5. November 2024, 16:00 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Spätestens seit 2006 der bekannte Tierfilmer Steve Irwin von einem Stachelrochen tödlich verletzt wurde, weiß man um die Gefährlichkeit dieser Tiere. Die Knorpelfische kommen auch im Mittelmeer vor und viele fragen sich, wie wahrscheinlich es ist, einem zu begegnen und wie groß die Gefahr tatsächlich ist, die von Stachelrochen ausgeht. PETBOOK-Redakteurin und Biologin Saskia Schneider hat nachgeforscht.
Stachelrochen scheinen auf Menschen eine besondere Faszination auszuüben. Das liegt unter anderem an ihrem ungewöhnlichen flachen Körperbau. Dieser lässt die Fische nicht nur wie schwimmende Pfannkuchen aussehen. Ihr Maul, das sich auf der Unterseite befindet, wirkt, als würden die Tiere immer lächeln. Kein Wunder, dass sich ihnen viele Taucher nähern und Fotos mit besonders großen Exemplaren machen. Doch, sind Stachelrochen nicht auch gefährlich?
Stachelrochenstiche sind relativ häufig
Erst vergangenes Jahr ging der Fall der US-Amerikanerin Kristie O’Brien durch die Presse, die am Apollo Beach im US-Bundesstaat Florida von einem Rochen gestochen wurde. Der Stachel des Tieres hatte sich in ihren Rücken gebohrt und die Lunge nur knapp verfehlt, wie unter anderem die BILD berichtete.
Für weltweites Aufsehen sorgte 2006 der Tod des bekannten Tierfilmers Steve Irwin, der bei Dreharbeiten von einem Stachelrochen direkt ins Herz gestochen wurde und daraufhin starb. Irwin war vor allem durch seine Serie „Crocodile Hunter“ bekannt, in der er oft Kontakt zu gefährlichen oder giftigen Tieren hatte. Sein Spezialgebiet als Herpetologe waren allerdings Amphibien und Reptilien. 1
Tatsächlich sind Stachelrochenstiche nichts Ungewöhnliches. In den USA etwa kommt es relativ häufig dazu. Dort landen jährlich etwa 1500 Menschen nach Stichen der Tiere in einer Notaufnahme. Damit sind Stachelrochen dort die häufigste Ursache für Verletzungen durch giftige Meerestiere.
Stachelrochen ist nicht gleich Stachelrochen
Der Begriff Stachelrochen meint nicht etwa eine, sondern ganze 70 Arten, die alle unter Stech- oder Stachelrochen (Dasyatidae) zusammengefasst werden. Das Besondere ist, dass ihr Skelett wie bei den Haien aus Knorpeln besteht. Auch besitzen sie keine Schuppen, wie die meisten anderen Fische. Ihre Haut ist stattdessen mit vielen kleinen Zähnchen bedeckt. Diese helfen ihnen, besonders mühelos und schnell durch das Wasser zu gleiten.
Der Körper der Fische ist, je nach Art, mehr oder weniger abgeflacht und oval. Dabei befinden sich die Augen auf der Oberseite, Kiemen und Maul liegen auf der Unterseite des Körpers. Sie sind also perfekt auf das Leben am Meeresgrund angepasst. Dabei leben einige Arten in Tiefen von bis zu dreißig Metern, während andere sich im küstennahen Flachwasser aufhalten.
Sind Stachelrochen giftig?
Alle Stachelrochen haben einen Schwanzstachel, der in der Regel auch ein Gift enthält. Dieser ist teilweise mit Widerhaken besetzt. Dringt er in sein Opfer ein, bleibt er hängen und kann nicht so leicht entfernt werden – ähnlich wie beim Bienenstachel. Allerdings wird das Gift hier nicht durch einen Hohlraum injiziert. Vielmehr umhüllt es den Stachel.
Ihren Schwanzstachel setzen die Rochen allerdings nicht zur Jagd auf Beute ein. Diese besteht vornehmlich aus kleinen Meerestieren wie Krebsen, Fischen, Schnecken, Muscheln und Würmern. Er dient hauptsächlich der Verteidigung und wird bei Gefahr nach vorn über den Körper geschlagen.
Je nach Art kann das Gift starke Schmerzen, Schwellungen und manchmal auch systemische Reaktionen wie Übelkeit, Erbrechen und Schwäche verursachen. Ein Gegengift gibt es nicht. Allerdings ist die Wirkung auf Menschen nicht lebensgefährlich. Doch wie bei allen giftigen Tieren können Stachelrochen durchaus für Allergiker gefährlich sein, wenn es etwa zu einem anaphylaktischen Schock kommt. 2
Was passiert bei einem Stich?
