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Urban Legend

Gibt es wirklich Krokodile in der Kanalisation? 

Nahaufnahme eines Kaimans (Caimen Crocodilus) im Dunkeln
Immer wieder hört man das Gerücht, in der Kanalisation würde es Krokodile geben. Aber könnten die Tiere dort wirklich überleben? Foto: Getty Images
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

23. Januar 2024, 14:52 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Vor allem in New York sollen angeblich Krokodile in der Kanalisation leben. Einst als ungewollte Haustiere durch die Toilette entsorgt, wuchsen sie in den Tiefen der Abwasserkanäle zu riesigen Reptilien heran. Was ist dran an der „Urban Legend“? PETBOOK ist der Sache auf den Grund gegangen.

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Wahrscheinlich werden nur wenige Menschen jemals in ihrem Leben freiwillig einen Abwasserkanal betreten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich um die unterirdischen Netzwerke viele Mythen und Geschichten ranken. Abwasserkanäle an sich sind schon ein unheimlicher Ort – zumindest in der Vorstellung der meisten Menschen. Dort ist es dunkel und es gibt neben Müll und Fäkalien auch Ratten. Aber leben in der Kanalisation auch Krokodile?

Angeblich sollen ganze Populationen davon existieren – vor allem in New York. Sie sollen Nachkommen ungewollter Haustier-Alligatoren sein, die von ihren Besitzern als Jungtiere im Klo entsorgt wurden. Doch wie viel Wahrheit steckt in solchen Geschichten? Und können Krokodile überhaupt in der Kanalisation überleben? PETBOOK ist der Sache nachgegangen.

Woher kommt die Legende, es gäbe Krokodile in der Kanalisation?

Geschichten über Krokodile in der Kanalisation tauchten erstmals in den späten 1920er und frühen 1930er-Jahren auf. Darin ist explizit von Alligatoren die Rede. Alligatoren sind – neben Echten Krokodilen und Gavialen – eine Untergruppe der Krokodile, bei denen der Oberkiefer breiter ist als der Unterkiefer. Ganz nebenbei ist dies auch der Unterschied zwischen Alligator (u-förmige Schnauze) und Krokodil (v-förmige Schnauze).

Noch Mitte des 20. Jahrhunderts waren Baby-Alligatoren ein großer Hit auf dem Haustier-Markt. Souvenirläden in Florida verkauften die Tiere in kleinen Aquarien. Auch Touristen aus New York City legten sich die exotischen Reptilien zu, um sie als Haustiere zu halten.

Baby-Alligatoren wurden in der Toilette entsorgt

Ob den Käufern damals nicht bewusst war, dass die Tiere zu enormer Größe heranwachsen oder ihnen die Souvenirhändler einen Bären – oder besser gesagt, einen Alligator – aufbanden, ist schwer zu sagen. Irgendwann bekamen sie entweder mit, dass auch Baby-Alligatoren mit ihrem Gebiss schon beträchtlichen Schaden anrichten können oder bemerkten, dass das Haustier schnell die Grenzen seines Aquariums – und später der Badewanne – sprengte.

Viele entledigten sich der Tiere. Waren sie klein genug, spülte man sie einfach die Toilette runter. Größere Tiere wurden wahrscheinlich in Parks ausgesetzt. Jedenfalls gab es immer wieder Berichte über Alligator-Sichtungen an ungewöhnlichen Orten, insbesondere in New York City.

So entstand die Legende, dass viele der „entsorgten“ Alligatoren in der Kanalisation überlebten. Dort sollen sie sich von Ratten und Müll ernährt und zu riesigen Größen herangewachsen sein. Aber ist das überhaupt möglich?

Können Krokodile in der Kanalisation überleben?

Tatsächlich ist es auch noch heute üblich, ungewollte Haustiere, vor allem Fische, in der Toilette zu entsorgen. Theoretisch könnte ein Baby-Alligator dies auch lebend überstehen. In der Kanalisation angekommen, finden die Tiere zunächst auch alles vor, was sie zum Überleben benötigen: Nahrung, Wasser und Unterschlupf. Auf lange Sicht wäre die Kanalisation jedoch für Krokodile der sichere Tod und dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

In der Kanalisation ist es zu kalt für Krokodile

Krokodile sind wechselwarme Tiere. Das bedeutet, sie können ihre Körperwärme nicht wie Säugetiere selbst regulieren und sind auf äußere Wärmequellen angewiesen. In der Natur verbringen die Tiere daher mehrere Stunden am Tag damit, sich in der Sonne zu baden. Dies wäre in der Kanalisation nicht möglich.

Bekommen die Reptilien nicht genügend Wärme, verfallen sie in eine Art Kältestarre. In der können sie zwar mehrere Monate ausharren, ohne Sonnenlicht oder andere Wärmequellen würden sie jedoch letztendlich sterben.

