21. September 2023, 10:50 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Spinnen der Gattung Loxosceles finden sich bereits im Mittelmeerraum. Das Gift der Tiere ist toxisch und kann bei einem Biss zum Absterben des Gewebes oder auch Nekrosen der Haut führen. Im schlimmsten Fall führt ein Biss sogar zum Tod. Aber gibt es die hochgiftigen Spinnen bereits in Deutschland?
Durch den Klimawandel finden sich immer mehr Tiere in unseren Breitengraden, die hier zuvor nicht heimisch waren. Zu den wohl gefährlichsten Vertretern dieser Tiere zählen hochgiftige Spinnen der Gattung Loxosceles, die sich, wenn die Temperaturen weiter steigen, auch in Deutschland ansiedeln könnten. In den Medien häufen sich mehr und mehr Meldungen über angebliche Sichtungen der Chilenischen Winkelspinne in Deutschland. Aber was steckt wirklich dahinter? PETBOOK hat bei einem Experten nachgefragt und erklärt, was man über die giftigen Spinnen wissen sollte.
Übersicht
- Wo leben die Tiere?
- Wie erkenne ich einen Loxosceles-Biss?
- Wie gefährlich ist das Gift der Loxosceles-Spinnen?
- Wurden bereits Exemplare in Deutschland und Europa gesichtet?
- Könnte die Spinne mit Exportguten eingeführt werden?
- Kann sich die hochgiftige Spinne in Deutschland ausbreiten?
- Muss man eine Sichtung der Loxosceles-Spinne melden?
- Ist die Angst vor der Spinne gerechtfertigt?
Wo leben die Tiere?
Spinnen der Loxosceles-Gattung leben vor allem in Ländern mit mildem Klima. Die Mediterrane Einsiedlerspinne (Loxosceles rufescens) hat sich daher bereits im Mittelmeerraum ausgebreitet. Sie wird aufgrund ihrer Körperform auch Braune Violinspinne genannt.
Nun könnte bald auch eine noch gefährlichere Verwandte aus der Loxosceles-Familie ihren Weg nach Europa finden: Die Loxosceles laeta, auch chilenische Winkelspinne genannt. Ihr Biss kann unbehandelt für Menschen sehr gefährlich werden und sogar zum Tod führen. Die chilenische Vertreterin der Loxosceles-Familie ist – wie ihr Name bereits besagt – in dem Land in Südamerika heimisch. Auf Spanisch heißt das Tier „araña de rincón chilena“, weshalb man sie auch Chilenische Einsiedlerspinne nennt. Der Name ist Programm, denn die nachtaktiven Tiere sind sehr scheu und verstecken sich gerne in Schränken oder Schubladen, wenn sie in die Häuser von Menschen gelangen.
In Nordamerika findet sich vor allem Loxosceles reclusa, die Braune Einsiedlerspinne. Dort lebt sie meist in wärmeren Gebieten, wie dem Mittleren Westen und den südlichen Bundesstaaten.
Was sollte man tun, wenn man auf eine Spinne der Loxosceles-Familie stößt?
PETBOOK hat Dr. Roland Mühlethaler, Referent für strategisches Prozessmanagement beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), danach gefragt, was man tun sollte, wenn man auf eine Loxosceles-Spinne trifft. „Zuerst müsste man diese überhaupt als solche erkennen“, bemerkt der Experte. „Sie hat aber keine besonders auffälligen Bestimmungsmerkmale, die sie einfach von anderen Arten unterscheidet“. Die Arten seien nachtaktiv und absolut nicht aggressiv, es sei also ungefährlich, sie zu beobachten. „Wer eine Spinne im Haus findet und sie dort nicht dulden möchte, möge sie bitte sanft (Glas oder Becher überstülpen, Pappe darunter) ins Freie befördern“, erklärt Mühlethaler PETBOOK weiter.
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Wie erkenne ich einen Loxosceles-Biss?
Wenn man von einer Spinne dieser Art gebissen wird, ist dies meist sehr schmerzhaft und bleibt nicht unbemerkt. Nach einem Biss sollte man am besten das Tier einfangen und sich – am besten mit der Spinne – ins Krankenhaus begeben. Mit dem Tier sind die Behandlungschancen höher, da die Ärzte vor Ort das Tier erkennen und richtig handeln können. Ein Biss der Braunen Violinspinne kann zu schmerzhaften Läsionen der Haut führen, auch als Loxoscelismus bekannt. Die Nekrose der Haut ist sehr schmerzhaft und wächst bis zu zehn Tage nach dem Biss.
