlich in Deutschland, ein rechnerisch kracht es zwischen Auto und Tier also etwa alle zwei Minuten. Zwar besteht die Gefahr, mit einem Wildtier zusammenzustoßen, das ganze Jahr über. Besonders groß aber ist die Gefahr für Wildunfälle in den Monaten April und Mai – kurz nach der Zeitumstellung. Warum das so ist, wie man die Gefahr eines Wildunfalls verringern kann und was man tun sollte, wenn es doch gekracht hat, erläutert PETBOOK.

Zu keiner Zeit im Jahr mehr Wildunfälle

Während die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit für manche Menschen einfach nur nervig oder ermüdend ist, kann sie im Straßenverkehr tatsächlich die Kollisionsgefahr erhöhen. Denn zu keiner Zeit im Jahr ereignen sich hierzulande mehr Wildunfälle als in den Wochen nach der Zeitumstellung zum 31. März.

Vor allem Rehe, aber auch Wildschweine, Hasen und Füchse lassen ihr Leben an Land- und Bundesstraßen. Laut Statistischem Bundesamt ereignet sich in Deutschland demnach rund alle zwei Minuten ein Wildunfall. Für die Tiere enden solche Zusammenstöße in der Regel tödlich. Meist sterben sie sofort, mitunter jedoch erst kurz darauf an ihren Verletzungen oder müssen erlöst werden.

Durchschnittlich zehn Tote bei mehr als 200.000 Wildunfällen

Im gesamten Jahr 2022 wurden laut Angaben der Deutschen Versicherungswirtschaft rund 265.000 Wildunfälle gemeldet. Der Deutsche Jagdverband berichtet von rund 209.000 Wildunfällen zwischen Ende März 2022 und Anfang April 2023. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch höher liegen, denn trotz Meldepflicht zeigen vermutlich nicht alle Autofahrer einen Wildunfall an.

Laut Zahlen des Deutschen Jagdverbands starben im genannten Zeitraum in Niedersachsen rund 26.000 Tiere bei Wildunfällen, in Baden-Württemberg knapp 24.000, im Stadtstaat Hamburg 300.

Rehe machen fast Hälfte der Todesopfer aus

Über ein Jahr gesehen, werden meist Rehe Opfer von Verkehrsunfällen, nämlich in 48 Prozent aller Fälle. Füchse, Waschbären, Marder und Dachse kamen demnach in 14 Prozent aller Fälle zu Tode, Hasen und Kaninchen in elf Prozent. Wildschweine werden dagegen laut Jagdverband lediglich bei drei Prozent aller Wildunfälle von Autos erfasst. Die Zahlen stammen aus dem deutschen Tierfund-Kataster und sind mithilfe von Datensätzen ermittelt worden, teilt der Jagdverband mit. Dieses Kataster ist das deutschlandweit einheitliche einzige Erfassungssystem für Totfunde von Tieren.

Andere Zahlen zufolge sterben jährlich mehr als 30.000 Wildschweine im Straßenverkehr, womit die Tiere hinter Rehen an zweiter Stelle der Statistik liegen würden. Fest steht jedoch: Auch für Menschen endet ein Wildunfall nicht immer nur mit Blechschäden.

Fast ein Fünftel aller Wildunfälle ereignet sich in den Monaten April und Mai

Das Statistische Bundesamt berichtet von rund 2500 verletzten Personen jährlich durch Wildunfälle. Zudem kommen pro Jahr durchschnittlich zehn Menschen bei Wildunfällen auf Deutschlands Straßen ums Leben. Auffällig: Fast ein Fünftel aller Wildunfälle ereignet sich allein in den Monaten April und Mai und somit kurz nach der Zeitumstellung von Winter- auf Sommer.

Meist kracht es morgens zwischen sechs und acht Uhr und abends zwischen 21 und 23 Uhr, so der Deutsche Jagdverband. „Vor allem nach der Umstellung auf die Sommerzeit treffen plötzlich die Bewegungszeiten von Rehen und Menschen aufeinander“, sagt dazu Andreas Schneider vom Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen. Waren die Tiere während der Winterzeit noch vor dem beginnenden Berufsverkehr und daher oft unbemerkt unterwegs, kreuzen sich ihre Bewegungszeiten plötzlich mit denen der Autofahrer.

Rehe suchen nach Futter und neuen Revieren

Zudem sind von Anfang April bis Mai deutlich mehr vor allem junge Rehe unterwegs als sonst. Denn die etwa ein Jahr alten Tiere werden zu dieser Zeit selbstständig. Die Mütter vertreiben ihren Nachwuchs, der sich daraufhin eigene Lebensräume suchen muss.

