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Mary-River-Schildkröte

Diese Schildkröte kann bis zu drei Tage durch den Po atmen

Eine Mary-River-Schildkröte schwimmt im Wasser
Eine Mary-River-Schildkröte erkennt man vor allem am grünen Algenbewuchs auf Kopf und Schild Foto: Getty Images
Louisa Stoeffler
Redakteurin

28. Februar 2024, 17:29 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Viele Amphibien machen sich eine bimodale Atmung zunutze – das heißt, sie können sowohl an Land als auch unter Wasser atmen. Doch die Mary-River-Schildkröte aus Australien scheint diesen Mechanismus als Reptil nicht so ganz verstanden zu haben. Sie atmet stattdessen einfach unter Wasser mit dem Po. PETBOOK erklärt, wie das funktioniert und warum die Süßwasserschildkröte auch als „Punker“ des Tierreichs gilt.

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Schildkröten gelten häufig als langsam und als nicht besonders schlaue Tiere. Das ist jedoch ein Irrtum. Denn sie lernen nicht nur erstaunlich schnell, sondern verfügen über ein extremes Langzeitgedächtnis und passen sich perfekt an ihre Umgebung an. Es gibt bei ihnen sogar eine Art, welche die eigentlich den Amphibien vorbehaltene zweifache Atmung meistert. Zudem hat sie so große Füße, dass sie sich – für Schildkrötenverhältnisse – extrem schnell fortbewegen kann. Wenn sie nicht gerade für drei Tage im Wasser chillt, ohne auftauchen zu müssen. Diese Art hat sich wohl vor 18 Millionen Jahren von allen anderen abgespalten und lebt seitdem ihr eigenes Leben in einem einzigen Fluss in Australien. Dort hat sie prompt einige biologische Funktionen auf den Kopf gestellt. Denn der Grund, warum die Mary-River-Schildkröte bis zu 72 Stunden im Wasser treiben kann, ist ihre Fähigkeit, durch den Po zu atmen.

Zweifach-Atmung ist bei Reptilien eher selten

Die Zweifach-Atmung, auch bimodale Atmung genannt, findet man in der Regel bei Amphibien. Sie können Sauerstoff nicht nur durch ihre Lunge, sondern auch durch ihre Haut filtern. Durch eine dünne Schicht, die von vielen Blutgefäßen durchzogen ist, schaffen es die Tiere, Sauerstoff direkt aus dem Wasser aufzunehmen und so etwa 30 bis 40 Prozent ihres Bedarfs zu decken. Wichtig ist dabei, dass die Haut stets feucht und elastisch bleibt, sonst verliert sie diese Funktion.

Dass auch Reptilien eine gesonderte zweite Form des Atmens haben, ist jedoch eher ungewöhnlich. Sie findet sich vor allem bei einigen Seeschlangen, die ebenfalls durch Blutgefäße in ihrem Kopf Sauerstoff filtern können. Bei der Mary-River-Schildkröte funktioniert diese Atmung jedoch auf eine andere Art und Weise.

Denn sie atmet sowohl durch die Nase als auch ihren Po. Zumindest für einen gewissen Zeitraum. Allerdings kann sie mit der sogenannten Rektal-Atmung sogar ihren ganzen Sauerstoffbedarf decken. Bis zu 72 Stunden lang kann sie so ohne Pause unter Wasser bleiben. Dazu nutzt sie ihre Kloake, eine untere Körperöffnung, die bei vielen Tieren mehreren Zwecken dient. Darunter fürs Urinieren, Kot absetzen und für die Fortpflanzung. Im Fall der Mary-River-Schildkröte aber eben auch zum Atmen. Dies gelingt, weil sich darin spezielle Drüsen und eine Analblase befinden, die Sauerstoff aus dem Wasser filtern können. Diese sind innenliegend, was bedeutet, dass die Tiere mit ihrer Kloake nicht nur urinieren und koten, sondern auch Wasser hineinsaugen, um es zu atmen.

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Schildkröten schwimmen wie Haie

Doch das ist nicht der einzige spannende Fakt über die Tiere. Denn sie zählen mit einer Panzerlänge von bis zu 42 Zentimetern zu den größten Schildkröten Australiens. Ihr Schwanz misst, besonders bei den Männchen, etwa zwei Drittel ihrer Panzerlänge und ist so flach, dass sie ihn wie ein Ruder einsetzen können. Dies ist eine Art der Fortbewegung, die einzigartig unter Schildkröten ist und eigentlich bei Haien vorkommt.

