
24. Juli 2024, 16:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Während man bei Verschmutzungen von Meeren wohl am ehesten an Plastik oder raffiniertes Öl denkt, gibt es noch ein weiteres, menschengemachtes Problem in den Weltmeeren: Drogen. Scharfnasenhaie vor der Küste von Brasilien wurden nun positiv auf Kokain getestet und Abbauprodukte der Droge in ihren Organen nachgewiesen. Was das für die Tiere und das Ökosystem bedeuten könnte.
Lange hatte man es nur vermutet, nun ist es wissenschaftlich bestätigt: Kokain und seine Abbauprodukte finden sich in Meerestieren, konkret in Haien. Dies wurde von Meeresbiologen und Ökotoxikologen anhand von Scharfnasenhaien vor der Küste Brasiliens, dem zweitgrößten Absatzmarkt für Kokain in Südamerika, nachgewiesen. Was das für die Tiere und das Ökosystem bedeuten könnte.
Wie kommt Kokain ins Meer?
Enrico Mendes Saggioro und seine Kollegen von verschiedenen brasilianischen Instituten haben Kokain in Muskel- und Leberproben brasilianischer Scharfnasenhaie gefunden. Ihre Studie erschien in der Zeitschrift „Science of the Total Environment“.
Für ihre Untersuchung kauften sie 13 der kleinen Haie, die von örtlichen Fischern um Rio de Janeiro gefangen wurden. Die Exemplare sezierten sie anschließend im Labor und untersuchten die Proben mit Tandem-Massenspektrometrie. In allen Proben fanden sie dabei Kokain in Konzentrationen, die etwa 100-mal höher waren als bisher bei Meerestieren nachgewiesen.
Doch wie kommt die Droge überhaupt in die Weltmeere? Darauf lieferte die US-amerikanische „Shark Week“ 2023 eine Antwort, wie das Wissenschaftsmagazin „LiveScience“ berichtete. Während dieser Hai-Woche laufen im Fernsehen viele Dokumentationen über die Raubfische. Darunter auch solche, die in den Gewässern vor Florida offensichtliche Abhängigkeiten von Kokain zeigten. Dieses schmuggeln Drogenhändler schon seit mehreren Jahrzehnten über Strände, wo regelmäßig große Pakete an Land gespült werden. Ein ähnlicher Fall ist nun in Brasilien bestätigt worden.
Konstanter Kokain-Konsum könnte Haie stark beeinflussen
Bereits frühere Forschung hatte ergeben, dass auch in Brasilien viel Kokain ins Meer gelangt. Dies wird durch unzureichende Infrastruktur mit Abwässern, die einfach ins Meer geleitet werden, dort eingespült. Oder auch bewusst in Drogenlaboren so „vernichtet“ oder über Kleinflugzeuge in die Gewässer geworfen. Dies geschieht vor allem dann, wenn Drogenhersteller oder -händler versuchen, die Aufdeckung ihrer Machenschaften zu verhindern.
Bislang ist jedoch größtenteils unbekannt, wie lange die Droge tatsächlich im Meerwasser bleibt, und welche Auswirkungen sie auf die dort lebenden Tiere hat. Die 100-fach erhöhten Werte der positiv auf Kokain getesteten Haie liefern jedoch erste Anhaltspunkte.1
Denkbare Folgen sind zum Beispiel Störungen bei der Fortpflanzung der Fische, denn es ist bekannt, dass ihre Leber besonders empfindlich auf Toxine reagiert. Giftstoffe aller Arten können die Dotterbildung für Hai-Eier empfindlich stören, wie das Wissenschaftsportal „Phys.org“ berichtet. Auch könnte konstanter Kokain-Konsum das Verhalten der Haie negativ beeinflussen. Zudem weiß man von einigen Meerestieren schon jetzt, dass abgelagertes Kokain ihre DNA nachhaltig schädigen kann.

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Droge muss aus dem Meer raus, um das Ökosystem nicht noch weiter zu schädigen
Brasilianische Scharfnasenhaie erfüllen eine wichtige Rolle im Ökosystem und zählen mit einer Maximallänge von 110 Zentimetern zu den mittelgroßen Hai-Arten. Unter anderem ernähren sie sich in den küstennahen Gewässern von kleinen Fischen, Krebstieren, Schnecken und Tintenfischen. Dabei machen sie vor allem Jagd auf leicht zu erbeutende (kranke oder schwache) Tiere und halten die Populationen gesund. Sie stehen als Spitzenprädator ganz oben in der lokalen Nahrungskette und gelten laut der Roten Liste IUCN schon jetzt als gefährdet.
Diese Gefährdung geht aber nicht nur von Drogen im Lebensraum des Scharfnasenhais aus. Weil dessen Jagdgründe leicht zugänglich in flachen Teilen des Meeres liegen, findet er sich leider auch häufig in Fangnetzen von Fischern wieder. Wie auch die Wissenschaftler zeigten, verkaufen die Fischer dann die bedrohten Tiere als Speisefische auf Märkten. Inwiefern für Menschen durch den Verzehr der belasteten Haie eine Gefahr besteht, ist noch nicht bekannt.
Somit ist er nicht als Bedrohung für Menschen einzustufen. Stattdessen leidet der Scharfnasenhai eher unter dem Menschen durch die Bejagung und Verschmutzung seines Lebensraums. Die Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass ihre Ergebnisse nur ein Ausgangspunkt für die Erforschung des Vorkommens von Kokain und seinen möglicherweise fatalen Folgen für ein bereits bedrohtes Ökosystem im Meer sind.