29. Juni 2024, 7:35 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Immer wieder hört man in den Medien von Wal-Begegnungen, bei denen die Meeressäuger angeblich Boote angegriffen haben. Dabei sollen allein in den letzten Jahren in Südeuropa mehr als 700 Schiffe von Orcas gerammt worden sein. Laut einer neuen Studie sind diese Attacken aber wohl eine gute Nachricht …
Immer wieder gibt es im Leben Ereignisse, die auf den ersten Blick furchtbar klingen, aber beim genauen Hinblicken doch etwas Gutes darstellen. So auch die Zwischenfälle, bei denen Boote von Orcas gerammt wurden. Denn lange war nicht klar, was es damit eigentlich auf sich hat. Seit etwa vier Jahren sorgt eine Serie von rätselhaften Attacken durch Schwertwalen auf Segelboote vor der südspanischen Atlantikküste für viel Aufsehen. Dabei rammten die Meeressäuger seit 2020 rund 700 Boote und zerstörten dabei oft deren Ruderanlagen.1 Wissenschaftler rätselten daher lange, ob es sich um Absicht oder Unfälle handelt?
Forscher gehen davon aus, dass die Orcas Langeweile haben
Auch wenn es dabei glücklicherweise nie Todesopfer gab, entstand ein gewisser Sachschaden. Eine Handvoll Segelschiffe wurde bei den Zusammentreffen mit den Walen sogar dermaßen demoliert, dass sie sanken. All das stellte Experten vor die Frage nach dem „Warum“. Doch nun scheint eine internationale Expertenkommission eine Erklärung dafür gefunden haben, warum es die Wale auf die Segler abgesehen haben. Und nur soviel vorab: Die Theorie klingt etwas kurios.
So sollen sich die Orcas aus Langeweile an den Booten zu schaffen gemacht haben. Angesichts eines reichlichen Nahrungsangebots im Atlantik müssten die Meerestiere weniger Zeit für Jagd und Futtersuche aufwenden und hätten somit viel Zeit und Energie übrig. Daher gehen die Experten davon aus, dass die Wale, die übrigens zur Familie der Delfine gehören, sich ihre Zeit damit vertrieben, mit den Booten zu spielen.
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So schätzt ein Wal-Experte die Theorie ein
So heißt es im Bericht der internationalen Walkommission (IWC), dass dieses Verhalten möglicherweise die Konsequenz davon sei, dass die Orcas erstmals seit Generationen keine Probleme hätten, sich zu ernähren. Denn dank Fischereiverboten sei der Blauflossenthunfisch – die Lieblingsspeise der Fische – wieder in großer Zahl im Meer verfügbar: „Dieser ganzjährige Überfluss bedeutet, dass es für die Wale offenbar nicht mehr notwendig ist, jedem Fisch nachzujagen.“
Allerdings sei es wichtig, dass es sich hierbei nicht um aggressives Verhalten gegenüber Menschen handele. Vielmehr müsse dies als „Interaktionen“ verstanden werden, heißt es dazu von den Wissenschaftlern. Meeresbiologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz (DSM) ordnet für PETBOOK diese Theorie der Langeweile der Wale im Zusammenhang mit der Angriffsserie auf Segelboote ein. „Nun, Langeweile ist schon eine starke Vermenschlichung. Man kennt das aus Haltungen in Gefangenschaft, dort verursacht Langeweile (Leere) schwere Verhaltensschäden.“
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Das Spielen mit Segelbooten könnte den Orcas durchaus Spaß machen
Für das Leben in der freien Wildbahn würde er diesen Begriff nicht verwenden wollen. „Passender finde ich den Gedanken, dass die Tiere jetzt mehr Zeit für soziale Interaktionen, gemeinsames Spiel, Ausleben von Neugierde haben. All das führt dazu, dass sie sich und ihre Umwelt intensiver ausprobieren können. Und auf dem Meer bieten sich da kleinere Boote sofort an.“
Diese könnten nämlich für Abwechslung sorgen, erklärt der Experte im Gespräch mit PETBOOK. „Wenn es dann noch gelingt, durch Manipulationen an dem neuen Spielobjekt dieses zu beeinflussen und hektische Aufmerksamkeit bei den Lebewesen an Bord auszulösen, dann hat das offensichtlich einen hohen Spaßfaktor für die Tiere, die dieses komplexe und Mut und Draufgängertum erfordernde Verhaltensmuster beherrschen.“
Sorgen machen, dass es Orcas gezielt auf Menschen abgesehen haben, muss man sich aber nicht. Solche Horror-Szenarien gibt es nur in Filmen oder in Science-Fiction-Romanen wie etwa Frank Schätzings „Der Schwarm“.