Außerdem hat sie am Kinn zwei Fortsätze, auch Bartfäden genannt. Diese funktionieren ganz ähnlich wie Schnurrhaare und erlauben den Tieren, sich damit in ihrer Umgebung zu orientieren.

Warum die Mary-River-Schildkröte einen stylischen Iro-Haarschnitt trägt

Neben ihrer Po-Atmung ist das kurioseste Merkmal der Mary-River-Schildkröte ohne Zweifel ihre „Frisur“. Denn sie trägt einen stylischen Iro-Schnitt in hellgrün. Der wundersamen Vertreterin der Schlangenhalsschildkröten wachsen jedoch nicht etwa Haare – stattdessen sind ihre langen Tauchgänge dafür verantwortlich, dass sie von Algen überwachsen ist.

Diese finden sich nicht nur auf ihrem Kopf, sondern vor allem auf ihrem Panzer. In der Flusslandschaft ist dies natürlich die optimale Tarnung, wenn man drei Tage lang fast bewegungslos im Wasser dümpelt und po-atmet – wie eine wahre „Chillkröte“ also.

Auch interessant: Nicht schnell, aber schlau – Schildkröten sind lernfähige Haustiere 

Punk-Schildkröte wurde zu Hunderttausenden für den Heimtierhandel gewildert

Der Kultstatus der Mary-River-Schildkröte hat ihnen jedoch nicht besonders viel Glück eingebracht. Das einzigartige Reptil ist gerade wegen seiner „Haarpracht“ auch als „Punker-Schildkröte“ bekannt und wurde vor allem in den 1960er- und 70er-Jahren für den Heimtierhandel gewildert. Schätzungen zufolge wurden mindestens 150.000 Tiere aus ihrem Habitat entfernt und verscherbelt. Dazu entfernte man die Eier der Tiere und verkaufte die geschlüpften Babys. Man geht davon aus, dass dadurch etwa 95 Prozent der Population verschwanden.

Mittlerweile gilt diese einzigartige Art deswegen auch als gefährdet und steht auf der Roten Liste. Denn die Wilderei fand statt, bevor Wissenschaftler die Tiere 1994 das erste Mal in der Natur entdeckten und sie beschreiben konnten. Heute lebt eine noch unbekannte geringe Anzahl im Mary-Fluss, der auch unter seinem indigenen Namen Moonaboola bekannt ist.

Schildkröte ist essenziell für den Mary-River

Mittlerweile gibt es jedoch einige wissenschaftliche Untersuchung über die Mary-River-Schildkröte, die der Erhaltung der Art und ihrer Erforschung dienen sollen. Laut einer Studie von 2008 zum Beispiel genießt sie am liebsten kühles Nass. Bei einer Temperatur von 17 Grad ist das Wasser so sauerstoffhaltig, dass sogar ihre Babys nicht auftauchen müssen. Eine allumfassende Studie aus 2023 greift auch auf die Hilfe der lokalen und indigenen Bevölkerung bei der Erforschung der Landschaft um Moonaboola zurück.

Mit der Hilfe von Hobby-„Chillkröten“-Pflegern kann man die heimischen Arten besser schützen. So konnte auch festgestellt werden, dass die Mary-River-Schildkröte wichtig für das Ökosystem ihres Flusses ist, denn sie macht die Landschaft und das Wasser fruchtbar, indem sie Pflanzensamen verteilt, Nährstoffe filtert und den Boden des Flusses auflockert – und damit ist sie bei Weitem nicht die Einzige.

Die Tierwelt Australiens hat noch viele weitere faszinierende Flussschildkröten hervorgebracht. Darunter auch die Fitzroy-Schildkröte, die sogar bis zu drei Wochen po-atmen kann und ebenso schutzbedürftig ist wie der Punkrock-Star aus dem Mary-River. Man kann nur hoffen, dass diese besonderen Tiere durch mehr Aufmerksamkeit auch den Schutz erhalten, dessen sie bedürfen.

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Quellen

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