18. Juni 2024, 16:55 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Taucht man in den Amazonas ab, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gerade klein, dass man dort Anakondas, Kaimanen oder Sauron, dem Bösewicht aus „Herr der Ringe“ begegnet. Glauben Sie nicht? Dann „werfen sie mal ein Auge“ auf diesen vegetarisch lebenden nahen Verwandten der Piranhas.
Der Piranha genießt bei vielen Menschen keinen besonders guten Ruf – da hilft es dem Image auch nicht, dass eine neuentdeckte Art nach Sauron, dem Bösewicht aus J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ benannt wurde. Allerdings ist der Sauron aus einem Nebenfluss des Amazonas viel weniger kriegerisch als sein Namensgeber unterwegs. Er ernährt sich nicht einmal von Fleisch, sondern zieht eine leckere Frucht und andere pflanzliche Nahrung vor.
Sauron-Piranha lebte lange unentdeckt in Nebenflüssen
Der Amazonas zieht sich von den Anden einmal quer über den südamerikanischen Kontinent, bis er an der brasilianischen Küste in den Atlantik mündet. Auf rund 6400 Kilometern und in unzähligen Nebenflüssen leben so viele unterschiedliche, einzigartige Arten, dass Wissenschaftler mit dem Entdecken gar nicht hinterherkommen.
Ein Team aus Forschern um Valéria Machado von der Universität Federal do Amazonas hat daher in ihrer Forschungsarbeit gleich mehrere neue Arten beschrieben. Allerdings bekommt wohl keine so viel Aufmerksamkeit wie der Sauron-Piranha (Myloplus sauron), der im Rio Xingu, einem Nebenfluss des Amazonas in Brasilien entdeckt wurde.
Er unterscheidet sich für den Laien wohl nur wenig von anderen Myloplus-Arten. Erst bei genauer Betrachtung zeigten sich Unterschiede in den Strahlen und der Größe der Flossen. Außerdem zeige sich eine orangefarbene bis rötlich-orange Pigmentierung über die gesamte Länge, vor allem an den vorderen Flossenstrahlen. Im Gegensatz dazu habe der Sauron-Piranha eine auffällige dunkelrote bis schwarze Pigmentierung der gesamten Afterflosse.1
Wie der Sauron-Piranha zu seinem Namen kam
Nun dürften bei eingefleischten Fans des Fantasy-Epos bereits durch diese Beschreibung die Ohren klingeln. Ganz ähnlich erging es auch den Forschern im Amazonas-Gebiet. In der Studie heißt es zur Benennung des Fisches: „Der spezifische Name ‚sauron‘ spielt auf das Auge von Sauron aus J. R. R. Tolkiens ‚Der Herr der Ringe‘ an.“
Der elliptische Körper von Myloplus sauron, der mit einem vertikalen, schwarzen Balken versehen sei, der sich zu beiden Enden hin verjüngt, ähnele dem berühmten Auge mit den vertikalen Pupillen aus dem Roman.
Dass sich die Forscher wohl ziemlich einig bei der Benennung waren, verrät Dr. Rupert Collins vom National History Museum in London, der an der Beschreibung der Spezies beteiligt war. In der Pressemitteilung des Museums sagt er: „Als einer meiner Kollegen den Namen für diesen Fisch vorschlug, wussten wir sofort, dass er perfekt für ihn ist. Sein Muster sieht dem Auge von Sauron sehr ähnlich, vor allem mit den orangefarbenen Flecken auf seinem Körper.“
Unterschied zwischen Piranha und Pacu
Die Forscher mahnen in ihrer Arbeit jedoch auch, dass der Lebensraum des Amazonas-Gebiets noch immer nicht ausreichend erforscht wird. So zeigte sich erst im Februar 2024 erstmals, dass es zwei Spezies der grünen Anakonda gibt (PETBOOK berichtete).
Entsprechend spannend ist die Forschung in diesem Gebiet noch immer. Experten gehen davon aus, dass 40 bis 50 Prozent der Tierwelt dort noch nicht beschrieben sind und regelmäßig werden neue Arten des Dreifingerfaultiers oder die Tigerkatze entdeckt. Ein ähnliches Schicksal hatten lange auch der Piranha und seine nahen Verwandten. Denn eigentlich gehört der nun beschriebene Sauron-Piranha zu den nächsten Verwandten der Raubfische, die in Brasilien als Pacu bekannt sind. Die beiden auseinanderzuhalten, ist selbst für spezialisierte Forscher lange nicht einfach gewesen.
Erst moderne DNA-Sequenzierungen können mittlerweile zeigen, wie viele Arten der Familie der Sägesalmler im Amazonas-Raum wirklich leben. Dass es vegetarisch lebende Piranhas gibt, wurde allerdings bereits 1841 mit der Entdeckung des Myloplus schomburgkii beschrieben. Das Unterscheidungskriterium war damals vor allem das Gebiss. Denn im Gegensatz zu anderen Vertretern der Piranhas hat der Pacu Schneide- und Mahlzähne. Mit diesen ernährt sich von Wasserpflanzen sowie von Früchten und Nüssen, wenn sie in die Flüsse fallen. Der fleischfressende Piranha dagegen hat ausschließlich Reißzähne.
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„Ein Auge für die Artenvielfalt offen halten“
Somit erhält die Benennung des Sauron-Piranhas noch eine andere Bedeutung. Denn dass erst über 160 Jahre nach der ersten Beschreibung eines Myloplus herausgefunden wurde, dass es weitere Arten gibt, kann Folgen für die noch unbekannten Vertreter haben. „Angesichts der großen unbeschriebenen Artenvielfalt im Amazonas und den umliegenden Flüssen ist der Name auch eine gute Mahnung, nach unbeschriebenen Arten in Südamerika die ‚Augen offenzuhalten‘“, sagt Dr. Rupert Collins. Dabei spielt er wieder auf das „allsehende Auge“ des dunklen Herrschers aus J.R.R. Tolkiens Fantasy-Werk an.
Wie viele Fische, die auf fließende Gewässer angewiesen sind, könnte auch Myloplus sauron „durch die Veränderungen in seinem Lebensraum ernsthaft bedroht sein“, heißt es in der Studie. Denn im Rio Xingu wurde für ein großes Wasserkraftwerk der Flusslauf und die Strömung in Abschnitten verändert. Noch habe die Art jedoch eine weite Verbreitung im Einzugsgebiet. Zudem komme sie auch in Nebenflüssen vor, die weniger vom Belo-Monte-Staudamm betroffen seien.
Tiere nach bekannten Persönlichkeiten oder Charakteren zu benennen, hat in der Beschreibung neuer Arten eine lange Tradition. Auch der Sauron-Piranha nicht das erste Tier, das nach dem Bösewicht benannt wurde. Ein Dinosaurier trägt den Namen Sauroniops, in Neuguinea gibt es einen Baumfrosch namens Nyctimystes sauroni. Auch eine Schmetterlingsgattung, die aus den Arten Saurona triangula und Saurona aurigera besteht, trägt diesen Namen.