In der Kanalisation gibt es keine Nahrung für Krokodile

Während die Baby-Alligatoren theoretisch noch durch Ratten ihren Hunger stillen könnten, sieht es für ausgewachsene Exemplare schon schlechter aus. Normalerweise frisst ein Krokodil in einer Woche etwa fünf Prozent seines Körpergewichts. Alligatoren wiegen zwischen 100 und 200 Kilogramm und bräuchten damit etwa 5 bis 10 Kilogramm Fleisch in der Woche. Das entspräche etwa 25 bis 50 Ratten.

Auch wenn Alligatoren in der Regel alles fressen, was ihnen vor den Fang kommt, würden sich ausgewachsene Exemplare doch eher größere Beute suchen. Abgesehen von Kanalarbeitern gibt es allerdings wenig, was sonst in das Beuteschema der Reptilien fallen könnte. Und selbst wenn, würde noch ein ganz anderes Problem dafür sorgen, dass die Tiere wahrscheinlich nach kurzer Zeit verenden.

In der Kanalisation sammeln sich die Abwässer der Stadt. Diese sind mit Erregern wie E. coli, Shigellen oder Salmonellen kontaminiert. Diese führen auch bei Reptilien zu schweren Vergiftungen und letztendlich zum Tod.

Gab es nachgewiesene Fälle von Krokodilen in der Kanalisation?

Auch wenn Krokodile in der Kanalisation nicht lange überleben, bedeutet dies nicht, dass sich nicht doch einmal einzelne Exemplare dahin verirren. Vor allem nach starken Regenfällen und Überschwemmungen kann es passieren, dass die Tiere ins Abwassersystem gelangen.

So wurden 2017 Alligatoren in den Abflüssen und Abwasserkanälen Floridas gesichtet, da viele der Abfalldeponien in die Sümpfe münden. Auch bei Sturmfluten und in den kälteren Wintermonaten verstecken sich Alligatoren manchmal in den Rohren der Abwasserkanäle und jagen dort Ratten.

Im April 2023 sorgte ein junger Alligator für Aufsehen, der im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn aus einem Teich in einem Park gerettet wurde, wie unter anderem das Nachrichtenmagazin „CNN“ berichtete. Man vermutete, dass es sich dabei um ein ausgesetztes Haustier handelte, denn das Tier war offensichtlich misshandelt worden und wies mehrere Verletzungen auf. Das Reptil wurde dem Zoo im New-Yorker-Stadtteil Bronx übergeben. Leider überlebte der Alligator trotz großer Bemühungen der Mitarbeiter nicht.

Über 1,5 Meter großer Alligator im Abwasserkanal von Florida

In New York gibt es vielleicht nicht die berüchtigten Alligatoren im Abwasserkanal – aber in Florida scheint es sie tatsächlich zu geben. So berichtete die Boulevardzeitung „New York Post“ im Mai 2023, dass ein Arbeitsteam in Oviedo, Florida einen über 1,5 Meter großen Alligator fand, der in einem mit Schlamm gefüllten Rohr lebte.

Genauer gesagt fand ein Roboter das beeindruckende Reptil. Dieser wurde losgeschickt, um der Ursache auf den Grund zu gehen, warum sich oben auf der Straße immer wieder Abwässer sammelten. Offenbar gab es eine Verstopfung. Ausgestattet mit einer Kamera stieß er dabei auf einen Mississippi-Alligator – allerdings auf ein recht kleines Exemplar, denn die Tiere werden bis zu sechs Meter lang.

Die Stadtverwaltung von Oviedo ging davon aus, dass das Tier über einen der Regenwasserteiche in das Rohr eingedrungen war. Diese Teiche dienen dazu, Überschwemmungen bei Stürmen zu verhindern. Der Wartungschef sagte, sie seien nur froh, dass kein Mensch dem „Biest“ begegnet sei.

Fazit: Krokodile in der Kanalisation sind Einzelfälle

In der Kanalisation gibt es sicher eine Menge fruchtbarer Dinge zu finden – Krokodile gehören jedoch nicht dazu. Trotzdem sind die Geschichten um die „Sewer Alligators“ (zu Deutsch „Kanal-Alligatoren“) in New York City heute schon fast zur Legende geworden. Im Stadtteil Manhatten widmete man den Tieren sogar einen Ehrentag: So gilt der 9. Februar dort offiziell als der „Tag der Alligatoren in der Kanalisation“.

Zudem enthüllte man zu Ehren der Reptilien, die angeblich in der Kanalisation lauern, am 22. Oktober 2023 in New York City eine Skulptur. Quasi als eine Hommage an einen der hartnäckigsten Mythen der Stadt. Sie zeigt einen lebensgroßen Alligator, der sich um einen New Yorker-Kanaldeckel wickelt und trägt den Titel „N.Y.C. Legend“. Das Werk wird noch bis Juni 2024 zu sehen sein.

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Quellen

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