6. Mai 2024, 11:11 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Durch die Regenwälder Südamerikas stromern viele wilde Kleinkatzenarten – eine bemerkenswerter als die andere. Nun wurde eine neue Art beschrieben. Doch was für die Forschung ein Erfolg ist, bedeutet für die Tiere wohl nicht viel Gutes.
In wenigen Gebieten der Erde gibt es eine solche Artenvielfalt wie in südamerikanischen Wäldern. Noch immer werden dort laufend neue Arten beschrieben, wie zuletzt bei der neuentdeckten Anakonda, oder einem isoliert lebenden Dreifingerfaultier mit Kokosnusskopf. Nun haben Forscher auch neue Zuordnungen bei südamerikanischen Wildkatzen vorgenommen und eine neue Art beschrieben. Doch bedeutet dies wohl nicht viel Gutes für die gerade entdeckte Kleinkatzenart aus dem Regenwald.
Kleinkatzenart im Regenwald ist noch nicht gut erforscht
Die Familie der Tigerkatzen, die den wissenschaftlichen Namen Leopardus trägt, war bereits vor der Entdeckung der neuen Art schwierig genug. Denn weder sind sie mit Tigern noch mit Leoparden verwandt. Wie, um die Verwirrung perfekt zu machen, werden diese Tiere häufig auch Ozelots oder Pardelkatzen genannt. Mit beiden sind sie tatsächlich verwandt, bilden jedoch ihre eigene taxonomische Gruppe, weshalb sie manchmal auch als Oncillas oder Tigrillos bezeichnet werden.
Ein Forschungsteam um Tadeu de Oliveira von der staatlichen Universität Maranhão in São Luís, in Brasilien, hat bei den Tigerkatzen genauer hingeschaut. Denn die kleinen Wildkatzen sind nicht nur gut versteckt, sondern auch scheu. Deshalb hielt man sie lange sogar nur für eine einzige Art. Sie sind meist nicht größer als eine Hauskatze (46 bis 54 Zentimeter) und können etwas mehr als drei Kilogramm wiegen. Ihr Fleck- und Streifenmuster tarnt sie perfekt in Regen- und Nebelwäldern sowie krautigem Grasland.
2013 stellte man dann fest, dass es eine Nördliche und eine Südliche Tigerkatze gibt. Letztere ist auch unter dem Namen Brasilianische Tigerkatze bekannt. Zuvor war man lange von einer einzigen Art mit riesigem Verbreitungsgebiet ausgegangen, das von Costa Rica über die Anden bis zur brasilianischen Atlantikküste reichen sollte.1
Drei Arten müssen sich schwindenden Platz teilen
Die Entdeckung einer weiteren Kleinkatzenart mit runden Ohren und neugierigem Blick klingt zunächst wie eine gute Nachricht. Dahinter versteckt sich jedoch eine bittere Wahrheit. Denn durch die neue Studie wird nun klar, dass sich die Gruppe nicht nur in zwei, sondern sogar in drei verschiedene Arten aufteilt. Zu den beiden bereits beschriebenen Arten gesellt sich jetzt also noch die Anden-Ozelotkatze oder auch Nordwestliche Tigerkatze. Sie wurde mit Beginn des Jahres 2024 als eigenständige Art anerkannt.2
In der Artenforschung gilt der Grundsatz: Man kann nur schützen, was man kennt. Und bei der Tigerkatze, über die man bisher nicht einmal genau weiß, wie sie sich ernährt, ist das nicht der Fall. Zudem hat die Forschungsgruppe um de Oliveira auch feststellen müssen, dass die Habitate der Tiere viel kleiner sind, als bisher angenommen.
Die neu beschriebene Anden-Ozelotkatze kommt in Höhen von 1500 Metern in Nebelwäldern bis in 3000 Meter im subtropischen bis gemäßigten Klima vor. Sie lebt dabei vor allem im Westen des südamerikanischen Kontinents in den Anden und angrenzenden Gebieten. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich also nur auf einen schmalen Populationsstreifen innerhalb des Gebirges.
Die Nördliche Tigerkatze dagegen findet sich in Guyana und dem brasilianischen Regenwald. Die Südliche hat sich nicht nur an das Leben in Feuchtgebieten, sondern auch in Savannen angepasst. Doch die Forscher haben nicht nur beweisen können, dass die Populationen der Kleinkatzenarten voneinander isoliert, und nicht mehr nur im Regenwald, leben. Auch ihre historische und heutige Verbreitung wurden aufgearbeitet und senden deutliche Warnzeichen für den Erhalt aller drei Arten.
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„Das rote Licht ist an“
So hat die genaue Untersuchung der Wissenschaftler, die auch die „Tiger Cats Conservation Initiative“ geschaffen haben, traurige Zustände enthüllt. „Für alle Tigerkatzen wurden sehr besorgniserregende Gebietsrückgänge festgestellt, die von minus 50,4 bis minus 68,2 Prozent reichen“, bewerten die Forscher ihre Ergebnisse selbst in ihrer Arbeit.
Es bestehe sofortiger Handlungsbedarf, führen sie weiter aus. De Oliveira und Kollegen wünschen sich Verbesserung und Verstärkung der Umweltpolitik, eine Neubewertung der Roten Liste für alle drei Arten, sowie Erhaltungsmaßnahmen von lokalen Projekten bis hin zu nationalen Institutionen und Behörden.
Die Forscher beenden ihre Studie mit den Worten „Das rote Licht ist an“ und nehmen damit Bezug auf den Artenschutz. Denn kleinere, isolierte Populationen von Arten machen es schwieriger, sie wirksam vor dem Aussterben zu schützen. Besonders, wenn man noch so wenig über die Tiere weiß, wie über die versteckt lebenden Tigerkatzen.