29. September 2023, 17:47 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
In der Natur kommt es häufig zu Hybridisierungen von nahe verwandten Arten. So wurde nun ein Tier entdeckt, dass ein Hybrid – also ein Mix – aus Pampasfuchs und Hund sein könnte. Doch ganz so klar ist die Unterscheidung zwischen Fuchs und Hund nicht.
In Brasilien ist ein Tier entdeckt worden, das zunächst für einen verwilderten Hund gehalten wurde. Bei einer tierärztlichen Untersuchung zeigten sich jedoch Verhaltensweisen, die eher dem dort heimischen Pampasfuchs ähnelten. Wissenschaftler der staatlichen brasilianischen Universität in Rio Grande del Sul haben das Tier anschließend einer genetischen Analyse unterzogen. Ist das neue Tier wirklich ein Hybrid aus Fuchs und Hund? PETBOOK ordnet die Ergebnisse mit Hilfe von Fuchsexperte Daniel Peller von der „Fuchs-Hilfe“ im Interview ein.
Fuchs-Experte sieht Zweifel, ob das gefundene Tier hybridisiert ist
PETBOOK: Lieber Herr Peller, wir haben eine Studie entdeckt, die von der Hybridisierung von Hunden und einer bestimmten Fuchsart in Südamerika spricht. Könnten Sie uns eine Einschätzung zu den Ergebnissen geben?
Daniel Peller: „Laut Studie wurde im Jahr 2021 in Südamerika ein Tier aufgegriffen, das ungewöhnliche Merkmale aufwies, die sowohl an Haushunde, als auch an wilde Hundeartige erinnerten. Anhand des Aussehens vermutete man eine Kreuzung zwischen dem Haushund (Canis lupus familiaris) und dem sogenannten Pampasfuchs (Lycalopex gymnocercus).
Im Rahmen der Studie wurde mithilfe diverser Methoden – vor allem auf genetischer Ebene – untersucht, ob es sich bei dem Tier tatsächlich um einen solchen Hybriden handeln könnte. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es sich möglicherweise um einen direkten Nachkommen eines weiblichen Pampasfuchses und eines männlichen Haushundes handeln könnte.
Obwohl die Autoren sich recht sicher sind, dass die Untersuchungsergebnisse ihre Hypothese einer solchen Hybridisierung hinreichend belegen, bleiben Zweifel. So heißt es in der Diskussion der Studie, dass bei einer der Untersuchungen aufgrund des Vergleichs des Genmaterials mit nur zwei Referenzproben von anderen Pampasfüchsen nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden konnte, ob die Abweichung im Genmaterial tatsächlich das Ergebnis einer Hybridisierung ist oder eine intraspezifische Variation darstellt. Zusätzliche Studien seien nötig, um Vorkommen und Häufigkeit solcher Hybriden weiter zu untersuchen.
Experte über möglichen Fuchs-Hund-Hybrid: »Pampasfuchs ist eigentlich gar kein Fuchs
Wie kann es generell zu Hybridisierungen unterschiedlicher Arten kommen? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
„Grundsätzlich sind Kreuzungen zwischen unterschiedlichen Tierarten durchaus möglich, sofern diese sich einen Lebensraum teilen und ‚genetisch kompatibel‘ sind. Wölfe und Haushunde etwa sind sich genetisch noch so ähnlich, dass sie erfolgreich Nachkommen zeugen könnten.
Wenn es um die Kreuzung von Haushunden und echten Füchsen geht, ist es allerdings so, dass diese Arten genetisch so weit voneinander entfernt sind, dass sie nicht mehr genetisch kompatibel sind. Rotfüchse besitzen beispielsweise 34-38 Chromosomen, während Haushunde 78 Chromosomen besitzen – also mehr als doppelt so viele! Bei so großen Unterschieden wäre es selbst im extrem unwahrscheinlichen Falle eines Paarungsversuchs zwischen diesen Arten genetisch unmöglich, dass die Tiere erfolgreich Nachwuchs zeugen. Füchse und Hunde sind dafür einfach zu verschieden.
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Ist ein Fuchs ein Hund oder ein Hund ein Fuchs?
Also ist es falsch, von einem Fuchs-Hund-Hybrid zu sprechen?
In Bezug auf die Studie muss man nun wissen, dass der sog. Pampasfuchs eigentlich gar kein Fuchs ist. In der biologischen Nomenklatur bzw. Systematik umfasst die Familie der Hunde (Canidae, oft auch als Caniden bezeichnet) die gesamte Verwandtschaftsgruppe der Wölfe, Haushunde und Füchse.
