11. September 2024, 16:20 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Walexperten, Meeresbiologen und Tierschützer schlagen schon länger Alarm. So soll der menschengemachte Lärm in den Meeren verheerende Folgen für die Meeresbewohner haben. Eine Studie belegt nun, dass der Schiffslärm in den Meeren die Jagd der Orcas enorm stört. Was das für Folgen hat, erklärt PETBOOK.
Wer sich die Weltmeere als idyllischen Ort der Ruhe vorstellt, an dem man nur das Rauschen der Wellen und vielleicht ein paar singende Wale hört, der irrt gewaltig. So ist der Lärm unter Wasser mittlerweile ohrenbetäubend. Das kann auch Meeresbiologe Fabian Ritter von Whale and Dolphin Conservation (WDC) bestätigen. In einem Gespräch mit PETBOOK schildert der Experte: „Viele Wale leben an sehr stark befahrenen Schifffahrtsstraßen, wie etwa der Straße von Gibraltar. Da herrscht Unterwasserlärm, wie wenn man direkt neben einer Autobahn lebt.“
Unterwasserlärm setzt die Wale unter Stress
Das führe bei Walen oder Delfinen zu Stress und könne ganz ähnliche Reaktionen bei ihnen hervorrufen, wie bei uns Menschen: hohe Stresshormone und steigender Anfälligkeit für Krankheiten. Eine Studie von Forschenden der University of Washington und der National Oceanic and Atmospheric Administration hat sich nun genauer mit den Auswirkungen von Unterwasserlärm auf die Meeresbewohner beschäftigt und kommt zum Fazit, dass Schiffslärm Orca-Wale bei der Jagd enorm stört.
Dabei haben die Forschenden ihr Augenmerk auf die Salish Sea – die Binnenküstengewässer von Washington und British Columbia – gelegt. Dort sind nämlich zwei einzigartige Populationen fischfressender Schwertwale, der nördlich und der südlich ansässigen Orcas, beheimatet. Allerdings sind die Meeressäuger noch nicht mal im Wasser sicher vor uns Menschen.
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Orcas sind vom Aussterben bedroht
Orcas leiden zum einen unter der Verschmutzung der Weltmeere, den ersten Anzeichen des Klimawandels sowie der Verringerung der Lachsbestände, von denen sich die Wale unter unterem ernähren. Zwar ist der Bestand der nördlichen Orcas in der Salish Sea auf mehr als 300 Tiere angewachsen, doch die Population der südlichen Orcas stagniert mit etwa 75 Individuen. Daher gelten diese Wale nach wie vor vom Aussterben bedroht.
In einer Arbeit, die am 10. September in der Zeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht wurde, berichtet das Forschungsteam von der Lärmbelästigung unter Wasser – sowohl durch große als auch kleine Schiffe. Dieser Lärm zwinge die Orcas dazu, für die Jagd auf Fische mehr Zeit und Energie aufzuwenden, heißt es. Demnach mindere der Lärm den Gesamterfolg ihrer Jagdbemühungen. Dabei sei wahrscheinlich besonders die Gruppe der südlichen Orcas betroffen, da diese sich häufiger in Teilen der Salish Sea aufhalte, in denen viel Schiffsverkehr herrscht.1
»Schiffslärm wirkt sich negativ auf jeden Schritt im Jagdverhalten aus
So erklärt Hauptautorin Jennifer Tennessen vom UW Center for Ecosystem Sentinels: „Schiffslärm wirkt sich negativ auf jeden Schritt im Jagdverhalten der nördlichen und südlichen Orcas aus: von der Suche über die Verfolgung bis hin zum Fang der Beute.“ Möglicherweise könne hier ein Zusammenhang liegen, weshalb sich der Bestand der südlichen Orcas nicht erholt hat.
„Ein Faktor, der ihre Erholung behindert, ist die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit ihrer bevorzugten Beute: Lachs. Wenn man Lärm verursacht, wird es noch schwieriger, Beute zu finden und zu fangen, die ohnehin schon schwer zu finden ist“, heißt es dazu in der Studie.
Denn was es zu bedenken gibt: Orcas suchen mithilfe von Echoortung nach Nahrung. Dabei senden die Tiere kurze Klicklaute durch das Wasser, welche von anderen Objekten zurückgeworfen werden. Diese Signale kehren dann als Echos zu den Orcas zurück, die daraus Informationen über die Art der Beute, ihre Größe sowie ihren Standort enthalten. So können Orcas, wenn sie dann Lachse entdecken, so ein komplexes Verfolgungs- und Fangverfahren einleiten. Dabei setzen die Jäger auf eine verstärkte Echoortung und tiefe Tauchgänge, um so zu versuchen, die Fische zu fangen.
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Lärm betrifft Weibchen mehr als Männchen
Wie man sich also denken kann, erschwert ein konstanter Dauerlärm die Wale bei der Echoortung und wirkt auch nicht gerade anziehend für die Beutetiere. Um diese These zu belegen, analysierten die Forschenden die Bewegungen der nördlichen und südlichen Orcas mithilfe von digitalen Tags, die in etwa die Größe eines Mobiltelefons haben. Diese wurden mit Saugnäpfen unter der Rückenflosse der Orcas befestigt und konnten so wichtige Daten wie Körperbewegungen, Position, Tiefe sowie den Schallpegel am Standort der Wale erfassen.
Konkret analysierten die Forscher Daten von 25 Dtags, die zwischen den Jahren 2009 und 2014 an einigen Tagen für mehrere Stunden an Orcas angebracht wurden. Dabei konnten die Wissenschaftler sehen, dass Schiffsgeräusche – insbesondere von Schiffsschrauben – den Geräuschpegel im Wasser erhöhen. Dabei beeinträchtige der Lärm die Wale in ihrer Fähigkeit, Informationen über ihre Beutetiere zu übermitteln, hören und zu interpretieren.
So konnte das Team auch beobachten, dass sich der Lärm unverhältnismäßig negativ auf die Weibchen auswirkte. Diese verfolgten seltener Beutetiere, welche sie während des Lärms entdeckt hatten. Den genauen Grund konnten die Aufzeichnungen der D-Tags nicht liefern.