3. Januar 2025, 17:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es sind herzzerreißende Szenen, die sich gerade in der Pazifikküste abspielen. Denn dort wurde beobachtet, wie ein Orca-Weibchen bereits zum zweiten Mal in Folge den Körper ihres toten Neugeborenen weite Strecken mit sich zog. Nun zeigen sich auch Wissenschaftler besorgt.
Es sind Szenen, die betroffen machen. Denn sie zeigen auf eindrucksvolle Art und Weise, dass es starke Mutterliebe und Trauer auch im Tierreich gibt. Ein Phänomen, das Tieren – gerade Meeressäugetieren – noch immer oft abgesprochen wird. So beobachteten Experten jetzt, wie ein Orca-Weibchen namens Tahlequah mehr als 1600 Kilometer mit ihrem toten Kalb durch das Meer schwamm. Dabei sei es offensichtlich, dass der Schwertwal um sein verstorbenes Junge trauere. 1
Orca-Mutter trägt ihr totes Neugeborenes auf dem Kopf
Demnach sei der Orca erstmals am 20. Dezember 2024 mit einem neuen Kalb gesichtet worden. Doch am Mittwoch, dem 1. Januar, fotografierten Forscher der National Oceanic and Atmospheric Administration Tahlequah vor West Seattle mit dem Kadaver des Walbabys auf dem Kopf.2
Immer wenn das Kalb zu sinken schien, sah es so aus, „als würde sie in hohem Bogen tauchen, um nach unten zu gehen und das Kalb zu bergen“, zitiert „NBC-News“ Wissenschaftler Brad Hanson, vom NOAA Fisheries Northwest Fisheries Science Center. „Wir sind uns nicht sicher, ob sie es zu diesem Zeitpunkt schiebt oder es packt“, schilderte er seine Beobachtungen.
Es ist bereits das zweite tote Junge von Tahlequah
Besonders tragisch: Es ist nicht das erste Mal, dass Tahlequah ein totes Baby zur Welt bringt und es über weite Strecken mit sich herumträgt. So sorgte die Schwertwal-Dame bereits 2018 für Schlagzeilen, als sie den Körper ihres toten Nachwuchses 17 Tage lang durch die Salish Sea schob. Auch damals sprachen Beobachter von einem offensichtlichen Trauerakt.
Vor dem Hintergrund, dass dies nun bereits das zweite tote Junge von Tahlequah ist und diese zur stark gefährdeten Population der Südlichen Schwertwale gehört, zeigen sich Experten besorgt. Dies sei „verheerend“ für die schwindende Population, die schon bald vor dem Aussterben stehen könnte, zitiert „The Guardian“ einen Experten. So sei Tahlequahs erstes Kalb, das vor 14 Jahren geboren wurde, heute noch am Leben.
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Der Tod eines jeden Kalbes ist ein enormer Verlust
Doch ihre beiden dokumentierten weiblichen Kälber seien beide überraschend gestorben. Dabei hatten die Forscher zunächst optimistisch auf die Geburt von Tahlequah – die auch J35 genannt wird – jüngstem Nachwuchs geschaut. Doch schon bald kam der Verdacht auf, dass das Neugeborene gesundheitliche Probleme haben könnte. „Das frühe Leben ist für neue Kälber immer gefährlich, mit einer sehr hohen Sterblichkeitsrate im ersten Jahr. J35 ist eine erfahrene Mutter, und wir hoffen, dass sie in der Lage ist, J61 in diesen schwierigen ersten Tagen am Leben zu erhalten“, schrieb das Center for Whale Research noch am 23. Dezember.
„Der Tod eines jeden Kalbes in der [gefährdeten südlichen Population] ist ein enormer Verlust. Aber der Tod von J61 ist besonders verheerend, nicht nur, weil sie ein Weibchen war, das eines Tages möglicherweise ihre eigene Matriline hätte anführen können. Sondern auch angesichts der Geschichte ihrer Mutter J35, die nun zwei von vier dokumentierten Kälbern verloren hat – beide waren weiblich“, schrieb das Zentrum.
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Kann jetzt nur noch die Politik helfen?
Wie ernst die Lage ist, zeigen Schätzungen, die nun auch vom Zentrum für Walforschung bestätigt worden sind. Demnach sei die Population auf 73 zurückgegangen. Dabei geht man davon aus, dass es nur noch 23 brütende Weibchen gibt. Die Forschenden richten nun ihren Blick auf die Politik und hoffen, dass diese nun aktiv wird und alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, um den Erhalt der dortigen Orca-Population zu sichern.
So haben in den letzten Monaten Naturschutzgruppen den kanadischen Umweltminister aufgefordert, eine Notverordnung zu erlassen. Dies ist ein selten genutztes, aber wirksames rechtliches Instrument zum Schutz einer vom Aussterben bedrohten Art. Dies wurde in der Vergangenheit zur Rettung des großen Salbeihuhns in Alberta und später zum Schutz des westlichen Chorfroschs in Quebec angewendet.