22. April 2024, 18:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nicht nur Fische und Seevögel leiden am Plastikmüll, der die Meere verschmutzt. Auch Robben fallen immer öfter Netzen oder Angelschnüren aus Plastik zum Opfer, die sich häufig um den Hals der Tiere wickeln – mit tödlichen Folgen.
In vielen Ländern werden Robben vor allem wegen ihres Fells und Fleisches gejagt. Doch auch in unseren Breitengrad sorgen wir Menschen dafür, dass die Tiere qualvolle Tode sterben – durch Plastikmüll im Meer. Bereits 2020 konnte eine Studie aus den Niederlanden zeigen, dass Meeresmüll zum immer größeren Problem für die Tiere wird. So habe sich der Anteil an Seehunden (Phoca vitulina) und Kegelrobben (Halichoerus grypus) in niederländischen Gewässern, die sich in Plastikmüll verwickeln, in den letzten zehn Jahren mehr als vervierfacht.1 Vor allem Angelschnüre und -netze machen den Tieren zu schaffen – und das wahrscheinlich auch in hiesigen Gewässern.
Kegelrobben sind öfter betroffen
In über 80 Prozent der Fälle waren es Kegelrobben, die mit Plastikmüll umwickelt waren, heißt es in der Studie. Diese seien für ihr Spielverhalten bekannt und würden zudem in tieferen Gewässern auf Jagd gehen. Beides könne dazu führen, dass die Robben eher in die Nähe von Fischerbooten gelangen und dadurch mehr in Kontakt mit Plastikmüll aus Angelschnüren oder Fischernetzen kommen, vermuten die Autoren der Studie.
Vor allem junge Robben leiden unter Plastikmüll
Zudem fiel in den Ergebnissen der Studie auf, dass knapp 70 Prozent der betroffenen Individuen Jungtiere waren. Die Forscher vermuten, dass diese besonders neugierig sind und dazu neigen, sich weiter zum Jagen zu entfernen, um der Konkurrenz mit älteren Tieren aus dem Weg zu gehen. Das bringt sie vermehrt in die Nähe von Fischgründen. Auch in anderen Ländern wie Deutschland oder Irland sollen vermehrt junge Robben von Verwicklungen mit Angelschnüren und anderem Plastikmüll betroffen sein, schreiben die Forscher.
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Schnüre wickeln sich oft um den Hals der Tiere
In über 90 Prozent der Fälle wird der Plastikmüll zum Problem, weil er sich um die Körper der Robben oder Seehunde wickelt, wie die Forscher in ihrer Studie zeigen konnten. Vor allem die Halsregion sei betroffen. Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass dies auch daran liegen könnte, dass diese Stelle besonders gut sichtbar und daher in der Studie überrepräsentiert ist.
Doch auch eine Untersuchung belgischer Forscher belegt, dass ein hoher Anteil von gestrandeten Robben Verletzungen im Halsbereich zeigt. Auch hier handelte es sich vornehmlich um Kegelrobben und Seehunde. Die Forscher vermuten, dass sich die Tiere in Netzen verfangen haben und starben.2
Dabei ist das verheddern in Plastikmüll nichts zwangsläufig ein Todesurteil für die Robben. So könnte 30 Prozent der Tiere in der Regel schon vor Ort geholfen werden, wie die niederländische Studie aufzeigt. Weitere 30 Prozent würden nach einer Rehabilitation wieder freigelassen werden. Nur zehn Prozent der Tiere würden tot gefunden und knapp 8 Prozent starben in der Rehabilitation oder beim Transport.
Plastikmüll birgt unsichtbare Gefahr für Robben
In der Studie gab es weniger als fünf Prozent Robben und Seehunde, die Plastikmüll verschluckt hatten. Doch dies sei kein Hinweis darauf, dass Angelschnüre und Netze, die sich um die Tiere wickeln, das größte Problem seien, geben die Forscher zu bedenken.
Denn über die Zeit würde das Plastik durch die Einwirkung von Wellbewegung, Salzwasser und Sonnenlicht in Mikroplastik zerfallen. An diesen Partikeln würden sich oft bestimmte Giftstoffe anlagern. Reichert sich das belastete Mikroplastik im Körper von Tieren an, könnte dies Folgen wie hormonelle Störungen, Beeinträchtigung im Wachstum oder der Reproduktion haben, so die Forscher. Allerdings sei bisher unklar, wie sich Mikroplastik im Körper von Robben verhalte.
Auch in Deutschland gehen Bestände der Robben zurück
Auch wenn Seehunde oder Kegelrobben nicht zu den gefährdeten Arten zählen, hätten sich die Zahl der Seehunde im Wattenmeer im letzten Jahr zum dritten Mal in Folge deutlich verringert, wie die Deutsche Stiftung Meeresschutz in einer Pressemitteilung vom 3. November 2023 mitteilte. Dies sei der niedrigste Bestand seit 2010. 3
Die Zahlen umfassen das Wattenmeer in Deutschland (inklusive Helgoland), Dänemark und den Niederlanden, wobei der größte Verlust in Deutschland in Schleswig-Holstein verzeichnet wurde. Dort sank die Zahl von 8.384 im Vorjahr auf : 7.936 Tiere.
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Der Mensch als Hauptproblem
Ob das Schrumpfen der Population in direkter Verbindung mit dem Müll im Meer steht, ist noch nicht abschließend geklärt. Laut dem Biologen Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz kommen folgenden Ursachen für die sinkenden Zahlen infrage, wie er in einem Artikel des amerikanischen Magazins „National Geographics“ mitteilt: „Eingeschränkte Nahrungsressourcen oder Umweltgifte, welche die Tiere schädigen, sind sicher ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Zudem gibt es immer mehr Störungen durch zu viele Touristen (Übertourismus) und zumindest in Deutschland kein professionell aufgestelltes Meeressäuger-Management.“4
Fest steht, dass auch im Fall von Plastikmüll der Mensch die Hauptursache für den Tod vieler Robben ist. Wobei die Tiere hier weniger von Müll wie Plastiktüten oder Verpackungen betroffen sind. Es sind vor allem Rückstände aus der Fischerei wie Angelleinen oder Netze, die die Tiere das Leben kosten.