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Studie zeigt

Möwen lernen von Menschen, was gut schmeckt

Zurückgelassene Essensreste sind für Möwen ein gefundenes Fressen
Zurückgelassene Essensreste sind für Möwen ein gefundenes Fressen Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

9. Juni 2023, 5:51 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Möwen naschen gerne mal von menschlichen Essen. Nun fanden Forscher heraus, dass sich die Vögel sogar direkt an Menschen orientieren, wenn es um die Wahl ihrer Nahrung geht. Das zeigt eine Studie aus Brighton, in Großbritannien. Zu welchen Erkenntnissen die Wissenschaftler noch kommen und ob die Vögel so tatsächlich auf den Geschmack menschlicher Nahrung gekommen sind, verrät PETBOOK.

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In Küstennähe und in Häfen sind Möwen allgegenwärtig. Ihr Verhalten, im Sturzflug dem Essen von Spaziergängern habhaft zu werden, ist vielerorts bekannt und gar gefürchtet. Online kursiert eine Vielzahl von Videos, die die Vögel dabei zeigen, wie sie unterschiedliche Nahrungsmittel sogar aus Läden stehlen. Beliebt sind unter anderem Chipstüten, die sich leicht im Schnabel transportieren lassen. Aufnahmen einer Überwachungskamera eines Ladens in Finley, einer Kleinstadt an der Ostküste Englands, zeigen etwa, wie eine Möwe im Laufe eines Tages mindestens 18 Chipstüten „klaut“, wie die britische Boulevardzeitung „Daily Mail“ berichtet. Selbst Schiebetüren scheinen die Vögel dabei nicht aufzuhalten. Wissenschaftler der Sussex Universität untersuchten jetzt das Verhalten der Silbermöwe, eine der am häufigsten vorkommenden Großmöwe in Nord- und Westeuropa. Die Ergebnisse ihrer im Fachmagazin „Biology Letters“ veröffentlichten Studie weisen darauf hin, dass Möwen gelernt zu haben zu haben scheinen: „Menschen wissen, was gut ist“. So orientieren sie sich bei ihren Nahrungsmittelvorlieben direkt an uns Zweibeinern. Das sei nicht nur ein selten gesehenes Verhalten, sondern auch ein Zeichen der Intelligenz der Vögel.

Möwen klauen sowohl Artgenossen als auch Menschen Nahrung

Möwen verlassen sich bei der Nahrungssuche oft auf ihre Artgenossen. Von ihnen lernen sie nicht nur, wie sie Nahrung finden und sammeln, sondern auch, was alles essbar ist. Als Tiere mit einer hohen Lebenserwartung haben sie auch eine lange Entwicklungsphase – sie werden erst nach vier Jahren geschlechtsreif. Das ermöglicht es ihnen, umfassend von ihren Artgenossen zu lernen.

In der Natur ernähren sich die Vögel vor allem von Meeresorganismen. Diese fangen sie jedoch nicht immer selbst. Stattdessen stehlen sie als sogenannte Kleptoparasiten gern die Beute von Artgenossen oder anderen Tieren – und darüber hinaus auch von uns Menschen. Mit der vorgehenden und relativ jungen Ausbreitung der Möwen in Städten geht also auch eine Veränderung ihrer Essgewohnheiten einher.

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Wissenschaftler untersuchten Verhalten mittels Chipstüten

Die Wissenschaftler um Erstautorin Franziska Feist untersuchten in ihrer Studie das Lernverhalten der Silbermöwe. Sie überprüften, ob Hinweise von Menschen die Aufmerksamkeit von Möwen auf potenzielle Nahrung in ihrer Umgebung lenken und ihre Auswahl beeinflussen können. Dazu nutzten die Forscher Chipstüten unterschiedlicher Farbe, die sie auf Fliesen klebten und am Strand der britischen Stadt Brighton auslegten.