Das Gefährliche an einem Stachelrochenstich ist nicht das Gift, sondern die mechanische Verletzung, die dabei entsteht. Je nach Größe der Art können die Tiere mit ihrem Stachel tiefe Wunden verursachen, die stark bluten.
Dazu kommt das Risiko einer bakteriellen Infektion. Durch den tiefen Stichkanal und die relativ kleine Wundöffnung gelangen Bakterien tief ins Gewebe – ähnlich wie bei einem Katzenbiss. Vermehren diese sich hier stark, kann es zu schweren Infektionen bis hin zur Sepsis kommen.
Wie gefährlich sind Stachelrochen für Menschen?
Auch wenn die meisten Wunden bedrohlich aussehen und starke Schmerzen verursachen, sind sie selten tödlich. Die meisten Stiche geschehen durch Unfälle beim Schwimmen oder Baden im Meer. Denn um sich zu tarnen, vergraben sich Stachelrochen gern im Sand, was es schwierig macht, sie zu sehen. So passiert es häufig, dass Menschen unbeabsichtigt auf die Fische treten, weshalb in den meisten Fällen die Füße oder Unterschenkel von Stichen betroffen sind.
Wirklich gefährlich wird es erst, wenn ein Stachelrochenstich den Bauch- oder Brustbereich verletzt. Je nach Art bzw. Größe des Tieres kann dies auch schon mal tödlich enden. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies beim Baden oder Schwimmen im Meer geschieht, ist allerdings extrem gering. Die Tiere sind im Allgemeinen scheu und Menschen gegenüber nicht aggressiv – vorausgesetzt, man bedrängt sie nicht.
Anders sieht es für Menschen aus, die regelmäßig im Wasser sind – beispielsweise Surfer und Taucher. Aber auch Fischer haben ein erhöhtes Risiko, von einem Stachelrochen verletzt zu werden, wenn sie Stachelrochen vom Haken oder aus Netzen entfernen.
Welche Stachelrochen sind gefährlich?
Nicht alle Stachelrochenarten haben giftige Stachel. Doch gerade die Arten der Gattungen Dasyatis und Urolophus, die in Küstennähe und flachen Gewässern leben, besitzen häufig auch Gift.
Allein durch seine Größe von bis zu 2,5 Metern ist der Gewöhnliche Stechrochen (Dasyatis pastinaca) für Menschen gefährlich. Er lebt an europäischen Küsten von den britischen Inseln bis ins Mittelmeer, ist allerdings nachtaktiv. Sticht ein solches Exemplar zu, kann es zu ernsthaften Verletzungen kommen, denn der Stachel kann bis zu 35 Zentimeter lang sein. 3
Potenziell gefährlich, wenn auch nicht im europäischen Raum vorkommend, ist der Riesenstechrochen Dasyatis gigantea. Er kommt von der südafrikanischen Ostküste bis Australien vor. Mit einem Scheibendurchmesser von bis zu zwei Metern sollen Exemplare dieser Art sogar in der Lage sein, mit ihrem Stachel die Planken eines Holzbootes zu durchbohren.
Es sind also vor allem die großen Stachelrochen, die für Menschen gefährlich werden können. Auch wenn ein Stich extrem schmerzhaft ist und tiefe Wunden verursacht, besteht für gesunde Menschen keine echte Gefahr durch die Tiere.
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Stachelrochen sind gefährdet statt gefährlich
Eher könnte man das Gegenteil behaupten: Menschen sind gefährlich für Stachelrochen, denn sie werden häufig gefangen und gegessen. Mit Folgen für das marine Ökosystem. In der Nahrungskette spielen die Knorpelfische nämlich eine wichtige Rolle, da sie auf ihrer Suche nach Nahrung den Meeresboden umgraben und so zur Gesundheit des Ökosystems beitragen.
Doch in den vergangenen Jahrzehnten sind die Populationen stark zurückgegangen. Das liegt vor allem daran, dass einige der teuersten Produkte auf Fischmärkten von Rochen stammen. Der Fang der Tiere ist also recht lukrativ, führt aber dazu, dass knapp 20 Prozent der bekannten Rochenarten bereits auf der Roten Liste stehen.
Man sagt daher auch, Rochen seien die „vergessenen Haie“, denn vor allem bei den urtümlichen, haiähnlichen Sägerochen und Geigenrochen sind die Bestände drastisch gesunken. Letztere gehören sogar zu den weltweit am stärksten vom Aussterben bedrohten Knorpelfischen. Man vermutet daher auch, dass einige Arten bereits unbemerkt ausgestorben sind. 4