4. Dezember 2024, 17:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es soll eines der seltensten Tiere der Welt sein. Der goldene Tiger, auch Erdbeertiger genannt, hat eine besondere Fellfärbung. Statt in kontrastreichem Orange mit schwarzen Streifen ist sein Fell blond oder golden mit rötlichen Streifen. PETBOOK-Redakteurin und Biologin Saskia Schneider erklärt, wie die seltene Fellfarbe entsteht und warum sie Naturschützern Sorge bereitet.
Goldene Tiger sind ein seltener Anblick. Daher verwundert es nicht, dass das Bild von Tierfotograf Gaurav Ramnarayanan Anfang 2024 in den sozialen Medien viral ging. Auch viele Medien griffen den seltenen Schnappschuss auf. Zu sehen war darauf Kazi 106-F, ein weiblicher Tiger des Kaziranga Nationalparks, mit einer ganz besonderen und seltenen Fellfärbung. Statt des typischen Musters aus orangefarbenem Fell mit schwarzen Streifen wirkt das Tier fast blond. Ramnarayanan war daher sofort klar, dass es sich hierbei um keinen gewöhnlichen Tiger handelte – dies berichtete der US-amerikanische Fernsehsender CNN.
PETBOOK erklärt, warum goldene Tiger so selten sind und warum Tierschützer ihr Auftreten mit Sorge betrachten.
Wie entsteht ein goldener Tiger?
Ein goldener Tiger ist eine Farbvariation des Bengalischen Tigers Panthera tigris tigris, auch Königstiger genannt. Die besondere Fellfärbung wird durch ein sogenanntes rezessives Gen ausgelöst. Das bedeutet, dass das Gen nicht dominant ist – Mutter und Vater müssen es an ihre Nachkommen weitergeben, damit goldene Tiger entstehen.
Das Gen beeinflusst die Produktion der schwarzen Pigmente während des Haarwachstums. Gleichzeitig wird vermehrt Phäomelanin gebildet. Dieses Pigment sorgt für einen rötlich-gelblichen Ton im Fell. Dadurch kommt es zu einer völlig anderen Farbkombination: Statt Orange mit Schwarz haben goldene Tiger blondes Fell und rötliche Streifen.
Bei weißen Tigern sorgt dasselbe Gen übrigens dafür, dass die Tiere nur noch kaum sichtbare Streifen ausbilden können. Somit entstehen sogenannte streifenlose Tiger. In der Natur tauchen solche Farbkombinationen nur äußerst selten auf, da die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Träger des Gens aufeinandertreffen und verpaaren, gering ist.
Wie viele goldene Tiger gibt es?
Wie viele goldene Tiger es in freier Wildbahn gibt, ist nicht bekannt. Forscher gehen davon aus, dass weniger als ein Tiger von 10.000 mit weißem Fell geboren werden. Die goldene Fellfärbung soll sogar noch seltener sein.
Laut verschiedener Quellen soll es schätzungsweise 30 goldene Tiger in Gefangenschaft geben. Sie alle sollen allerdings auf einen einzigen weißen Tiger namens Bhim zurückgehen. Dieser war Träger des seltenen Gens und gab dieses auch an einige seiner Nachkommen weiter. Doch weil es zwei Genträger braucht, um goldene Tiger zu erzeugen, wurde Bhim zunächst mit einem weiblichen Bengaltiger verpaart und anschließend mit seiner eigenen Tochter.
Es ist also viel Inzucht nötig, bis Tiere mit der seltenen Farbe entstehen. Und genau das ist auch der Grund, warum Tierschützer das Vorkommen von goldenen Tigern mit Sorge betrachten.
Warum Naturschützer goldene Tiger mit Sorge sehen
Auch wenn das Auftreten der seltenen Tiere für viel Aufsehen sorgt – Tierschützer sehen die goldenen Tiger mit Sorge, vor allem, wenn sie in Nationalparks auftreten. Denn dies könnte ein Zeichen für zunehmende Inzucht in der Population sein. Wissenschaftler sprechen auch von genetischer Verarmung. Diese tritt dann auf, wenn es von außen keine „frische“ genetische Information mehr gibt, die Tiere sich also nur noch untereinander paaren können.
Dies scheint im Kaziranga National Park der Fall zu sein. Laut einem Statusbericht der National Tiger Conservation Authority in Indien leben etwa 70 Prozent der Tiger des indischen Bundesstaates Assam in Kaziranga. Durch die rasante Entwicklung der Region verlieren viele Wildtiere ihre Wanderrouten zwischen ihren Habitaten. Eine Studie aus 2020 dokumentierte eine zunehmende Fragmentierung sowie einen Verlust von Waldkorridoren rund um den Park. All das isoliert die Tigerpopulation und fördert Inzucht.
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Sogar vier goldene Tiger leben im Nationalpark
Tatsächlich ist Kazi 106-F nicht der einzige goldene Tiger, der im Park gesichtet wurde. Im Jahr 2020 teilte der in Mumbai lebende Fotograf Mayuresh Hendre Fotos von einer Safari in Kaziranga online, die auch damals im Internet für Aufsehen sorgten. Zwar ist unklar, ob die Tiger zur gleichen Zeit existierten oder nacheinander erschienen sind, doch handelt es sich eindeutig um zwei verschiedene Tiere, wie das indische Nachrichtenmagazin „The Hindu“ berichtet.
Laut der indischen Tageszeitung „The New Indian Express“ soll der Nationalpark sogar kurz nach Veröffentlichung des Fotos von Kazi 106-F angegeben haben, dass es sogar vier Tiger mit dieser Fellfärbung im Park gibt. Dies ist für Biologen ein klarer Hinweis auf Inzucht innerhalb der Population. Dies stellt ein massives Problem dar, denn sie kann zu körperlichen Beeinträchtigungen der Tiere, zu einem geschwächten Immunsystem und zu einer verminderten genetischen Vielfalt führen. All diese Faktoren können die Wahrscheinlichkeit für das langfristige Überleben der Population stark mindern.