
12. März 2025, 6:11 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Die Natur ist voller faszinierender Überlebensstrategien – und einige sind besonders drastisch. Während weibliche Gottesanbeterinnen ihre Partner nach der Paarung oft fressen, haben männliche Blaugestreifte Kraken eine umgedrehte Taktik entwickelt: Sie injizieren ihren Partnerinnen ein starkes Nervengift, um sie während der Paarung bewegungsunfähig zu machen. Diese ungewöhnliche Strategie minimiert das Risiko, selbst zur Beute zu werden – und sichert gleichzeitig den Fortpflanzungserfolg.
Blaugestreifte Kraken gehören zu den wenigen Tieren, die Tetrodotoxin (TTX) produzieren. Dabei handelt es sich um ein extrem starkes Nervengift, das selbst für Menschen tödlich sein kann. Normalerweise dient das Gift zur Verteidigung oder zur Jagd auf Beutetiere – doch ein aktueller Forschungsbericht zeigt, dass die Kraken-Männchen es noch für einen weiteren Zweck einsetzen: die Fortpflanzung.
Männliche Kraken injizieren Gift in Aorta von Partnerin
Die Studie untersuchte das Fortpflanzungsverhalten der Blaugestreiften Kraken (Hapalochlaena fasciata) mit besonderem Fokus auf den Einsatz von Gift während der Paarung. Bekannt war bereits, dass Blaugestreifte Kraken (die eigentlich eher blau-geringelt daherkommen) das Toxin nutzen, um sich gegen Fressfeinde zu verteidigen und Beute zu lähmen.
Da die weiblichen Kraken allerdings fast doppelt so groß sind wie die Männchen, besteht für sie auch während der Paarung die Gefahr von ihren Partnerinnen gefressen zu werden. Sexueller Kannibalismus kommt in vielen Tierarten vor – etwa bei Gottesanbeterinnen oder Spinnen. In diesen Fällen wird das Männchen nach der Paarung oft verspeist, was der Nachkommenschaft zugutekommen kann.
Dass Gift aber auch bei den Kraken in einem sexuellen Kontext verwendet wird, ist jedoch eine neue Erkenntnis. Die Paarung der Oktopoden klingt daher auch so, wie direkt aus einem Horrorfilm entsprungen: Sie beißen die Weibchen gezielt in die Aorta und injizieren ihnen dabei TTX. Das Gift führt zu einer vorübergehenden Lähmung, die dem Männchen ermöglicht, sich ungestört zu paaren – und anschließend zu entkommen.
Mithilfe von Videoaufzeichnungen und Messungen der Atmungsfrequenz konnte dokumentiert werden, wie sich das Gift auf die Weibchen auswirkt. Die Lähmung trat innerhalb weniger Augenblicke nach Injektion ein. Zudem wurden anatomische Analysen durchgeführt, um die Unterschiede in der Größe der Speicheldrüsen zwischen Männchen und Weibchen zu bestimmen.

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Kraken werden immer giftiger
Dabei zeigte sich, dass es quasi ein „evolutionäres Wettrüsten“ bei diesen Kraken gibt. Die Weibchen haben eine gewisse Resistenz gegen TTX entwickelt, was dazu führt, dass die Männchen größere Mengen des Gifts produzieren müssen, um eine ausreichende Lähmung zu bewirken. Ihre Speicheldrüsen sind also mindestens doppelt so groß wie die der Weibchen. Da diese jedoch über Generationen eine Resistenz gegen das Toxin weiterentwickeln, muss auch der männliche Krake immer giftiger werden.
Allerdings stellen sich hierbei noch weitere Fragen. Zum Beispiel, warum sich die Männchen überhaupt die Mühe machen zu fliehen, da sie sich nur einmal im Leben paaren. Die Studie konnte nicht klären, ob es möglicherweise Vorteile für das Männchen gibt, falls es doch eine zweite Paarungschance erhält.
Außerdem ist der Paarungsakt auch für das Weibchen mit großem Stress und anschließenden Entbehrungen verbunden. Denn weibliche Oktopusse paaren sich auch nur ein einziges Mal. Sind sie befruchtet, legen die Tiere ein selbstzerstörerisches Verhalten an den Tag. Sie hören auf zu fressen und widmen sich nur noch dem Schutz ihres Nachwuchses. Eigentlich würde den hungrigen Oktopus-Müttern also der Partner als letzter nahrhafter Snack einen großen Vorteil für die Aufzucht der Jungen bieten.
Wie diese umgekehrte Strategie also entstanden ist und welche Vorteile sie für das Überleben der Art haben könnte, müssen weitere Studien zeigen. Allerdings stellt die Untersuchung auch eine bisher kaum dokumentierte Form des chemischen „Waffen-Einsatzes“ im Sexualverhalten dar, welche ebenfalls bislang kaum untersucht wurde. 1