16. April 2024, 17:50 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Im Stadtpark sieht man sie häufiger: Amseln, die stellenweise weiße Federn entwickelt haben. Da die Tiere normalerweise schwarz sind, erweckt die ungewöhnliche Optik unsere Aufmerksamkeit. PETBOOK erklärt, was dahintersteckt.
Bei Menschen und vielen Tieren verlieren Haare oder Federkleid im Alter an Leuchtkraft und Farbe. Aber ist das auch der Grund, warum man vor allem im städtischen Raum häufig Amseln mit teilweise weißen Federn sieht? Denn eigentlich lernt man bereits als Kind in der Grundschule, dass männliche Amseln komplett schwarz sind. Wie die „Pforzheimer Zeitung“ jedoch zuletzt berichtete, sorgen immer wieder Amseln mit dem sogenannten Leuzismus, der bei den Vögeln weiße Stellen im Gefieder auslöst, für Aufmerksamkeit.
Warum schwarze Vögel weißes Gefieder entwickeln
Nicht nur in Pforzheim, sondern in vielen deutschen Städten findet man immer wieder Amseln, die durch das Phänomen des Leuzismus weiße Stellen im Gefieder haben. Der NABU berichtet darüber, was hinter den weißen Federn steckt. Das fleckweise Fehlen von Farbe entwickelt sich bei Tieren, die eigentlich eine andere Farbe haben. Teilweise ist auch die Haut unter dem Gefieder dann weiß.
Die Gründe für Leuzismus sind vielfältig, wie Stefan Bosch vom Naturschutzbund Baden-Württemberg der dpa mitteilte. Laut dem Experten sind auch andere, normalerweise dunkel gefärbte Vögel wie Haussperlinge, Dohlen und Rabenkrähen betroffen. Allerdings zeigt sich der Leuzismus besonders häufig bei Amseln.1
Der Grund für weiße Federn ist Bosch zufolge, dass schwarze Farbpigmente fehlen. Die eine Ursache dafür gäbe es jedoch nicht. Es spielen erbliche Faktoren, Krankheiten oder auch Ernährungsdefizite eine Rolle. Bei einer genetischen Ursache bleichen die Tiere dem Experten nach jedoch im Laufe ihres Lebens immer weiter aus.
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Der Unterschied zwischen Leuzismus und Albinismus
Leuzismus ist eine natürlich entstehende Mutation, die sich noch vom Albinismus unterscheidet. Denn bei dieser Form der zunehmenden Farblosigkeit verlieren Amseln nicht die orange Farbe rund um ihre Augen und Schnabel. Beim Albinismus dagegen fehlt die Möglichkeit, Pigmente zu bilden, obwohl die farbbildenden Zellen vorhanden sind. In diesem Fall wäre auch der Schnabel und der Bereich um die Augen der Vögel weiß, die Augen wären rot, da man direkt ihre Blutgefäße erblickt.
Wie der NABU auf seiner Website weiter berichtet, sind Amseln mit Leuzismus nicht erkrankt. Die sogenannten Weißlinge seien auch laut Bosch in der Regel nicht beeinträchtigt und verhielten sich arttypisch. „Allerdings haben sie ein erhöhtes Risiko, keinen Partner zu finden oder von einem Beutegreifer erwischt zu werden.“ Im Gegensatz zum Albinismus sind die Farbstoffzellen beim Leuzismus in den betroffenen Bereichen gar nicht vorhanden. Ausgelöst wird dies von Gendefekten, die verhindern, dass sich diese neu bilden.
Genaue Zahlen zum Phänomen der Weißlinge gebe es mangels systematischer Erhebungen nicht, wie Stefan Bosch gegenüber der dpa weiter berichtete. Vermutlich liege ihr Anteil im unteren einstelligen Prozentbereich. „Eine offensichtliche Häufung in Städten und Siedlungen kann mit Defiziten im Nahrungsangebot, aber auch mit der erhöhten Beobachtungswahrscheinlichkeit zusammenhängen“, erklärte der Fachbeauftragter für Ornithologie und Vogelschutz im Nabu-Landesverband.
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Häufige Mauser kann Leuzismus begünstigen oder umkehren
Allerdings scheint auch bei Vögeln die Entfärbung teils auch auf das Alter zurückführen zu lassen. Wie der NABU auf seiner Website weiter berichtet, kann insbesondere bei Wasservögeln häufige Mauser dazu führen, dass sich Federn stellenweise entfärben. Mit zunehmendem Alter verlören immer mehr Bereiche ihre Pigmentzellen und die Vögel entwickelten so immer mehr weiße Stellen.
Gerade wenn Nahrungsdefizite hinter dem Leuzismus bei Amseln und anderen Vögeln stecken, können sich diese aber mit der nächsten Mauser auch wieder umkehren. Gerade dann, wenn das Nahrungsangebot wesentlich besser geworden ist. Weiße Federn können also ein Zeichen für mangelnde Nährstoffversorgung sein, wie weiße Stellen auf menschlichen FIngernägeln. Warum jedoch gerade Amseln – die eigentlich auch Schwarzdrosseln genannt werden – verhältnismäßig häufig von Leuzismus betroffen zu sein scheinen, ist bislang unklar.
Die weiße Amsel aus Steglitz
In Bezirk Steglitz in Berlin gab es einen Park, in dem eine nahezu komplett weiße Amsel wohnte. Als ich den Vogel das erste Mal sah, dachte ich, es wäre ein Papagei entflogen. Erst als das Amselmännchen zu singen begann, war klar, dass es sich um einen heimischen Vogel handelte. Immer wieder bleiben Anwohner vor dem – nicht gerade scheuen – Tier stehen und kamen ins Gespräch. Die weiße Amsel war im Kiez fast allseits bekannt. Fast fünf Jahre lang beobachtete ich sie regelmäßig, bis sie vor zwei Jahren nicht mehr auftauchte. Trotzdem wissen viele heute noch genau, welcher Park gemeint ist, wenn man von der weißen Amsel von Steglitz spricht.