
3. Juni 2024, 12:36 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Viele meinen es gut, wenn sie scheinbar hilflose Vogeljungen mitnehmen und zur Tierrettung bringen. Dabei sind die meisten Jungvögel gewöhnlich nicht auf menschliche Hilfe angewiesen – auch wenn sie noch so herzzerreißend piepsen. Wie Sie erkennen, wann Jungvögel wirklich in Not sind und was dann zu tun ist.
Mit Beginn des Frühlings beginnt auch die Brutzeit vieler heimsicher Vogelarten. Ihr Leben ist kein Zuckerschlecken. Stürme, Räuber oder auch die eigenen Nest-Geschwister können dafür sorgen, dass der ein oder andere Jungvogel Hilfe braucht, wenn er etwa aus dem Nest purzelt. Zwitschernde Vögelchen im Gebüsch oder auf einer Wiese, die scheinbar verlassen sind, lösen beim Menschen einen gewissen Helferinstinkt aus. Aber Vorsicht ist geboten, denn die Kleinen sind oft nicht hilflos und auch nicht verwaist.
Ästling oder Nestling?
Um festzustellen, ob ein Jungvogel Hilfe braucht, sollte man zunächst schauen, ob es sich um einen Nestling oder Ästling handelt. Diese Begriffe beziehen sich auch die Lebensphase, in der sich der Vogel befindet.
Sogenannte Nestlinge sind zu Beginn ihres Lebens noch blind, flugunfähig und damit auf die Fürsorge ihrer Eltern angewiesen. Nestlinge gehören demnach ins Nest, bis sie dazu in der Lage sind, selbstständig Nahrung aufzunehmen und flügge sind. Jungvögel, die in dieser Phase auf dem Boden sitzen, benötigen meist Hilfe. 1
Einen Nestling erkennen Sie an folgenden Merkmalen:
- meist noch nicht stark befedert
- manchmal noch blind
- kann sich noch nicht auf den Beinen halten
- kann noch nicht eigenständig Nahrung aufnehmen
Ist der Jungvogel schon relativ selbstständig, wird er zum Ästling. Die Bezeichnung rührt daher, dass die Tiere nun nicht mehr nur im Nest, sondern vermehrt auf Ästen sitzen. Von dort aus starten sie erste Flugversuche, werden aber weiterhin von ihren Eltern mit Futter versorgt. Das bedeutet also: Sitzt ein Ästling scheinbar hilflos auf dem Boden, sind die Altvögel oft in der Nähe. Der Jungvogel braucht in dieser Situation also keine Hilfe, denn er kann mit Rufen auf sich aufmerksam machen und sein Federkleid reicht aus, um nicht zu verkühlen.
Einen Ästling erkennen Sie an folgenden Merkmalen:
- bereits gut befiedert
- Augen geöffnet
- kann selbstständig stehen und gehen
- lautes Tschilpen/Piepsen (Bettelruf)
Auch interessant: Verletztes Wildtier gefunden – das sollte man tun
Beobachten statt zugreifen
Sitzt ein Vogel laut rufend auf dem Boden, handelt es sich in der Regel um einen Ästling. Diese sollte man nie sofort mitnehmen, denn in den meisten Fällen tauchen die Altvögel nach ein bis zwei Stunden wieder auf.2
Um sicherzugehen, ob Jungvögel also wirklich Hilfe brauchen, sollte man die Tiere etwa eine Stunde aus weiter Entfernung beobachten. Versorgen die Vogeleltern den Nachwuchs noch? Sollte kein Elternteil auftaucht, kann das Vögelchen aufgenommen und versorgt werden. Tragen Sie dabei am besten Handschuhe.
In diesen vier Fällen brauchen Jungvögel direkte Hilfe
1. Unmittelbare Gefahr
Wenn der rufende Vogel auf oder an einer Straße sitzt oder sich ungeschützt in unmittelbarer Nähe eines Beutegreifers wie beispielsweise eine Katze befindet, sollte man ihm schnell helfen und in eine schützende Hecke setzen.
2. Nestlinge unterwegs
