12. April 2024, 18:11 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Haie sind faszinierende, aber auch gefürchtete Meeresbewohner, um die sich viele Legenden und Mythen ranken. PETBOOK ist den bekanntesten einmal auf die Spur gegangen und fragte bei der Hai-Expertin Dr. Iris Ziegler nach.
Wenn wir an Haie denken, dann kommen den meisten mächtige Raubfische in den Sinn. Dabei gibt es mehr als 500 Haiarten. Die meisten von ihnen sind Räuber des sogenannten „mittleren Ranges“ und für Menschen komplett ungefährlich. Doch Filme wie „Der weiße Hai“, „Deep Blue Sea“ oder „The Reef – Schwimm um dein Leben“ haben unser Bild von den Raubfischen geprägt. Kein Wunder, dass sich um Haie auch viele Mythen ranken. PETBOOK sprach mit Dr. Iris Ziegler von der internationalen Hai- und Artenschutzorganisation „Sharkproject“ und wollte wissen, welche davon tatsächlich stimmen.
Mythos 1: Haie halten Surfer für Robben und greifen deshalb an
Eine der berühmtesten Mythen über Haie ist, dass diese Surfer deshalb attackieren, weil sie auf ihrem Surfbrett Robben ähneln. Das sei jedoch falsch, sagt Dr. Iris Ziegler. „So ‚dumm‘ sind Haie nicht und dann gäbe es ja nur Haiunfälle in Gegenden, in denen es auch Robben gibt.“ Allerdings sei der Hai bei schlechten Sichtverhältnissen nicht immer sicher, was er da vor sich habe. „Im Zweifelsfall versucht er es mit einem Testbiss herauszufinden. Das heißt, er versucht zu ‚schmecken‘, ob das fressbar ist“, so die Expertin. „Aber dafür muss er zubeißen, denn die Geschmacksknospen befinden sich bei Haien hinten im Gaumen und nicht wie bei uns auf der Zunge – die hat der Hai nämlich nicht!“
Mythos 2: Haie haben keine Knochen
Oft heißt es, Haie hätten keine Knochen, was beim Anblick der großen Raubfische schwer zu glauben scheint. Doch das ist richtig, wie Dr. Ziegler bestätigt. Genau wie Rochen gehören Haie zu den sogenannten Knorpelfischen. Ihr Skelett besteht nicht aus Knochen, sondern Knorpel. Das macht sie vergleichsweise leicht und beweglich.
Mythos 3: „Haiangriffe“ häufen sich wegen der Klimaerwärmung
Immer wieder hört man Mythen bzw. Gerüchte, dass sich Haie durch die Klimaerwärmung in nördlichere Gewässer zurückziehen. Dadurch soll es vermehrt zu Angriffen in den Küstengegenden Nordamerikas gekommen sein. Diese Behauptung sei jedoch „sehr gewagt und nicht bewiesen“, wie Ziegler erklärt. „Tatsache ist aber, dass der Klimawandel allen Meeresbewohnern zu schaffen macht und auch den Haien, denn das gesamte Nahrungsangebot verschiebt sich und wird weniger“, so die Expertin. Außerdem gebe es nicht mehr Unfälle mit Haien, nur würde über diese immer reißerischer berichtet. „Im Schnitt sterben zehn Menschen jährlich durch einen Haiunfall“, klärt Ziegler auf. „Diese Zahl variiert über die Jahre mal nach oben oder unten, aber der Durchschnitte ist seit Jahrzehnten stabil und auch jetzt nicht höher.“
Mythos 4: Der Weiße Hai ist der gefährlichste für den Menschen
Viele der Verletzungen, die durch das Zusammentreffen von Haien und Menschen entstehen, sollen auf das Konto des weißen Hais zurückgehen. Daher gilt er oft als der gefährlichste Hai. Das sei jedoch falsch, sagt Dr. Ziegler. „Es gibt nur wenige Haiarten, die aufgrund ihrer Größe und ihres Gebisses für den Menschen lebensgefährliche Verletzungen verursachen können. Dazu gehört auch der Weiße Hai.“ Aber er sei nicht der Einzige. Tatsächlich gebe es nicht mehr Unfälle mit weißen Haien als mit Bullenhaien oder Weißspitzenhochseehaien oder auch Tigerhaien. Und davon insgesamt eben nur etwa zehn pro Jahr – mit allen Arten und auf der ganzen Welt.