„Die Tiere fangen an, zu vagabundieren und laufen dabei natürlich auch über Straßen“, so Andreas Schneider. Dringen sie bei ihren Streifzügen zudem in ein bereits besetztes Revier ein, werden sie vom Revierinhaber entsprechend verjagt und verfolgt – teils über weite Strecken und Straßen hinweg. „Daher sollten Autofahrer auch bedenken, dass nach einem ersten Reh vermutlich noch ein zweites hinterherkommen wird“, warnt Schneider. Sieht man also ein Reh über die Straße rennen, sollte auch gebremst werden, wenn das Tier bereits auf der anderen Seite im Wald verschwunden ist.

Doch auch die Futtersuche nach dem Winter treibe Rehe und andere Tiere im Frühjahr verstärkt umher. „Die Tiere haben ihre Reserven den Winter über aufgebraucht und gehen auf Nahrungssuche“, sagt Schneider. Auch dabei queren sie verstärkt Straßen und Wege, um von den Orten, an denen sie die Nacht verbracht haben, zu ihren Futterplätzen zu gelangen.

So kann man Wildunfälle verhindern

Sicher verhindern lassen sich Wildunfälle nicht. „Ein Wildunfall kann jedem passieren“, sagt Andreas Schneider, Sprecher des Landesjagdverbands Nordrhein-Westfalen. Aber die Folgen eines Zusammenstoßes ließen sich deutlich verringern, wenn sich Autofahrer an einige Regeln halten. „Das A und O ist eine angemessene Geschwindigkeit“, betont Schneider.

Rasen sei immer schlecht, vor allem aber, wenn man plötzlich bremsen müsse. „Denn das kennen wir ja schon aus der Fahrschule, der Bremsweg wächst exponentiell zur Geschwindigkeit.“ Wer dagegen mit 80 statt 100 Stundenkilometer durch den Wald fährt, dessen Bremsweg verkürzt sich bereits um 25 Meter. Diese Strecke kann einem Tier das Leben retten, Fahrer vor Verletzungen und das Auto vor Schäden bewahren.

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In Gebieten mit Wildwechsel langsam fahren

Nicht selten sei ein Auto auch nach einem Wildunfall nur noch ein Totalschaden. Ein Reh wiege im Schnitt rund 30 Kilogramm, eine Wildsau etwa 40. „Eine stattlicher Eber kann auch schon mal 150 Kilo auf die Waage bringen“, sagt Schneider. Wer mit hoher Geschwindigkeit ein solches Tier ramme, könne sich vorstellen, dass es womöglich nicht nur ein paar Beulen im Auto hinterlasse.

„Bei größeren Tieren wie etwa Hirschen kann der Körper auch die Windschutzscheibe durchschlagen.“ Das wiederum gefährde die Insassen. Deshalb gelte: Lieber langsamer fahren, besonders während kritischer Jahreszeiten und in Gebieten, in denen Wildwechsel vorkommen können.

Fuß vom Gas, Hand auf die Hupe

Besonders auf Straßen, die durch Wälder oder entlang von Feldern verlaufen, ist Vorsicht geboten. „Die Schilder, die vor Wildwechseln warnen, stehen da nicht umsonst“, sagt Andreas Schneider. Diese Verkehrszeichen würden an Strecken aufgestellt, an es zu einer „signifikanten Häufung von Wildunfällen gekommen ist“.

Daher sollten Autofahrer auf solchen Straßen rund um die Uhr die Geschwindigkeit verringern und aufmerksam fahren. Tauchen plötzlich Tiere am Straßenrand oder im Licht der Scheinwerfer auf, gilt erst recht: runter vom Gas. „Abblenden, abbremsen und aufmerksam bleiben“, so Schneider.

Fernlicht ist kontraproduktiv

Das Fernlicht einzuschalten und das Reh zu blenden, das auf der Straße steht, ist übrigens kontraproduktiv: Die Tiere könnten dadurch geradezu erstarren und stehen bleiben. Unter anderem raten der Automobilclub ACE und der Jagdverband, lieber die Hupe einzusetzen. Das Hupen könne die Tiere eher von der Straße verscheuchen. „Sollte ein Unfall nicht zu vermeiden sein, das Steuer fest- und auf das Tier draufhalten und dabei bremsen“, so Schneider.

Vollbremsungen sollten dagegen nur erfolgen, wenn nicht dicht hinter einem ein Fahrzeug fährt, wodurch es zu einem womöglich noch schwereren Auffahrunfall kommen könne, rät unter anderem das Portal anwalt.de. „Gefährden Sie niemals sich und andere Verkehrsteilnehmer. Riskieren Sie lieber einen Totalschaden an Ihrem Pkw durch den Aufprall eines Tieres, als einen Personenschaden durch eine Vollbremsung, Ausweichen oder andere unkontrollierte Manöver“, heißt es dort unter anderem. 

