24. September 2024, 14:30 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Oktopusse gelten eigentlich als Einzelgänger. Doch Videoaufnahmen einer neuen Studie zeigen erstmals, dass die Tiere mit verschiedenen Fischarten gemeinsam auf Jagd gehen. Dabei verteilen sie sogar Schläge an Fische, die sich bei der Jagd nicht beteiligen. PETBOOK hat die spannenden Ergebnisse zusammengefasst.
Lange Zeit nahmen Biologen an, dass Oktopusse Einzelgänger sind und sich höchstens zur Paarung treffen. Eine neue Studie deutet jedoch darauf hin, dass einige von ihnen überraschend viele Sozialkontakte pflegen – und zwar zu Fischen. Zumindest was Individuen der Großen Blauen Krake (Octopus canea) angeht. Bei ihnen konnten Forscher mithilfe von Unterwasseraufnahmen erstmals zeigen, dass diese in Jagdgruppen mit verschiedenen Fischarten unterwegs sind. Dabei scheinen die Oktopusse zu entscheiden, wie und was gejagt wird. Die Ergebnisse wurden am 23. September in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. 1
Tauchgang enthüllte Jagd-Geheimnis
Eigentlich wollten Eduardo Sampiano und seine Kollegen auf ihren Tauchgängen das Jagdverhalten von Oktopussen studieren. Dafür waren die Forscher in den Meeren Israels, Ägyptens und Australiens unterwegs und erstellten über hundert Stunden Filmmaterial. Doch anstatt auf einsame Jäger zu stoßen, beobachteten sie bei einigen Individuen der Großen Blauen Kraken, dass diese zusammen mit verschiedenen Fischen jagten. Ein bisher völlig unbekanntes Verhalten.
Insgesamt folgten sie den Oktopussen auf 13 Jagden, bei denen sie Gruppen von zwei bis zehn Fischen beobachteten, die mit jedem Oktopus arbeiteten. Für die Filmaufnahmen wurden zwei Kameras gleichzeitig eingesetzt. Dies ermöglichte es den Forschern später, eine 3D-Ansicht der Szenen zu erstellen.
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Jeder Fisch hat eigene Aufgabe
Die Jagdgruppen bestanden in der Regel aus einem Oktopus und mehreren Arten von Rifffischen wie Zackenbarschen und Meerbarben. Dabei sei der Einfluss, den jedes Individuum auf die Jagd hat, nicht gleichmäßig verteilt. Vielmehr handele es sich um hierarchische Strukturen, wie der Biologe und Studienleiter Eduardo Sampaio im Wissenschaftsmagazin „PhysOrg“ erklärt.
Das bedeutet, jeder Fisch hat eine bestimmte Aufgabe. So seien Meerbarben vor allem für die Erkundung der Umwelt verantwortlich und geben die Richtung der Gruppe vor. Der Oktopus bestimmt hingegen den Zeitpunkt und die Einleitung der Gruppenbewegung bei der Jagd. Dabei übernehmen sie aber weniger die Aufgabe eines Anführers. Vielmehr leiten sie die Jagd und achten darauf, dass es geregelt zugeht und die soziale Ordnung eingehalten wird.
Wer nicht spurt, kassiert einen Schlag
Wenn Fische aus der Reihe tanzten, versetzte ihnen der Oktopus einen Schlag mit dem Tentakel. Dabei kassierten vor allem jene Fische Schläge, die die Gruppe nur ausnutzten, sich also nicht bei der Jagd bewegten oder Ausschau nach Beute hielten, wie Sampaio in einem Artikel des US-amerikanischen Nachrichtenmagazins „NBC News“ berichtet.
Die Schläge dienten aber nicht nur dazu, Gruppenmitglieder in Schach, sondern auch dazu, die Gruppe in Bewegung zu halten. „Wenn die Gruppe sehr still ist und alle Fische um den Oktopus herum schwimmen, beginnt er zu schlagen“, führt der Biologe aus. „Aber wenn sich die Gruppe entlang des Lebensraums bewegt, bedeutet das, dass sie nach Beute sucht, also ist der Oktopus glücklich und schlägt niemanden.“
Fische und Oktopusse haben durch gemeinsame Jagd Vorteile
Die Forscher glauben, dass die Fische von solchen Jagdgruppen profitieren, weil ein Oktopus in Spalten greifen kann, in denen sich Beute versteckt. So kann er an Nahrungsquellen gelangen, die den Fischen sonst verwehrt bleiben. Der Oktopus profitiert von der Jagdgemeinschaft, indem er den Fischen einfach zur Nahrung folgt, anstatt selbst auf Nahrungssuche zu gehen.
„Diese Zusammenarbeit ermöglicht es Fischen, an sonst unerreichbare Beute zu gelangen, und Oktopussen, Energie zu sparen, indem sie sich auf hochwertige Nahrungsquellen konzentrieren, während sie gleichzeitig Kontrolle ausüben und Feedback innerhalb der Gruppe geben, was die ausgeklügelte Dynamik der Zusammenarbeit von Meereslebewesen unterstreicht“, fasst Sampaio zusammen.
Beute wird nicht direkt geteilt
Aber wie regeln Oktopusse und Fische, wer wie viel von der Beute abbekommt? „Wenn der Oktopus die Beute fängt, tötet er sie auch“, erklärt Sampaio. Dabei werde das Beutestück nicht direkt geteilt, sondern von demjenigen gefressen, der die Beute fängt. Da die Gruppe die Jagd aber mehrmals wiederholt, würde die Beute in dem Sinne „geteilt“, dass manchmal der Oktopus die Beute fängt und manchmal der Fisch die Beute fängt, wie der Biologe ausführt.
Diese Ergebnisse der Forschung zeigen, dass der ansonsten einzelgängerische Große Blaue Krake eine bemerkenswerte soziale Kompetenz und kognitive Flexibilität aufweist und sein Verhalten als Reaktion auf die Aktionen verschiedener Arten anpasst. „Diese Ergebnisse erweitern unser Verständnis von Führung und Sozialität und betonen die Komplexität und Anpassungsfähigkeit sozialer Interaktionen in der Natur“, sagt Sampaio.
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Oktopusse sind uns ähnlicher als gedacht
Die Videoaufnahmen der Forscher sind der weltweit erste Hinweis darauf, dass mindestens eine Oktopusart Eigenschaften und Marker der Intelligenz aufweist, die Wissenschaftler bisher nur Wirbeltieren zugeschrieben haben.
„Ich denke, dass Sozialität, oder zumindest die Aufmerksamkeit für soziale Informationen, viel tiefer im evolutionären Stammbaum verwurzelt ist, als wir vielleicht denken“, so Sampaio. „Wir sind diesen Tieren sehr ähnlich“, fügt er hinzu. „In Bezug auf das Empfindungsvermögen sind sie uns sehr nahe oder näher, als wir denken.“