Der Biss der Chilenischen Wanderspinne ist sogar noch gefährlicher. Binnen zwei bis 18 Stunden kommt ebenfalls zu starken Schmerzen und zu einer Nekrose der umliegenden Haut, sie „verfault“ geradezu.
Wie gefährlich ist das Gift der Loxosceles-Spinnen?
2021 berichteten mehrere Medien, darunter die amerikanische Wochenzeitung „Newsweek“, über einen auf Ibiza gebissenen Teenager, der nach einem Biss der Mediterranen Einsiedlerspinne eine sich ausbreitende Nekrose in den Fingern hatte. Um die Ausbreitung zu stoppen, sollten ihm zwei Finger amputiert werden.
„Generell sollte man, wenn man von einer Spinne gebissen wird, diese einfangen, damit eine sichere Identifizierung möglich ist“, findet Dr. Mühlethaler vom Nabu. So könne man die entsprechenden medizinischen Maßnahmen treffen und – falls nötig – das richtige Gegengift verabreichen. „Das Loxosceles-Gift hat leider die unangenehme Eigenschaft, Nekrosen hervorzurufen. Die Folgen dieser Nekrosen sind es dann auch, die im ungünstigsten Fall zum Tode führen können“, schätzt Roland Mühlethaler die Situation nach dem Biss für PETBOOK ein.
Das Gift der Loxosceles-Spinnen ist für den Menschen tatsächlich gefährlich. Bei einem lange unbehandelten Biss kann es zu Nierenversagen, Amputationen und Tod des gebissenen Menschen führen. Tatsächlich sind die Bisse der Spinne jedoch relativ selten und die Sterblichkeitsrate wird mit drei bis vier Prozent angegeben.
Wurden bereits Exemplare in Deutschland und Europa gesichtet?
Roland Mühlethaler gibt PETBOOK gegenüber Entwarnung zum Vorkommen der hochgiftigen Spinnen in Deutschland: „Laut der umfangreichen Dokumentationen der Arachnologischen Gesellschaft und der Meldeplattform naturgucker.de konnten noch keine gesicherten Funde von Loxosceles festgestellt werden“. Im Mittelmeerraum sei jedoch eine Art aus der Gattung heimisch: die Braune Violinspinne (Loxosceles rufescens).
„Wenn eine Loxosceles-Art nach Deutschland verschleppt wird, dann wäre diese wohl am wahrscheinlichsten“, erklärt der Experte PETBOOK weiter. Die Art spiele jedoch medizinisch keine Rolle in ihrem Verbreitungsgebiet, das heißt, es gebe kaum Meldungen über Bissunfälle.
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Könnte die Spinne mit Exportguten eingeführt werden?
Chile ist eine wahre Exportnation. Das südamerikanische Land führte bereits in der Saison 2017/18 insgesamt über 2 Millionen Tonnen an Früchten aus, darunter Äpfel, Weintrauben, Süßkirschen und Avocados. Auch aus der Mittelmeerregion bezieht Deutschland viele Früchte und Gemüse, darunter häufig Tomaten und Gurken. Könnten also die hochgiftigen Loxosceles-Spinnen ihren Weg nach Deutschland durch Exportgute finden?
Auf diese Frage antwortet der freischaffende Biologe Mühlethaler gegenüber PETBOOK: „Ja, durch den weltweiten Handel werden andauernd Organismen irgendwohin verfrachtet, das ist ein generelles Problem. Oft sind es aber Einzelexemplare.“ Ob diese dann im Zielland stabile Populationen mit Nachkommen etablieren könnten, hinge von vielen Faktoren ab (z. B. passendes Klima, genügende Anzahl von erwachsenen Tieren für die Fortpflanzung).
Kann sich die hochgiftige Spinne in Deutschland ausbreiten?