Allerdings unterteilt man die Familie in der klassischen Systematik weiter in den Tribus „Echte Hunde“ (Canini), der etwa Schakale, Kojoten, Wölfe und unsere Haushunde umfasst und den Tribus „Echte Füchse“ (Vulpini). Die Namensgebung einzelner Tierarten hat sich ursprünglich eher am Aussehen der Tiere orientiert und kann hier leider etwas irreführend sein. So ist der „Löffelhund“ (Otocyon megalotis) ein Vertreter der „Echten Füchse“. Der Pampasfuchs (Lycalopex gymnocercus) sieht zwar fuchsähnlich aus und hat wohl auch seinen Namen, ist jedoch ist tatsächlich ein Vertreter der „Echten Hunde“.
„Das System ist ziemlich kompliziert und wird auch unter Experten noch immer diskutiert“
Das klingt etwas verwirrend. Sollten also die Artbezeichnungen für Hunde und Füchse also überarbeitet werden?
Mit den neueren Methoden der Genetik ist es seit einigen Jahren möglich, Verwandtschaftsverhältnisse und evolutionäre Beziehungen durch den Vergleich von Genen und DNA-Sequenzen zu untersuchen. Zum Teil wurden dadurch die Einteilungen der klassischen Systematik infrage gestellt und verändert. So unterscheidet man hier nun beispielsweise nicht mehr nur zwei, sondern drei oder vier Haupt-Entwicklungslinien und man ordnet z. B. den Marderhund nun dem Tribus Vulpini zu, während er zuvor dem Tribus Canini zugeordnet wurde… Das ganze System ist ziemlich kompliziert und wird auch unter Experten noch immer diskutiert.
Wichtig für die Einordnung dieser Studie im Hinblick auf die Frage nach einer potentiellen Hybridisierung von Füchsen ist jedoch, dass es sich beim Pampasfuchs wie gesagt nicht um einen Fuchs, sondern um eine südamerikanische Art der „Echten Hunde“ (Canini) handelt. Diese ist deutlich enger mit Wölfen und Haushunden verwandt, als mit „Echten Füchse“ (Vulpini). Ein Pampasfuchs hat 74 Chromosomen. Somit kommt er dem Haushund mit seinen 78 Chromosomen sehr nahe, so dass hier eine Hybridisierung denkbar wäre. Laut Studie wies der vermeintliche Hybrid 76 Chromosomen auf, wie man es bei einer Kreuzung der beiden Arten erwarten würde.
Könnte der „Fuchs-Hund-Hybrid“ sich fortpflanzen?
Könnte der vermeintliche Hybrid aus Fuchs und Hund mit dem abweichenden Chromosomensatz fortpflanzungsfähig sein?
Die Studie lässt diese Frage offen und ich könnte hier auch nur spekulieren. Grundsätzlich wäre es schon denkbar, dass das Tier fortpflanzungsfähig wäre. Allerdings sind Hybriden – und das wird auch in der Studie erwähnt – ggf. hinsichtlich gewisser Merkmale und ihres Verhaltens schlechter an den natürlichen Lebensraum und seine Herausforderungen angepasst.
Es ist also fraglich, ob ein solches Tier lange genug in der Natur überleben und zu einem dominanten Tier aufsteigen könnte, um sich letztlich fortzupflanzen. Dass es vor dieser Studie offenbar keinerlei Belege für eine Hybridisierung zwischen Pampasfuchs und Haushund gab und sie auch nicht zu einem absolut sicheren Ergebnis kommt, zeigt es aus meiner Sicht, wie unwahrscheinlich eine Hybridisierung oder gar eine Fortpflanzung potentieller Hybriden dieser beiden Arten ist.
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»Wölfe und auch Haushunde zählen zu den natürlichen Feinden der Füchse
Sie schreiben auf Ihrer Seite, dass auch Hybridisierungen mit mitteleuropäischen Rotfüchsen ausgeschlossen sind. Mit welchen echten Füchsen sind Mischlinge überhaupt möglich?
Vereinfacht kann man festhalten: „Echte Füchse“ oder die Tierarten, die wir üblicherweise meinen, wenn wir hierzulande im allgemeinen Sprachgebrauch von „Füchsen“ sprechen (Rotfüchse, Polarfüchse, Wüstenfüchse, etc.), sind evolutionsbiologisch und genetisch so weit von Wölfen und Hunden entfernt, dass eine erfolgreiche Verpaarung nicht möglich ist. Doch selbst wenn dies genetisch möglich wäre, gäbe es zusätzliche natürliche Barrieren, die dies verhindern würden.
Wölfe oder auch Haushunde zählen immerhin zu den wenigen (natürlichen) Feinden der Füchse. Die meisten Fuchsarten sind deutlich kleiner und wesentlich leichter gebaut als andere Hundeartige. In der Natur stehen diese Tierarten zudem in Konkurrenz zueinander. Die größeren, stärkeren Arten verdrängen häufig die kleineren Arten oder töten sie sogar.
