25. April 2024, 13:57 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Eine im Dunkeln leuchtende Schnecke, ein winziger, aber unglaublich schneller Kalmar und eine fleischfressende Papierblasenschnecke. Diese Tiere stammen nicht etwa aus einem Comic – sie waren als Kandidaten bei der Internationalen Weichtierwahl 2024 aufgestellt. Am Ende des Wettbewerbs winkt dem „Gewinnertier“ nun ein einzigartiger Preis. PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler verrät alle Infos zur Tierwahl mit dem wohl kultigsten Namen von allen.
Die Kategorie der Weichtiere ist eine Gruppe von Lebewesen, die nur bei wenigen für Begeisterungsstürme sorgt. Denn wer schaut sich schon eine Muschel oder eine Schnecke an, wenn man Löwen oder Tiger betrachten kann? Daher werden Schnecken, Muscheln und Kraken leider häufig übersehen – obwohl sie einzigartige Eigenschaften aufweisen, die sich bei keiner anderen Gruppe so geballt wie bei Weichtieren finden. Zum vierten Mal lenkt die Internationale Weichtierwahl 2024 Aufmerksamkeit auf diese oft übersehenen Lebewesen. Dem „Gewinner“ winkt sogar ein einzigartiger Preis.
Leuchtende Schnecke wird mit überragender Mehrheit „Internationales Weichtier des Jahres“ 2024
Am 18. April 2024 wurde in einer Pressemitteilung feierlich bekannt gegeben, dass der „lebende Leuchtstab“ sich den Titel des Internationalen Weichtiers 2024 sichern konnte. Mehr als die Hälfte (3279) der insgesamt abgegebenen 6263 Stimmen konnte die Schnecke für sich gewinnen.
Ihr folgt auf dem zweiten Platz der Gewellte Seeschmetterling (Clio recurva) mit 1078 Stimmen. Die Coosa-Flussmuschel (Amblema elliottii) erhielt 865 Stimmen, die Gepunktete Papierblasenschnecke (Micromelo undatus) 607 Stimmen. Der Atlantische Kurzkalmar (Lolliguncula brevis) wurde 434-mal gewählt.
Jurymitglied Dr. Carola Greve, Laborleiterin am LOEWE-Zentrum TB erklärt: „Die umfassende Genomsequenzierung dieser Schneckenart wird Einblick in die Prozesse geben, die hinter der Biolumineszenz stehen.“ Doch für die nicht gewählten Weichtiere wird es weitere Chancen geben. Ab sofort sind nun Nominierungen für das „Internationale Weichtier des Jahres 2025“ möglich.
Internationale Weichtierwahl schafft Bewusstsein für wenig erforschte Tiergruppe
Die Wahl zum Internationalen Weichtier des Jahres wird vom Loewe-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) und dem Senckenberg Institut gemeinsam mit Unitas Malacologica durchgeführt.
„Unser Ziel ist es, Aufmerksamkeit auf diesen außergewöhnlichen Tierstamm zu lenken und für den Schutz dieser Tiere zu sensibilisieren. Und natürlich wollen wir auch die Forschung an unterschiedlichen Weichtierarten fördern“, betont Prof. Dr. Julia Sigwart, Sektionsleiterin für Malakologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt in einer Pressemitteilung.
„Obwohl Weichtiere sich bereits vor etwa 500 Millionen Jahren entwickelten, gehören sie vor allem aus genomischer Sicht immer noch zu den in großen Teilen unerforschten Tiergruppen. Viele Arten warten sogar noch auf ihre Entdeckung“, so die Expertin weiter. Um mehr Aufmerksamkeit für sie zu schaffen, wird das Sieger-Weichtier durch eine öffentliche Abstimmung ermittelt. Im Jahr 2023 gewann die Chilenische Stachelschnecke die Wahl (PETBOOK berichtete).