„Darüber habe ich keine Kenntnis“, sagte Roland Mühlethaler PETBOOK weiter. „Es scheint mir persönlich aufgrund des Vorkommens und der Lebensweise von Loxosceles laeta (Anm. der Red. „Chilenische Winkelspinne“) auch eher unwahrscheinlich, dass sich diese Art hier etablieren kann. Unser Klima ist zu kalt für sie.“
In ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet sei die Art jedoch weit verbreitet und oft auch in Häusern anzutreffen, ohne dass sie dort ein schwerwiegendes medizinisches Problem darstelle. „Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Tiere scheu sind und sehr selten Menschen beißen“, ordnet Mühlethaler die Loxosceles-Spinnen für PETBOOK ein. Wie die meisten Spinnenarten fürchteten sie sich vor Menschen und bissen nur, wenn sie sich bedroht fühlten oder durch unglückliche Umstände gequetscht würden. Dies sie beispielsweise der Fall, wenn sie sich in Kleidern versteckten und diese dann angezogen würden.
In Chile hat es sich etabliert, vor dem Schlafengehen alle dunklen Ecken abzusaugen und Kleidung vor dem Anziehen gründlich auszuschütteln. Daher kommen auch Bisse und Todesfälle durch Spinnenbisse in dem südamerikanischen Land nur sehr selten vor. Man hat sich an die Anwesenheit der Tiere gewöhnt.
Muss man eine Sichtung der Loxosceles-Spinne melden?
PETBOOK hat beim Nabu nachgefragt, ob es für Sichtungen der eingewanderten Spinnen eine ähnliche Meldepflicht wie bei der Nosferatu-Spinne gibt (PETBOOK berichtete). Dr. Roland Mühlethaler antwortete darauf: „Bislang gibt es keinen Grund dafür.“ Sobald aber erste Sichtungen gemeldet würden, könne man schnell ein Monitoring dafür einrichten.
Ist die Angst vor der Spinne gerechtfertigt?
„Generell sollte man davon absehen, mit solchen Meldungen Panik zu verbreiten“, erklärt Roland Mühlethaler gegenüber PETBOOK. „Auch wir in Mitteleuropa leben schon seit Jahrtausenden friedlich mit giftigen Tieren wie beispielsweise Honigbiene oder Hummeln zusammen. Wenn wir die Tiere respektieren und in Ruhe lassen, passiert auch selten etwas. Unfälle sind aber leider immer möglich, wie überall in unserem Leben“, resümiert Dr. Roland Mühlethaler für PETBOOK.
Was vielen Menschen, die sich vor einer Verbreitung der hochgiftigen Spinnen in Deutschland darüber hinaus Angst machen könnte, ist, dass es tatsächlich noch kein Gegengift für den Biss gibt. Doch auch hier gibt es bereits medizinische Fortschritte. In einem Krankenhaus in São Paulo in Brasilien haben Ärzte über sechs Jahre ein erstes Antidot gegen das für den Menschen gefährliche Spinnengift getestet. Dabei fanden die Mediziner heraus, dass das Antidot am wirksamsten Nekrosen verhinderte, wenn man es Patienten binnen 48 Stunden nach dem Biss verabreicht. 91,8 Prozent der Betroffenen wurden nach dem Krankenhausaufenthalt auch mit dem Kortison Prednisolon behandelt. Die Ausbildung der Loxosceles-Läsionen der Haut konnte so signifikant gesenkt werden.1
Dass die giftigen Spinnen ihren Weg zu uns nach Deutschland finden und sich hierzulande etablieren werden, scheint, nach dem jetzigen Kenntnisstand, zum Glück eher unwahrscheinlich.
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Quellen
- 1. Malaque, C. M., Novaes, C. T., Piorelli, R. O., Risk, J. Y., Murad, J. C., Lara, A. N., … & Santoro, M. L. (2022). Impact of antivenom administration on the evolution of cutaneous lesions in loxoscelism: A prospective observational study. PLOS Neglected Tropical Diseases, 16 (10), e0010842.
- Chaim, O. M., Trevisan-Silva, D., Chaves-Moreira, D., Wille, A. C. M., Ferrer, V. P., Matsubara, F. H., … & Veiga, S. S. (2011). Brown spider (Loxosceles genus) venom toxins: tools for biological purposes. Toxins, 3(3), 309–344.
- Blanke, M., Yuri, A. Chile – Exportrekorde im Obstbau im Schatten der Anden. Erwerbs-Obstbau 62, 175–180 (2020). https://doi.org/10.1007/s10341-020-00474-1
- Ärztezeitung.at, „Spinnenbisse: Überschätzte Gefahr“ (aufgerufen am 2.3.2023)