Nestlinge haben noch geschlossene Augen und keinerlei Federn. Die Altvögel halten sie normalerweise rund um die Uhr warm und füttern sie. Falls Sie so einen Babyvogel finden, sollten Sie nach seinem Nest suchen und ihn zurücklegen. Finden Sie kein Nest, muss er in eine Auffangstation gebracht werden.
3. Vogel ist verletzt
Wenn der Jungvogel offensichtlich verletzt ist, sollte man professionelle Hilfe vom Tierarzt oder einer Vogelauffangstation holen. Dann den kleinen Findling am besten in einen mit Küchenpapier ausgelegten und mit Luftlöchern versehenen Karton setzen und zu einem Tierarzt, Tierschutz- oder Vogelhilfeverein bringen.
4. Jungvogel ist nass oder zu heiß
Sollte der Jungvogel nass sein, sollte man ihn zunächst in der Wärme trocknen lassen. Sie können ihn auf eine Wärmflasche setzen, die mit lauwarmem Wasser gefüllt und in ein Handtuch eingewickelt wurde.
Vorsicht: Der Vogel darf nicht überhitzen! Fängt er an zu hecheln oder wirkt schwach, ist dies ein Zeichen, dass es ihm zu warm ist. Haben Sie ihn bereits in diesem Zustand angetroffen, sollten Sie ihn zunächst an einen kühlen, schattigen Ort bringen.
Jungvogel mitgenommen – Notfall-Checkliste
Sie haben einen Vogel gefunden und mitgenommen? Jetzt ist erst mal das Wichtigste: Ruhe bewahren! Zur Planung der nächsten Schritte können Sie sich an der Notfall-Checkliste der Wildvogelhilfe orientieren:
Notfall-Checkliste – Kurzversion:
- Wärmen Sie den Vogel.
- Nehmen Sie Kontakt mit einer Auffangstation für Jungvögel auf – hier finden Sie eine Liste mit möglichen Kontakten
- Schicken Sie Bilder zur Artbestimmung.
- Füttern Sie den Vogel, wenn er sich warm anfühlt.
- Füttern Sie kleinen Singvögeln ausschließlich frische Insekten, zum Beispiel gefangene Fliegen.
- Keine Regenwürmer, keine lebenden Maden oder anderes Futter als frische, abgetötete Insekten geben.
Keine Flüssigkeiten geben!
Viele haben Angst, der kleine Vogel könnte dehydrieren und wollen ihm zunächst Wasser geben. Das kann aber fatal enden, denn Jungvögel – vor allem, wenn sie geschwächt sind – können sich leicht verschlucken. Gelangt dadurch Wasser in die Lunge der Tiere, führt dies meist zu einer Lungenentzündung und damit zum Tod der Vögel.
Wenn Sie Befürchtung haben, der Vogel könnte an Flüssigkeitsmangel leiden, suchen Sie am besten einen Tierarzt auf. Dieser kann dem Tier eine Infusion verabreichen.3 Rufen Sie vorher aber unbedingt an. Nicht jede Praxis ist auf die Versorgung von Vögeln ausgerichtet oder besitzt die nötige Fachkenntnis.
Wichtig: Braucht ein Vogel trotz Erste-Hilfe-Maßnahmen weiter Unterstützung, sollten Sie ihn ebenfalls zu einem Tierschutz- oder Vogelhilfeverein bringen.

Verletztes Wildtier gefunden – das sollte man tun

Junges Wildtier gefunden? So verhält man sich je nach Art richtig

Was tun Vögel eigentlich, wenn es regnet?
Brauche ich eine Genehmigung?
Viele Wildvögel gehören zu den besonders oder streng geschützten Arten. In der Schweiz benötigt man daher für die Pflege und Haltung von Wildvögeln eine Genehmigung. Diese muss man beim Kanton (Jagdverwaltung oder Veterinäramt) beantragen.
In Deutschland benötigt man hingegen keine Genehmigung, wenn man Jungvögeln helfen möchte. Voraussetzung ist, dass man das Tier später wieder auswildert. Dies ist bei den meisten Vogelarten unproblematisch. Anders sieht es aus, wenn ein Vogel gehandicapt bleibt oder aus anderen Gründen nicht mehr ausgewildert werden kann. Wer solch ein Tier behalten möchte, muss sich die Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde einholen.4
Mit Material der dpa