Das passiert sogar zwischen unterschiedlichen Fuchsarten. So führt im hohen Norden der Klimawandel dazu, dass der Rotfuchs den kleineren Polarfuchs zunehmend verdrängen kann. Diese beiden Fuchsarten sind sich genetisch so ähnlich, dass Kreuzungen eigentlich möglich wären. In Pelzfarmen hat man mittels künstlicher Befruchtung Polarfüchse und Rotfüchse gekreuzt, um besondere Pelze zu gewinnen. Allerdings sind die Nachkommen immer steril. [Quelle: Ulf. D. Wenzel (1990): „Das Pelztierbuch“, S. 144]
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Fuchs und Hund sind verfeindet
Und wie sieht es in freier Wildbahn aus?
In freier Wildbahn kommt es nicht zu einer Hybridisierung, da die beiden Arten verfeindet sind. Sie finden durch ihre unterschiedliche Größe und ihr natürliches Verhalten gegenüber der anderen Art nicht zusammen. Entsprechend ist das auch bei Füchsen und Hunden. Hier muss man noch zusätzlich bedenken, dass viele Hunderassen speziell für die Jagd (unter anderem für die Bau- oder Hetzjagd auf Rotfüchse) gezüchtet wurden.
Füchse mussten über viele Jahrhunderte schmerzhaft lernen, sich vor diesen Feinden zu schützen und haben viele gute Gründe dafür, anderen, größeren Hundeartigen – egal ob Wolf, größere Fuchsart oder Jagd-/Haushund – aus dem Weg zu gehen. Hinzu kommt, dass Füchse und Hunde sich buchstäblich nicht gut verstehen. Sie nutzen andere Laute, Mimik, Gestik etc., um zu kommunizieren. Es gibt zwar auch immer wieder Berichte von „Freundschaften“ zwischen Füchsen und Haushunden, doch hierbei beschränken sich die Aktivitäten in der Regel auf das gemeinsame Spielen und Toben. Mir ist persönlich kein Fall bekannt, in dem es dabei jemals zu einem Paarungsversuch gekommen wäre.
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Experte sieht größte Gefahr in Zuchtfüchsen
Besteht hierzulande also keine Gefahr der Hybridisierung?
Eine Hybridisierung von Füchsen und Hunden ist ausgeschlossen, insofern sind hier keine Folgen zu befürchten. Allerdings geht hierzulande eine potentielle Gefahr von Zuchtfüchsen aus. Zuchtfüchse, die ursprünglich in Pelzfarmen mit anderen Fuchsarten oder Farbvarianten gekreuzt und nach speziellen Merkmalen gezüchtet wurden, werden heute leider weiterhin als vermeintliche „exotische Haustiere“ gezüchtet und verkauft.
Solche Tiere werden auch in Deutschland gezüchtet und gehalten – oft unter völlig artwidrigen Verhältnissen und ohne ausreichende Sachkunde. Immer wieder kommt es dabei vor, dass solche Zuchttiere den Haltern entlaufen oder gar absichtlich ausgesetzt werden. Falls diese Tiere nicht kastriert oder sterilisiert sind, besteht dann ein gewisses Risiko, dass sie sich im Herbst/Winter in freier Natur mit wilden Rotfüchsen paaren.
Was würde das für die heimischen Rotfüchse bedeuten?
Eine Hybridisierung von wilden Rotfüchsen mit Zuchtfüchsen könnte verschiedene negative Effekte haben. Insbesondere auf die Genetik, Ökologie und das Verhalten der Hybriden. Solche Tiere wären unter Umständen weniger widerstandsfähig gegen Erkrankungen. Sie hätten wahrscheinlich eine kürzere Lebenserwartung und wären schlechter an den natürlichen Lebensraum angepasst.
Auch ihr Verhalten unterscheidet sich in manchen Aspekten von dem Verhalten freilebender Füchse. Eine Verpaarung wilder Füchse mit halbzahmen Zuchtfüchsen könnte auch dazu führen, dass deren Nachkommen weniger Scheu gegenüber Menschen zeigen. Somit könnten sie sich selbst in Gefahr begeben, und leichter Opfer der Jagd oder des Straßenverkehrs werden. Oder sie könnten aus Sicht der Menschen als vermeintliche „Problemtiere“ wahrgenommen werden. Ich setze mich daher für schärfere Regelungen bei der Haltung solcher Tiere sowie für ein Zucht- und Verkaufsverbot von Füchsen ein. Entlaufene Zuchtfüchse müssen umgehend wieder eingefangen werden.
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Quellen
- Szynwelski BE, Kretschmer R, Matzenbacher CA, Ferrari F, Alievi MM, de Freitas TRO. Hybridization in Canids—A Case Study of Pampas Fox (Lycalopex gymnocercus) and Domestic Dog (Canis lupus familiaris) Hybrid. Animals. 2023; 13(15):2505.