29. Juni 2023, 13:53 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wenn ein Mensch beatboxen kann, produziert er mit Mund, Nasen und Rachen zwei oder mehrere verschiedene Laute gleichzeitig. Einfach ist das zwar nicht – aber tatsächlich können Orang-Utans etwas Ähnliches machen. So sind die Menschenaffen in der Lage, zwei Geräusche gleichzeitig zu erzeugen, wie die Ergebnisse einer neuen Studie zeigen.
Stellen Sie sich vor, sie wandern mit geschlossenen Augen durch einen Dschungel. Eine gute Idee wäre das sicherlich nicht, aber es geht hier ja nur um ein Gedankenexperiment. Welche Geräusche würden Sie vermutlich in der Natur hören können? Das Gezwitscher der Vögel, das Quaken der Frösche – und das Brüllen der Orang-Utans, oder?
Tatsächlich können Orang-Utans aber noch weitaus mehr Geräusche mit Mund und Rachen machen als nur Brüllen – und das gleichzeitig. Das offenbaren die Ergebnisse einer neuen Studie, die von der britischen University of Warwick geleitet und im Fachjournal „PNAS Nexus“ veröffentlicht wurde.
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Forscher beobachteten über 3800 Stunden lang Orang-Utans
Um die Erkenntnisse aus der Studie zu verstehen, bedarf es eines kleinen Exkurses zu den Geräuschfähigkeiten des Menschen. „Menschen benutzen die Lippen, die Zunge und den Kiefer, um die stimmlosen Laute von Konsonanten zu erzeugen“, erklärt Erstautor Adriano Lameira in einer Pressemitteilung. Um wiederum stimmhafte Laute wie Vokale zu erzeugen, aktiviere der Mensch beim Ausatmen die Stimmlippen im Kehlkopf.
Orang-Utans seien ebenfalls in der Lage, diese beiden Arten von Lauten zu erzeugen – „und zwar beide gleichzeitig“, wie der Studienleiter und seine Kollegin Madelein Harson nun festgestellt haben. Die Wissenschaftler beobachteten zwei unterschiedliche Orang-Utan-Populationen, einmal auf der Insel Borneo und einmal auf der Insel Sumatra. Über 3800 Stunden verbrachte das Forschungsduo damit, den Vokalisierungen der Primaten zu lauschen.
Dabei bemerkte das Team, dass die großen männlichen Orang-Utans auf Borneo gleichzeitig „Kau“- und „Grummel“-Geräusche produzierten, wenn sie sich in einer möglichen Kampfsituation befanden. Die weiblichen Orang-Utans auf Sumatra wiederum machten eine Art „quietschendes Kuss-Geräusch“ in Kombination mit einem tiefen Brumm-Geräusch, um andere Artgenossen über eine mögliche Bedrohung zu alarmieren.
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Den Forschenden zufolge würden die Ergebnisse darauf hindeuten, dass es sich bei der Kombination aus stimmhaften und stimmlosen Lauten nicht ausschließlich um ein sozial angeeignetes Verhalten der Menschenaffen handelt. „Die Tatsache, dass zwei verschiedene Orang-Utan-Populationen dabei beobachtet wurden, wie sie zwei Rufe gleichzeitig ausstoßen, ist ein Beweis dafür, dass es sich um ein biologisches Phänomen handelt“, so Lameira. Das Forschungsduo erstellte auch sogenannte Spektrogramme, um die Frequenzstärke der verschiedenen Geräusche bildlich darzustellen.
Eine biologische Ursache könnte auch einen Zusammenhang zum Menschen darstellen. „Menschen produzieren selten gleichzeitig stimmhafte und stimmlose Laute“, führt Hardus aus. Eine Ausnahme sei aber das Beatboxing oder Beatboxen. Hierbei werden Geräusche wie ein Schlagzeug oder Hip-Hop-Beats mit dem Mund, der Nase und dem Rachen imitiert.
Dass Menschen anatomisch zum Beatboxen in der Lage seien, werfe laut Hardus Fragen darüber auf, woher diese Fähigkeit überhaupt stammt. „Wir wissen jetzt, dass die Antwort in der Evolution unserer Vorfahren liegen könnte.“ Laut der Forscherin könnte die frühe menschliche Sprache sogar eher wie Beatboxen geklungen haben – „bevor sich die Sprache in die Konsonanten-Vokal-Struktur organisierte, die wir heute kennen.“