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Mythos 5: Haie haben nachwachsende Zähne
Unter den Mythen über Haie finden sich auch viele, die das Gebiss der Tiere betreffen. Von einer unendlichen Zahl an Zähnen ist hier die Rede. Verliert der Hai einen Zahn, wird dieser einfach ersetzt – und das ist tatsächlich der Fall, wie Ziegler bestätigt. Über die Lebensdauer eines Hais hinweg können es sogar mehrere zehntausend Zähne sein, die da nachwachsen, erklärt sie. Der Grund: „Haie verlieren ihre Zähne regelmäßig beim Zubeißen, da sie im Knorpelkiefer nicht so fest sitzen wie die Zähne von Raubtieren mit einem Kiefer aus Knochen.“
Mythos 6: Die Haut von Haien ist so rau, dass man sich daran verletzen kann
Wenn man einen Hai streichelt, kann man sich verletzen – so rau ist seine Haut. Auch das stimmt. „Die Haut ist mit unzähligen Dentrikeln oder Hautzähnchen besetzt, die wie Schmirgelpapier funktionieren“ erklärt Ziegler. Berühre man die Haut „gegen den Strich“ stellen sich die Zähnchen auf. „Und die sind messerscharf“, warnt die Expertin. Man nennt diese Zähnchen auch Placoidschuppen. Zusammen bilden sie auf der Haut hohe, scharfe Rillen parallel zur Schwimmrichtung. Diese sogenannten Riblets ermöglichen es Haien, besonders schnell zu schwimmen
Mythos 7: Haie können einen Tropfen Blut von einem Kilometer entfernt riechen
Zu den berühmtesten Mythen über Haie gehört auch die Behauptung, die Raubfische könnten einen Tropfen Blut in kilometerweiter Entfernung riechen. Auch das sei richtig, sagt Ziegler. „Haie können einer Blutspur wie ein Spürhund folgen und dabei auch genau analysieren, um welches Blut es sich handelt“, führt die Expertin aus. Fischblut bedeute dabei für den Hai „Lecker, ich komme!“ Wohingegen Menschenblut bei den Tieren folgende Reaktion auslöse: „Kenne ich nicht, schmeckt wahrscheinlich nicht.“ Die Mär vom verwundeten Schiffbrüchigen, der die hungrigen Haie anlockt und dann lebendig gefressen wird, ist daher wirklich nur eine Mär, sagt Ziegler.
Mythos 8: Haie müssen immer in Bewegung sein, sonst ersticken sie
Haifische müssen immer in Bewegung sein, denn nur so könnten sie atmen. Dies ist laut Ziegler nur bedingt richtig. „Das gilt für Hochseehaie mit sogenannter passiver Atmung, die schwimmen müssen, damit sauerstoffreiches Wasser ihre Kiemen durchströmt.“ Andere Haiarten verfügten aber über eine aktive Atmung und könnten auf dem Boden liegend oder auch schwebend aktiv Wasser durch ihre Kiemen pressen und so atmen oder durch ein Saugloch am Kopfende Sauerstoff ansaugen.
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Mythos 9: Haie legen Eier
Haie gehören zu Fischen und Fische legen Eier. Das trifft allerdings nur auf etwa 50 Prozent aller Haiarten zu, wie Ziegler informiert. Dazu käme: Nur rund 30 Prozent aller Arten legen die Eier tatsächlich im Wasser ab, die dann auch als Nympfentäschchen oder Eikapseln bezeichnet werden. „Das machen vor allem die kleinen Haiarten wie Katzenhaie“, führt die Expertin aus. „Große Arten wie Tigerhai, Weißer Hai oder Makohai legen die Eier dagegen in der Bauchhöhle ab. Dort reifen sie heran und die geschlüpften Haibabys wachsen dann weiter heran. Sobald sie groß genug sind, werden sie lebendig geboren.“ Viele Haiarten hätten sogar eine Plazenta ähnlich der Säugetiere, um die kleinen Haibabys über das Blutsystem der Mutter zu ernähren. Dazu zählen etwa Riffhaie. Mehr zu diesem Thema können Sie in diesem Artikel nachlesen: Erraten Sie, welche Tiere solche „Alien-Eier“ legen?
Mythos 10: Haie können im Dunkeln leuchten
Einer der unbekannteren Mythen ist, dass Haie im Dunkeln leuchten. Das stimme zum Teil sogar, sagt Dr. Ziegler. „Vor allem Tiefseehaie; der Grund dafür ist aber noch nicht ganz erforscht.“
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Mythos 11: Bei einem Haiangriff soll man den Tieren auf die Nase schlagen, um sie zu vertreiben
Unter den Mythen, die sich hartnäckig halten, ist auch der Ratschlag, Haien kräftig ins Gesicht zu boxen, um diese zu vertreiben. Davon rät die Expertin jedoch ab! „Das bedeutet ja, man lässt das Tier so nahe kommen, dass man es an der Nase berühren kann – das ist gefährlich.“ Besser sei es, den Hai bereits früher auf Distanz zu halten, in dem man ihm ein Objekt wie die Kamera oder auch die Schwimmflossen entgegenschiebt und so Wasserbewegung bzw. Druckwellen erzeugt. Diese spüre der Hai und weiche aus.
„Kommt es tatsächlich dazu, dass der Hai einen mit der Schnauze berührt, kann man die Schnauze vorsichtig abwenden und das Tier sozusagen an sich vorbeileiten“, rät Ziegler. „Schlagen könnte Panik oder Aggression auslösen … zumal den berühmten Griff, um die Haie in eine Art ‚Trance‘ zu versetzten, nur sehr wenige Experten beherrschen.“ Komme es zu einem „Kampf“ mit dem Tier, könne man versuchen, in die Kiemen zu greifen. „Das ist der empfindlichste Ort der Tiere“, sagt Ziegler. Doch Vorsicht! „Der Hai wird das als Angriff deuten und sich zu wehren wissen. Also wirklich nur im Notfall einsetzen, zu dem es bei richtigem Verhalten im Wasser und bei der Haibegegnung eigentlich gar nicht kommen sollte.“