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Waschbär, Wildkaninchen, Grauhörnchen

Paradox! Bedrohliche Arten im Heimatgebiet oft selbst bedroht

Ein Wildkaninchen im Gras
Das Europäische Wildkaninchen ist in seinem Heimatgebiet bedroht, in Australien dagegen eine Plage. Dies stellt Artenschützer vor ein Paradoxon Foto: Getty Images
Louisa Stoeffler
Redakteurin

11. Dezember 2024, 12:05 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Tiere wie Waschbären oder Grauhörnchen können in fremden Gebieten heimische Arten verdrängen und gelten oft als Bedrohung für das lokale Ökosystem. Doch diese invasiven Arten bringen nicht nur Herausforderungen mit sich, sondern werfen auch schwierige Fragen für den Naturschutz auf.

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Wenn man an invasive Arten denkt, haben viele sofort ein Feindbild im Kopf, das heimische Arten bedroht. In Europa kommen einem dabei wahrscheinlich Waschbären, die Asiatische Hornisse oder auch das Grauhörnchen in den Sinn. Viele denken daher, dass diese Tiere am besten sofort wieder verschwinden sollten, um heimische Populationen nicht weiter zu gefährden. Allerdings fand eine Studie heraus, dass auch die als bedrohlich eingeschätzten Arten in ihrem angestammten Verbreitungsgebiet bedroht sein können. So stellen diese Tiere Artenschützer vor ein sehr komplexes Problem.

Bedrohlich und bedroht – das Problem mit invasiven Arten

Von Menschen in fremde Gebiete gebrachte Arten sind Schätzungen zufolge für 60 Prozent des Artensterbens verantwortlich. Häufig wurden Tiere wie Nerze oder Waschbären zunächst für einen Zweck eingeführt. In vielen Fällen war dies zur Jagd oder zur Pelzproduktion. Ein neuerer Grund ist der Wunsch nach exotischen Haustieren, die dann in Gewässern ausgesetzt werden. Dies ist etwa der Fall bei der Gelbwangenschmuckschildkröte.

Doch gebietsfremde Arten haben in anderen Bereichen der Erde häufig keine Fressfeinde und können sich ungebremst vermehren. So werden sie zur Plage und können heimische Arten verdrängen oder sie sogar aussterben lassen. Das ist etwa beim Grauhörnchen auf den Britischen Inseln der Fall, welches die dort heimischen roten Eichhörnchen schon fast vollständig verdrängt hat.

Eine Studie der Universität Wien und der La-Sapienza-Universität in Rom hat sich nun einmal angeschaut, wie es um die gebietsfremden Arten im Allgemeinen steht. Die Hauptautoren Franz Essl, Lisa Tedeschi und ihr Team sprechen dabei von einem Naturschutzparadoxon, dass sich auftut. Denn wie die Experten in ihrer im Fachjournal „Conservation Letters“ erschienenen Untersuchung aufzeigen, würden sich einige Bewertungen auf der Roten Liste der geschützten Arten verändern, da bislang Populationen von Tieren, die sich nicht im angestammten Gebiet befinden, bei der Einschätzung, ob eine Art bedroht ist, nicht berücksichtigt werden.

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Schützen oder bekämpfen?

Dies scheint für viele Arten zu gelten, wie die Untersuchung zeigt. 230 nicht einheimische Säugetierarten wurden von Menschen in fremde Gebiete gebracht. 36 davon sind laut den Forschern in ihrer Heimat jedoch bedroht. „Diese hohe Zahl hat uns sehr überrascht, da wir davon ausgingen, dass invasive Arten auch in ihrem Herkunftsgebiet verbreitet sind“, sagte Hauptautorin Lisa Tedeschi in einer Pressemitteilung der Universität Wien.

Was also sollte man mit diesen Tieren nun tun? Sollen sie auch im neuen Gebiet geschützt werden, weil sie als bedroht eingestuft werden? Oder sollen sie bekämpft werden, weil sie wiederum andere Arten verdrängen? Ein Beispiel dafür ist das Europäische Wildkaninchen. Es wird in seinem Stammgebiet als „gefährdet“ eingestuft. Würde man jedoch die enorme Population in Australien, welche dort die heimischen Arten bedroht, einberechnen, würde der Status des Wildkaninchens „nicht gefährdet“ lauten.1

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Naturschutz muss „Chancen und Risken“ abwägen

„Für 22 Prozent der untersuchten Arten würde sich das globale Aussterberisiko verringern, wenn auch nicht-heimische Vorkommen in die Bewertung einbezogen würden“, erklärt Biodiversitätsforscher Franz Essl in der Pressemitteilung weiter. Allerdings würde auch diese Herangehensweise Risiken bergen. Denn dies würde bedeuten, dass dem Schutz der Tiere in den angestammten Gebieten weniger Aufmerksamkeit geschenkt würde. Das Hauptaugenmerk müsse laut Essl jedoch weiterhin auf dem Schutz der Arten in ihrem Heimatgebiet liegen.

„Es ist aber zu erwarten, dass es in Zukunft mehr Arten geben wird, die in ihren Heimatgebieten vom Aussterben bedroht sind und im neuen Verbreitungsgebiet bessere Überlebenschancen haben. Das stellt den Naturschutz vor die schwierige Aufgabe, Chancen und Risiken abzuwägen“, so Franz Essl abschließend. „Das ist auch ein Fingerabdruck der Globalisierung der Artenverbreitung.“

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Quellen

  1. Tedeschi, L., Lenzner, B., Schertler, A., Biancolini, D., Essl, F., & Rondinini, C. (2024). Threatened Mammals With Alien Populations: Distribution, Causes, and Conservation. Conservation Letters, e13069. ↩︎
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