Grüne Packungen enthielten dabei Chips der Sorte „Salz und Essig“, blaue Packungen die Sorte „Käse und Zwiebel“. Während des Experiments hielt sich einer der Wissenschaftler in unmittelbarer Nähe zu einzelnen Möwen oder mehreren Tieren einer Gruppe auf. Um das Verhalten der Möwen zu untersuchen, aß die Versuchsperson entweder von der blauen oder der grünen Chipstüte oder verhielt sich still, ohne Nahrung zu konsumieren. Die Forscher filmten anschließend die Reaktionen der Möwen.

Möwen orientieren sich an Nahrungswahl der Menschen

Zunächst stellten die Forscher mittels ihrer Experimente fest, dass die Möwen am Strand ihre Köpfe drehten, um die Versuchsperson zu beobachten. Saß der Wissenschaftler still da, ohne selbst zu essen, näherten sich kaum Möwen den in der Nähe platzierten Chipstüten. Ihr Verhalten ändert sich jedoch, sobald die anwesende Person begann, in eine der Tüten zu greifen und Chips zu essen. Daraufhin näherte sich die Hälfte der Vögel und untersucht die Chipstüten. Fast die Hälfte dieser Annäherungen endete damit, dass die Tüten angepickt wurden. Die Möwen, die die Tüte anpickten, entscheiden sich dabei zu 95 Prozent für die gleiche Farbe der Chipstüte, aus der auch der Forscher zuvor gegessen hatte.

Die Ergebnisse zeigen, dass Möwen menschliches Verhalten deuten und eine Verbindung zwischen einer am Boden liegenden Chipstüte und der in der Hand des Menschen herstellen können. Sie sind aufgrund ihrer Intelligenz in der Lage, nicht nur auf menschliche Verhaltensweisen zu achten, sondern diese auch bei ihrer Nahrungswahl zu imitieren. Sie lernen so von uns Menschen, Nahrungsquellen zu identifizieren.

Was das Verhalten der Möwen so besonders macht

Dass Möwen uns Menschen dabei beobachten, welche Nahrungsmittel wir konsumieren und diese auch bevorzugen, wussten Wissenschaftler bereits vor Durchführung dieser Studie. Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Möwen ihr erlerntes Wissen zudem nutzen, um ihre eigene Nahrungsauswahl basierend auf beobachtetem Verhalten zu treffen.

Erstautorin Franziska Feist äußert sich der britischen Tageszeitung „The Guardian“ gegenüber zu den Erkenntnissen. Die Fähigkeit der Vögel, von Menschen zu lernen, „ist beeindruckend, denn in der Evolutionsgeschichte der Silbermöwen war der Mensch nicht beteiligt.“ Dieses Verhalten erfordere spezifische kognitive Anpassungen und Intelligenz der Vögel. Die Möwen seien in ihrem Verhalten so flexibel, dass sie sich nicht nur an Artgenossen, sondern auch an einer gänzlich anderen Spezies orientieren. Verhalten, wie dieses werde nur selten bei Tieren beobachtet.

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Forscher beschreiben das Verhalten der Möwen als Anpassung

Professor Paul Graham, Studienautor und Professor für Neuroethnologie der Universität Sussex, erklärt in einer Pressemitteilung der Universität: „Diese Interaktion mit dem Menschen ist relativ neu und wir können feststellen, dass sich die Möwen an die städtische Umgebung angepasst haben, indem sie das menschliche Nahrungsangebot nachahmen.“ Somit handelt es sich bei den Möwen demnach um wahre Anpassungskünstler.

Ihr Geschmackssinn habe sich dagegen nicht verändert. Professor Graham betont, dass Möwen sich nicht so entwickelt hätten, dass Chips ihnen gut schmecken würden. „Sie mussten lernen, sich auf den Menschen einzulassen, um an Nahrung zu kommen“, so der Wissenschaftler in der Mitteilung der Universität Sussex. Die menschengemachte Vermüllung der Städte und Natur trage zusätzlich dazu bei, dass Möwen vermehrt menschliches Essen stehlen. Denn je mehr Müll die intelligenten Vögel vorfinden, desto besser erlernen sie Aussehen und Geschmack der verschiedenen Lebensmittel.

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