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Studie liefert erste Beweise

Hummeln machen die gleichen Denkfehler wie Menschen

Erdhummel (Bombus terrestris) an iner Blüte
Auch Hummeln machen mal Denkfehler, wie jetzt erstmals in einer Studie nachgewiesen wurde Foto: Getty Images
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

17. September 2024, 14:10 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Um effektiv Nahrung zu sammeln, müssen Hummeln in der Lage sein, sich die Farben und Formen der Blüten zu merken. Doch dabei passieren auch den Insekten gelegentlich Fehler und sie erinnern sich „falsch“. Eine Eigenschaft, die auf eine Gedächtnisleistung hinweist, die bisher als einzigartig für Menschen galt.

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Da war man sich sicher, dass man das Auto genau hier abgestellt hatte – und dann steht es doch auf der anderen Seite der Straße. Solche Schusseligkeitsfehler passieren uns Menschen häufig, denn unsere Erinnerung ist kein akkurates Abbild von dem, was vorgefallen ist. Dass auch Hummeln solche Denkfehler machen, zeigte jetzt eine Studie eines britischen Psychologen der University of Stirling. Er fragte sich, ob sich auch Insekten falsch erinnern, wenn man sie mit einer Vielzahl von Reizen konfrontiert. Die Ergebnisse wurden am 14. September 2024 in der Fachzeitschrift „Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences“ veröffentlicht.

Warum unsere Erinnerung für Fehler sorgt

Wir Menschen speichern unsere Erinnerungen nicht als akkurate, einzelne Bilder ab. Vieles von dem, was wir erlebt und gelernt haben, wird im Gehirn beim Verarbeiten neu kombiniert. Dieser Rekombinationsprozess ist entscheidend für die Erinnerung, macht unser Gedächtnis aber auch anfällig für Fehler. Es findet eine Art Verzerrung statt, indem unsere früheren Erinnerungen die erst neu dazugekommenen beeinflussen.

Genau dies scheint auch bei Hummeln zu passieren. In dem Experiment testete der Psychologe Dr. Martin-Ordas das Erinnerungsvermögen von insgesamt 50 Arbeiterinnen verschiedener Hummelarten. Dafür präsentierte er den Insekten farbige Gegenstände, die in Zucker getränkt waren. Etwa ein gelbes, rundes Papierstäbchen oder einen orangefarbenen, eckigen Papierstreifen. Die Insekten verknüpften diese Formen und Farben mit der süßen Belohnung. So wie die Insekten in der Natur lernen würden, welche Formen und Farben die Blüten haben, die gerade viel Nektar produzieren.

Auch Hummeln erinnern sich falsch

Nach kurzer Zeit präsentierte er den Hummeln vier Objekte:

  1. eines, das sie zuvor schon kennengelernt und positiv verknüpft hatten,
  2. eines, das aus zwei der Merkmale der zuvor vorgestellten Objekte bestand,
  3. eines mit nur einem Merkmal der zuvor vorgestellten Objekte
  4. und ein völlig neues Objekt.

Wie erwartet wählten die Insekten in der Regel als Erstes das bereits gelernte Objekt – denn dieses hatten sie positiv mit der Belohnung Zucker verknüpft. Gelegentlich machten die Hummeln aber auch einen Denkfehler und wählten eines der Objekte, das zwei ähnliche Merkmale hatte, wie das bereits gelernte. Sie erinnerten sich also falsch.

Hinweis für ein episodisches Gedächtnis?

Diese falschen Erinnerungen entstehen dadurch, dass das Erinnerte eben kein exaktes Abbild des Erlebten ist, sondern die Erinnerungen nachgebildet werden. Man spricht auch vom sogenannten konstruktiven Gedächtnis. Unser Gehirn rekonstruiert erlebte Ereignisse also und füllt diese mit plausiblen Einzelheiten auf. 1

Die Fehler, die dabei entstehen, seien charakteristisch für das sogenannte episodische Gedächtnis. Dieses erlaubt die Erinnerung an persönliche Erlebnisse in einem konkreten raum-zeitlichen Kontext.2 Viele Psychologen gehen davon aus, dass das episodische Gedächtnis nur beim Menschen vorkommt.

Sollten die Denkfehler, die die Hummeln in der Studie gemacht haben, tatsächlich darauf zurückzuführen sein, dass die Elemente wie Farbe oder Form der zu erinnernden Gegenstände fälschlicherweise miteinander vermischt wurden, könne man daraus folgern, dass das Gedächtnis der Bienen auch konstruktiv ist, erklärt Dr. Martin-Orda im Wissenschaftsmagazin „Phys.org“.

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Denkfehler der Hummeln bieten interessanten Forschungsansatz

„Es ist durchaus plausibel zu erwarten, dass diese Art von Fehlern bei Hummeln vorhanden sind, da ihre natürliche Lebensweise darin besteht, Merkmale aus mehreren Reizen, zum Beispiel Blüten, zu kodieren und abzurufen“, so Orda weiter.

Doch eine Studie mit gerade mal 50 Individuen ist noch kein Beweis für ein episodisches Gedächtnis bei sozialen Insekten wie Hummeln oder Bienen. Die Ergebnisse deuteten jedoch darauf hin, dass es im Gedächtnis der Bienen konstruktive Prozesse gibt, obwohl noch mehr Forschung erforderlich sei, wie Orda einräumt.

So böten die Denkfehler, die die Hummeln im Experiment machten, einen interessanten Forschungsansatz, um das episodische Gedächtnis aus einer neuen Perspektive zu untersuchen. Die Forschung auf diesem Gebiet sei daher reif dafür, über „unsere etablierten Paradigmen und alten Debatten hinaus in eine reifere und konstruktivere Phase geführt zu werden“ betont Orda abschließend.

Hummeln scheinen für manche hier vielleicht ein ungewöhnliches Forschungsobjekt, doch sind uns die sozialen Insekten ähnlicher, als wir vermuten. Hätten Sie beispielsweise gedacht, dass Hummeln mit Bällen spielen, einfach, weil sie Spaß daran haben? Mehr dazu erfahren Sie in diesem PETBOOK-Artikel: Warum Hummeln gerne Ball spielen.

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Quellen

  1. lehrbuch-psychologie.springernature.com, „Erinnerungen“ (aufgerufen am 17.09.2024) ↩︎
  2. lehrbuch-psychologie.springernature.com, „episodisches Gedächtnis“ (aufgerufen am 17.09.2024) ↩︎
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