Warum man bei der Internationalen Weichtierwahl mitmachen sollte
„Auch in diesem Jahr sind wir wieder begeistert von den Arten, die aus aller Welt vorgeschlagen wurden. Die Vielfalt im Tierstamm der Weichtiere ist so groß, und es gibt zahlreiche faszinierende Eigenschaften zu entdecken“, berichtet Dr. Carola Greve, Leiterin des Laborzentrums am LOEWE-Zentrum TBG in einer Pressemitteilung.
Doch das wirklich Besondere an dem Preis ist die vollständige Genomsequenzierung der Art durch das Loewe-Zentrum. Da bisher nur für relativ wenige Weichtiere vollständige Genomsequenzierungen vorlägen, möchten die Forscher mit dem Wettbewerb dazu beitragen, diesen Tierstamm auch auf der DNA-Ebene der Artenvielfalt besser zu verstehen. Dadurch könne man evolutionäre Entwicklungen, Verwandtschaften und Anpassungsfähigkeiten endlich besser nachvollziehen.
Warum ich für das Internationale Weichtier 2024 abgestimmt habe
Seitdem ich bei PETBOOK arbeite, beschäftige ich mich immer wieder mit Tieren, die einzigartig sind. Besonders faszinieren mich jedoch Lebewesen, die bei anderen keine große Lobby haben. Vor allem Oktopusse haben es mir angetan, denn diese Tiere sind unglaublich faszinierend und seit Millionen von Jahren eigene evolutionäre Wege gegangen. Diese machen ihre Eigenschaften faszinierend und einzigartig zugleich.
Oft unterschätzte Tiergruppen wie die Weichtiere sind so vielfältig, dass es komisch erscheint, wie wenig wir noch über sie wissen. Deswegen ist es wichtig, dass wir so viel wie möglich über sie lernen, bevor die Bedrohung ihrer Lebensräume noch weiter zunimmt. Denn was wir nicht verstehen, das können wir auch nicht schützen.
Ich habe auf jeden Fall schon für die – schon dem Namen nach unglaublich kultige – Internationale Weichtierwahl abgestimmt.
Die 5 Finalisten der Internationalen Weichtierwahl 2024 im Überblick
Auch im Jahr 2024 lieferten sich wieder fünf faszinierende Weichtiere einen Kampf ums Siegertreppchen. PETBOOK stellt sie einmal näher vor.
Der lebende Leuchtstab
Phuphania crossei, oder auch der lebende Leuchtstab, ist eine Schneckenart, die nur in Südostasien vorkommt. Den Namen trägt sie vollkommen zurecht, denn sie erzeugt Biolumineszenz und leuchtet dadurch dauerhaft in saftigem Grün. Dass eine Schnecke dies vermag, ist äußerst selten und wurde erst 2023 in einer Studie „beleuchtet“.1
Die Coosa-Flussmuschel
Süßwassermuscheln wie die Amblema elliottii gehören zu den am stärksten bedrohten Tierarten der Welt. Laut der Website der Internationalen Weichtierwahl 2024 stehen ganze 65 Prozent von ihnen auf der Roten Liste. Allerdings sind sie unglaublich wichtig, um Flusslandschaften fruchtbar und das Wasser sauber zu halten.
Warum gerade diese Muschel so kultig ist: Bei der vor allem im Coosa-Fluss im US-Bundesstaat Alabama lebenden Tiere dreht sich alles um Kiemen. Die Männchen geben ihre Spermien ins Wasser ab, die Weibchen atmen sie durch ihre Kiemen ein. Die dabei entstehenden Mini-Muscheln hängen sich an die Kiemen von Fischen und filtern dort Nährstoffe. Sind sie satt, lassen sie sich einfach fallen und legen von vorn los. Die älteste dieser Muscheln erreichte stolze 79 Jahre.