Das Tier zu überfahren klinge zwar hart, sei aber mitunter die einzige Möglichkeit, schwerere Unfallfolgen zu vermeiden, sagt auch Andreas Schneider vom Landesjagdverband. „Auf keinen Fall sollte man unkontrolliert den Lenker verreißen.“ Die Gefahr, dabei in den Gegenverkehr zu geraten oder an einen Baum zu fahren, sei zu groß.

Das ist nach einem Wildunfall zu tun

Zunächst gilt es, die Unfallstelle abzusichern und die Polizei zu rufen. Wildunfälle sind meldepflichtig, so Schneider. Die Polizei rufe dann den für das Gebiet zuständigen Jagdausübungsberechtigten an, wie es offiziell heißt, der sich um das verendete Tier kümmert. „Jede Polizeistation hat entsprechende Rufnummern und kann sofort reagieren.“

Wichtig: Auch wenn das Tier, mit dem man zuvor kollidiert ist, davongelaufen ist, müsse unbedingt die Polizei gerufen werden, betont der Sprecher des Landesjagdverbands Nordrhein-Westfalen. „Denn der Regel hat es die Tiere dennoch so schwer getroffen, dass sie sich kurz darauf niederlegen und qualvoll an inneren Verletzungen sterben.“

Unfallstelle nicht einfach verlassen

Um dem Tier einen unnötig langen Tod unter Schmerzen zu ersparen, müsse es erlöst werden. Das gelingt aber nur, wenn sich ein Jäger zusammen mit einem spezialisierten Hund auf die Suche machen könne. Zudem könnten sich Autofahrer auch strafbar machen, wenn sie ein verletztes Tier einfach seinem Schicksal überlassen, wie das Online-Portal anwalt.de betont.

Auch daher sei es wichtig, die Unfallstelle nicht zu verlassen. Bestenfalls sollte man am Straßenrand direkt neben der Unfallstelle warten, bis Polizei oder Jäger eingetroffen sind. „Dann ist die Stelle bekannt und der Jagdausübungsberechtigte kann sich gezielt auf die Suche nach dem schwer verletzten Tier machen“, so Schneider.

Zudem stellen Jäger oder Polizei eine Wildunfallbescheinigung aus, die Autofahrer bei ihrer Versicherung einreichen können. Eine solche Bescheinigung sollte man sich grundsätzlich ausstellen lassen, um später Probleme bei der Abwicklung mit der Versicherung zu vermeiden. Denn der Autofahrer ist gegenüber seiner Versicherung in der Beweispflicht, dass es wirklich zu einem Wildunfall gekommen war.

Hände weg vom verletzten Tier

Hat man ein Wildtier erfasst und das Tier den Unfall verletzt überlebt, sollte man tunlichst Abstand halten. Auch wenn es schwerfällt, ist es für Menschen sicherer, das verletzte Tier nicht anzufassen oder aus der Nähe nachzuschauen, wie es ihm geht. Das gilt vor allem für Wildschweine.

„Gerade Wildschweine sind sehr wehrhaft und können einen Menschen wirklich schwer verletzen“, warnt Andreas Schneider vom Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen. Ein verletztes Wildschwein könne zum Angriff übergehen, statt in den Wald zu flüchten. Liegen tote Tiere mitten auf der Straße oder stellen eine Gefahr für den nachfolgenden Verkehr dar, könnten sie jedoch zur Seite gezogen werden, so Schneider. „Dabei aber nichts riskieren und womöglich noch selbst verunglücken, sondern auf den Verkehr achten und nur aktiv werden, wenn die Situation es zulässt.“

Ansonsten sei es besser, auf Polizei und Jäger zu warten. Zudem sollten tote Wildtiere zur Sicherheit nur mit Handschuhen angefasst werden, teilt der Jagdverband mit. Sonst können eventuell Parasiten oder Krankheiten übertragen werden.

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Wildtiere mitnehmen ist eine Straftat!

Wer auf die Idee kommt, den überfahrenen Hasen oder gar das Reh in den Kofferraum zu laden und zu Hause ein Wildgericht daraus zuzubereiten, sollte ganz schnell wieder davon Abstand nehmen. „Das ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, die auch verfolgt wird“, so Schneider. Jagdwilderei nennt es sich das – und zwar auch dann, wenn das Tier bei einem Unfall getötet wurde und danach mitgenommen wird und nicht vorsätzlich erlegt worden ist.

Denn auch ein bereits totes Wildtier darf nicht mitgenommen werden. Ansonsten heißt es möglicherweise, man habe sich das Tier vorsätzlich „zugeeignet“, wie es juristisch heißt, warnt das Portal anwalt.de. Wer dabei erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis drei Jahren rechnen.

Quellen

Themen Heimische Wildtiere
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