25. Juni 2024, 15:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Einem menschlichen Taucher geht schon nach wenigen Metern unter Wasser die Atemluft aus, spätestens nach 40 Metern benötigt man dann Flossen, Sauerstoffflaschen und später druckausgleichende Taucheranzüge. Doch selbst dann ist nach 450 Metern Schluss. Für die Lederschildkröte ist dies aber gerade einmal ein Drittel ihrer möglichen Tauchtiefe, wie Forscher beobachten konnten.
Die Lederschildkröte ist ein wahrhaftiges Tier der Superlative. Nicht nur ist sie mit bis zu 2,5 Meter Panzerlänge die größte Schildkröte der Welt, sie taucht auch noch am besten. Und das nicht nur unter Schildkröten, sondern unter allen Reptilien. Laut einer neuen Untersuchung gelangte eine Lederschildkröte dabei sogar in tieferes Wasser als der bisherige Tauchrekord der Tiere besagt.
Lederschildkröten stellen regelmäßig Tauchrekorde auf
Der letzte weltweite Tauchrekord einer Lederschildkröte datiert aus dem Jahr 2006 und lässt sich auf der Website der „Guinness World Records“ einsehen. Demnach wurde am 16. Dezember 2006 eine Lederschildkröte südwestlich von Kap Verde beim Tauchen in eine Tiefe von 1280 Metern beobachtet. Der bisherige Rekord in dieser Kategorie ging ebenfalls an eine Lederschildkröte. Laut „Guinness World Records“ lag dieser bei 1200 Metern und wurde im Mai 1987 vor den Jungferninseln aufgezeichnet.
Allerdings scheint es so, als wäre dieser Rekord nicht mehr lange gültig. In einem Blogeintrag der „Nature Conservancy“ wird beschrieben, wie es zu der Sichtung kam. Die Lederschildkröte, die den Namen Uke Sasakolo – nach dem Sasakolo-Strand, an dem sie ihre Eier ablegte – bekommen hat, wurde im Rahmen eines laufenden Forschungsprojekts besendert. Sobald die Forschungsarbeit veröffentlicht und von anderen Wissenschaftlern geprüft wird, könnte es daher sehr wahrscheinlich einen neuen Eintrag im Buch der Rekorde geben.
Was die Lederschildkröte in der Tiefe sucht
Denn mithilfe des Senders konnte man Uke Sasakolos Reise durch den Südpazifik genau nachvollziehen. Zuerst legte sie ihre Eier ab, dann schwamm sie von den Solomon Islands durch den Südpazifik bis nach Neuseeland, wo sich ihre Jagdgründe befinden. Diese liegen bei Lederschildkröten jedoch nicht an der Meeresoberfläche, sondern in mehreren hundert Metern Tiefe.
Sie ernähren sich mit Vorliebe von Tiefseequallen, von denen sie viele Kilogramm pro Tag verdrücken können. Die Berichte variieren von 10 bis 100 Kilogramm an Quallen, die sie zu sich nehmen. Uke Sasakolo tauchte für ihren täglichen Bedarf an Nesseltier-Snack rekordverdächtige 1344 Meter tief. Damit sie sich beim Verzehr nicht vergiften, hat die Lederschildkröte Spreiseröhren-Papillen entwickelt. Diese lassen die glitschigen Tiere sicher in ihren Magen gleiten und befördern Salzwasser wieder nach draußen.
134 Kilogramm Druck pro Quadratzentimeter – kein Problem für die Lederschildkröte
Und auch wie die größte Schildkröte der Welt es fertigbringt, überhaupt in solche Tiefen abzutauchen, ist bemerkenswert. Denn ihren Namen trägt die Lederschildkröte nicht einfach so. Ihr weicher, beweglicher Panzer besteht nicht aus Horn. Stattdessen finden sich darin Kiele aus Knochen, die der zähen, lederartigen Haut viel Bewegung ermöglichen.
Dieser anpassungsfähige Panzer gleicht wechselnde Druckverhältnisse aus. Und das sogar so effektiv, dass Lederschildkröten Wasserdruck in über 1000 Metern Tiefe überstehen können. Bei Uke Sasakolos tiefstem Tauchgang war er groß, dass jeder einzelne Quadratzentimeter der Schildkröte 134 Kilogramm Druck ausgesetzt war.
Auch die Temperaturunterschiede, die die Lederschildkröte beim Tauchen durchlebt, sind enorm. Von der bis zu 28 Grad warmen See des tropischen Südpazifik geht es in eiskaltes, ewig dunkles Wasser. Dies kann sogar unter null Grad kalt sein. Das ist möglich, da Salzwasser einen tieferen Gefrierpunkt hat als Süßwasser. Trotzdem wird der Lederschildkröte dort nicht kalt. Sie hält auf ihren bis zu 90 Minuten langen Tauchgängen eine innere Körpertemperatur, die 18 Grad höher ist als die Außentemperatur. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Reptilien sind sie nicht wechselwarm.
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Warum die Lederschildkröte keine Taucherkrankheit bekommt
Stattdessen wenden sie etwas an, das Wissenschaftler Gigantothermie nennen – ein geringes Verhältnis zwischen Oberfläche und Volumen des Tiers. So ändert sich die Kerntemperatur des Tiers nur sehr langsam. Die Lederschildkröte ist zusätzlich in eine Fettschicht gehüllt, die 90 Prozent ihrer Körperwärme im Inneren speichert. Außerdem bedienen sie sich beim Wärmetausch dem Gegenstromprinzip, das verhindert, dass sich kaltes Blut mit warmen vermischt. Dies ist ebenfalls dafür verantwortlich, dass Pinguine mit den Füßen nicht am Eis festfrieren (PETBOOK berichtete).
In einer Studie aus dem Jahr 2010 konnten Forscher darüber hinaus nachweisen, wie es Lederschildkröten schaffen, ohne große Anstrengungen oder Anzeichen der Taucherkrankheit abzusinken und aufzutauchen. Denn sie müssen nicht einmal besonders viel Energie einsetzen, um in ungeahnte Tiefen zu kommen. Sie lassen einfach ihre Lungen kollabieren – und greifen anschließend auf große Sauerstoffvorräte in Muskeln und Blut zurück. Auf dem Weg zurück nach oben reichert sich dann sehr langsam CO₂ in den Lungen der Tiere an, das ihnen wieder Auftrieb verleiht.1