Die gepunktete Papierblasenschnecke
Micromelo undatus, die fleischfressende gepunktete Papierblasenschnecke (im Aufmacherbild zu sehen) lebt im Atlantik. In Gezeitenwasserbecken machen sie Jagd auf giftige Borstenwürmer. Anschließend resorbieren sie das Gift und nutzen es, um sich gegen Fressfeinde zu verteidigen.
Diese seltene, winzige Meeresschnecke gibt es seit 200 Millionen Jahren. Sie schillert in den unterschiedlichsten Farben – auch unter UV-Licht. Unter anderem bei Oktopussen wurden bereits spezialisierte Zellen gefunden, mit denen die Tiere die unterschiedlichsten Farben und Metallspiegelungen erzeugen. Eine DNA-Analyse der gepunkteten Papierblasenschnecke könnte enthüllen, wie diese gebildet werden.
Der Atlantische Kurzkalmar
Auch ein Vertreter der Kopffüßer war Kandidat bei der Wahl zum Internationalen Weichtier 2024. Der Atlantische Kurzkalmar ist ein winziger Vertreter dieser Familie, der als sehr anpassungsfähig gilt. Schwankende Salzgehalte im Wasser machen ihm eher wenig aus.
Auch seine Fortbewegungsweise ist höchst faszinierend. Er gilt als eins der schnellsten wirbellosen Tiere und schießt mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h durchs Wasser. Der höchstens elf Zentimeter große Kalmar saugt dazu Wasser in seine Mantelhülle und schießt es wie einen Trichter vor sich her, um sich damit nach vorn zu katapultieren. Wie alle Oktopusse verfügt er zudem über drei Herzen und spezielle Zellen, mit denen er seine Farbe wechseln kann. Wie das funktioniert und viele weitere Dinge über diese Tiergruppe erfahren Sie in diesem Artikel: 13 faszinierende Fakten über Oktopusse.
Der gewellte Seeschmetterling
Clio recurva, der gewellte Seeschmetterling, stand ebenfalls auf der Kandidatenliste der Internationalen Weichtierwahl 2024. Diesen Platz hat er sich verdient, weil er eine als Schmetterling getarnte Seeschnecke ist. Der übliche Fuß dieser Weichtiere hat sich bei dieser Art einfach mal zu zwei Flügeln verändert. Mit diesen lassen sie sich durch Schwärme von Plankton treiben, ohne je den Meeresboden zu berühren – das sollen Fallschirmspringer erstmal nachmachen!
Ihre Schale sieht zudem überhaupt nicht aus, wie man es von einer Schnecke erwarten würde. Die dünne Hülle enthält Kalziumkarbonat und schützt sie vor Infektionen und Fressfeinden. Sie kann aber noch mehr. Denn der gewellte Seeschmetterling ist ein sogenannter „Schleimfresser“ der einen Film über seine Flügel legt, mit dem er Plankton und andere Partikel an sich klebt und verspeist.
Allerdings kann ihm diese einzigartige, Kohlenstoff speichernde Hülle über kurz oder lang zum Verhängnis werden. Denn die Meere übersäuern durch den Klimawandel, was die Schalen des gewellten Seeschmetterlings auflöst. Eine DNA-Analyse dieses Tieres könnte helfen, zu verstehen, was getan werden muss, um diese winzigen, nützlichen CO₂-Binder im Meer zu schützen.
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Was ist eigentlich ein Weichtier?
Gemeinsam haben laut der Website der Internationalen Weichtierwahl 2024 alle diese Tiere, dass sie weder Knochen noch Zähne haben. Außerdem besteht ihr Körper aus einem Kopf und einem „Fuß“ – einem starken Muskel zur Fortbewegung.
Die meisten Arten haben eine Schale oder ein Gehäuse und leben im Wasser. Darüber hinaus unterscheiden sich diese Lebewesen, die nach den Gliederfüßern den zweitgrößten Tierstamm bilden, in vielen Aspekten wie Größe, Form, Verhaltensweisen und bevorzugten Lebensräumen.