14. Oktober 2024, 13:20 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Denkt man an berühmte Namen der plastischen Bilderschaffung, kommt einem wahrscheinlich Leonardo da Vinci oder Michelangelo in den Sinn. Doch scheinbar gehört auch ein bestimmter Kugelfisch – der auch etwas vom Goldenen Schnitt versteht – in die Reihe der großen Künstler.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind auf einem Tauchgang vor einer japanischen Insel. Plötzlich tauchen bis zu zwei Meter breite Unterwassergärten auf dem Meeresboden auf. Für diese merkwürdig anmutenden „maritimen Kornkreise“ gab es jahrzehntelang einfach keine Erklärung. Bis zum Jahr 2014, als der „Unterwasserkünstler“ endlich identifiziert werden konnte. Torquigener albomaculosus, ein ganz besonderer Kugelfisch, hat gleich mehrere Gründe für seine Landschaftsgestaltung auf dem Meeresgrund.
Künstler-Kugelfisch war lange unbekannt
Das Tier, das auf Deutsch manchmal auch weißgefleckter oder japanischer Kugelfisch genannt wird, gehört zu der Gattung Torquigener, die sich in vielen Meeren findet und ausnahmslos giftig ist. Doch nur wenige der 20 bekannten Arten dieser Kugelfische legen auch Unterwasserkunstwerke an. Bis 2018 vor Australien eine zweite Art mit einem wahrscheinlich ähnlichen Verhalten entdeckt wurde, galt Torquigener albomaculosus sogar als der Einzige, der Unterwasserkunst schafft.
Verantwortlich dafür sind die Männchen, die rund um die japanische Insel Amami-Oshima am Werke sind. Deren Kreise, die in ihrer Komplexität an ein Mandala eriennern, fungieren nämlich als bis zu zwei Meter große Laichnester, die man in 10 bis 30 Metern Tiefe gut auf dem Meeresboden ausmachen kann.1
Für ihre Nester scheinen sich die Männchen ganz besondere Plätze auszusuchen oder diese sogar selbst aufzuschütten. Denn die „Bilder“ der Künstler-Kugelfische sind häufig in Form eines Tals angelegt und bilden in der Mitte eine vertiefte Mulde. Gleichzeitig zeichnen sie sich durch doppelte Ränder und strahlenförmig angeordnete speichenartige Vertiefungen aus.
Künstler-Kugelfisch ist ein guter Vater
Erstmals entdeckt wurden diese Kreise von einheimischen Tauchern um das Jahr 1995. Doch wer sie anlegte, blieb bis zur Beschreibung des Künstler-Kugelfischs ein Rätsel. Doch seit seiner offiziellen Beschreibung 2014 zeigen sich Forscher vieler Bereiche fasziniert von dem japanischen Kugelfisch.
So fand man heraus, dass das individuelle Muster und die Größe des Nests bei ihnen wohl für Fortpflanzungserfolg sorgen. Kommt ein Weibchen vorbei, um sich das Mandala anzuschauen, wirbelt das Männchen Sand auf, um sich und sein Nest zu präsentieren. Zeigt sich das Weibchen paarungsbereit, beißt das Männchen es während des Aktes in die Wange.
Ob diese grobe Behandlung dafür verantwortlich ist oder nicht: Nach der Eiablage verlassen die Weibchen das Nest und das Männchen kümmert sich allein um das Gelege. Bis zum Schlüpfen sorgen sie für die auf dem Sandboden abgelegten Eier, indem sie andere Fische, die sich dem Nest näherten, vertreiben. Sie bewegen ihre Eier auch, falls sie im Nest verrutschten und leiten den Schlupf schließlich mit kräftigen Flossenschlägen ein. 2
Nest-Konstruktion nimmt viele Tage in Anspruch
2017 schließlich beobachteten Forscher ganz genau, wie lange der Künstler-Kugelfisch für das Design seines Nests benötigt. Am ersten Tag bestand der Kreis nur aus Vertiefungen im zentralen Bereich mit einem kleinen Radius.
An den Tagen zwei bis vier türmte der Kugelfisch immer weiter Sand auf, bis eine Struktur aus Tälern und Gipfeln um den zentralen Bereich entstand. Den mitteleren Teil vollendete er an den Tagen fünf bis acht. Erst nach neun Tagen schien der Kugelfisch sein Werk beendet zu haben und dekorierte die Gipfel sogar noch mit Muschel- und Korallenfragmenten. 3
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Künstler-Kugelfisch nutzt Goldenen Schnitt und beeinflusst Strömungen
Auch weiß man bereits, dass es mit einem Nestbau nicht getan ist, sondern dass sie in jeder Brutsaison ein neues Design entwerfen und nie ein Nest zweimal benutzen. Vielleicht, damit sich andere Künstler-Kugelfische nicht die erfolgreichsten Muster aneignen und sie kopieren.
Und wie viel Taktik wirklich in jeden einzelnen Nestbau einfließt, ist ebenfalls gerade erst Gegenstand der Forschung. Forscher legten bereits den Goldenen Schnitt an die Nester und stellten akkurate Ausführung und künstlerisches Empfinden fest.4
Auch durch die geschickte Hügel-Tal-Konstruktion beeinflussen die cleveren Fische auch die Strömungen, die ins Nest kommen. Dabei zeigte sich, dass in der Mitte die Meeresbewegungen am schwächsten waren und um den inneren Nistplatz herumgeleitet wurden. Trotzdem erlaubten sie Sand- und Wasseraustausch, schützten aber auch das Gelege vor zu starker oder zu kalter Strömung. Dies könnte Bioingenieuren künftig dabei helfen, Strömungen zu erzeugen, um Müll aus den Meeren zu entfernen oder Puffer gegen starke Wellen in Küstennähe zu entwickeln. 5