19. April 2024, 17:46 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Von Jungferngeburten im Tierreich hat man in den letzten Jahren immer häufiger gehört. Doch es gibt noch viele offene Fragen darüber, bei welchen Tieren die Parthenogenese möglich ist und warum sich manche Tiere eingeschlechtlich – also ohne einen Partner – fortpflanzen.
Bei manchen Tierarten hört man seit einigen Jahren häufiger von den sogenannten Jungferngeburten, auch Parthenogenese genannt. Doch die neuen Forschungsarbeiten zeigen nicht, dass das Phänomen häufiger wird, es wird schlicht häufiger entdeckt. So wurde die eingeschlechtliche Fortpflanzung seit über 20 Jahren immer wieder bei den unterschiedlichsten Tieren beschrieben. Aber warum brauchen manche Arten einfach keinen Partner, um Nachwuchs zu zeugen? Dahinter stecken ziemlich clevere Prozesse.
Wie die Parthenogenese funktioniert
Die Parthenogenese ist eine Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung. Dabei entstehen Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen. Sie kann auf verschiedene Arten erfolgen.
Meiose läuft unvollständig ab
Bei einer Form findet die Meiose – die Reifeteilung von Zellen – in reduzierter Form statt. Denn eigentlich muss sich der Chromosomensatz halbieren, um eine Eizelle zu erzeugen, die anschließend befruchtet wird. Dabei entstehen im Weibchen fruchtbare Eizellen. Das restliche genetische Material wird in sogenannten Polkörperchen gelagert und dann nicht mehr verwendet – eigentlich. Denn bei der Parthenogenese kommt es wieder zusammen. Die Meiose wird teilweise unterdrückt oder unvollständig ausgeführt, und die Zellkerne verschmelzen miteinander.
Nachwuchs durch Klonen
Bei der weiteren Form der Parthenogenese findet gar keine Reifeteilung statt, der komplette Chromosomensatz bleibt unverändert erhalten. Die entstehenden Nachkommen sind praktisch Klone ihres Elterntiers. Dafür verantwortlich sind sogenannte diploide Keimbahnzellen – die von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Vermehrung durch „halbierte“ Zellen
Allerdings können sich auch einige Tiere, die Parthenogenese betreiben, mit halbierten Zellen vermehren. Durch die Zellteilung der Mitose wird das fehlende Material ersetzt. Parallel laufen hormonelle Prozesse ab und durch eine selbst-induzierte Schwangerschaft entsteht ein Individuum mit nur einem halben Chromosomensatz. Hierbei können sowohl Männchen als auch Weibchen geboren werden. Forscher gingen lange davon aus, dass die Tiere nicht gesund sind und eine geringere Lebenserwartung haben.1
Bei welchen Tieren Jungferngeburten auftreten
Früher glaubte man zudem, dass die Jungfrauengeburt nur äußerst selten vorkommt – quasi als Laune der Natur. Heute hat man die Parthenogenese jedoch schon bei über 80 verschiedenen Tieren beobachten können. Auch bei Krokodilen, bei denen dies eigentlich nicht als machbar galt – denn bei ihnen entscheidet die Temperatur über das Geschlecht des Nachwuchses (PETBOOK berichtete).
Anfang 2024 ging der Fall der Stachelrochen-Dame Charlotte durch die Medien, die in einem Aquarium im US-amerikanischen Bundesstaat North Carolina lebt. Allem Anschein nach hat auch sie Parthenogenese betrieben. Zunächst war nicht klar, ob dies der Fall war, denn viele Fischarten können Spermazellen über Jahre hinweg im Körper tragen und werden später schwanger. Im Falle von Charlotte dauert die Tragzeit nun schon viel länger an als sie sollte und endete tragisch, weil die Rochendame durch eine nicht näher genannte „reproduktive Krankheit“ starb. Die Parthenogenese fasziniert die Menschen jedoch so sehr, dass man ihre Reise auch lange auf Instagram nachvollziehen konnte.2,3
Generell tritt die Parthenogenese am häufigsten bei Reptilien, Amphibien, Fischen und Vögeln auf. Bei Beuteltieren und Säugetieren gilt der Prozess (noch) als eher unwahrscheinlich. Bei einigen Bärtierchen-Arten kommt sie hingegen regelmäßig vor, findet sich aber auch bei Kalifornischen Kondoren, der afrikanischen Kapbiene und auch bei der Honigbiene. Denn die männlichen Bienen, auch Drohnen genannt, entstehen aus unbefruchteten Eiern. Bei vielen Rochen- und Hai-Arten findet sie sich außerdem. Dafür hat die Wissenschaft sogar bereits einen ersten Erklärungsansatz gefunden.4,5
Tiere wechseln zu Parthenogenese, wenn Partner knapp sind
2015 konnten Forscher in einer großen genetischen Untersuchung feststellen, dass Tiere zur Parthenogenese übergehen, wenn ihre Art stark bedroht ist. Dies konnten sie anhand von DNA-Untersuchungen an Sägefischen feststellen.
Zuvor war man noch davon ausgegangen, dass dieser Prozess bei Wirbeltieren selten bis gar nicht geschieht. Scheinbar verfügen die vom Aussterben bedrohten Sägefische jedoch über einen gängigen Mechanismus, damit sie gesunde Nachkommen auch ohne Männchen produzieren können. Ganze drei Prozent der untersuchten 190 Tiere war eindeutig durch eingeschlechtliche Fortpflanzung entstanden.
Insbesondere Hai- und Rochenarten sind stark bedroht. Experten schätzen, dass bereits 70 Prozent ihrer Populationen verschwunden sind (PETBOOK berichtete). Allerdings tritt besonders bei diesen Tieren auch häufig Parthenogenese auf. Sie könnte also ein Trick sein, dem Aussterben zu entgehen. Allerdings braucht man für diese Theorie noch weitere Beweise.6
Parthenogenese Krokodil zeugte Nachwuchs mit sich selbst – ganz ohne Männchen
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Bei welchen Tieren Parthenogenese die gängige Methode ist
Allerdings gibt es auch Tiere, bei denen die Parthenogenese der Regelfall ist und nicht auf das knappe Angebot an Sexualpartnern zurückzuführen ist, obwohl einige von ihnen mehrere Fortpflanzungsmöglichkeiten haben. Der treffend benannte Jungferngecko, der von Sri Lanka bis Neuseeland vorkommt, legt in der Regel parthenogenesisch entstandene Gelege. Allerdings gibt es in nahe verwandten Populationen auch Männchen, die sich zweigeschlechtlich fortpflanzen.
Bei Marmorkrebsen, Kronenschnecken und dem giftigsten Skorpion Brasiliens, dem Tityus serrulatus, ist die Parthenogenese die einzig nachgewiesene Fortpflanzungsmethode. Bei diesen Spezies gibt es gar keine Männchen.
Auch die Blumentopfschlange pflanzt sich so fort. Besonders bemerkenswert ist die vor allem in Südostasien sowie Indien vorkommende Schlange aber nicht nur deswegen. Denn sie hat keinen doppelten, sondern einen dreifachen Chromosomensatz. Dies ist auch bei der Marmorkröte der Fall, und sollte – nach allem was man bisher weiß – eigentlich zur Unfruchtbarkeit führen. Wie die Tiere sich mit diesem zusätzlichen genetischen Material immer wieder klonen, ist nur ein Aspekt dieses faszinierenden Phänomens, der noch weiter wissenschaftlich untersucht werden muss.7