18. Januar 2023, 5:56 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Videoaufnahmen aus den nördlichen Japanischen Alpen zeigen erstmals, wie Schneeaffen im Winter aktiv Jagd auf Fische in fließenden Gewässern machen, um sie zu fressen. Dieses Verhalten wurde bei den Japanmakaken bislang nicht dokumentiert, sondern in der Vergangenheit nur vermutet. Bei den Forschern wirft diese für die Tiere ungewöhnliche Art der Nahrungsbeschaffung Fragen zu ihrer Entstehung und weiteren Entwicklung auf.
Japanmakaken sind in den Japanischen Alpen in Höhen von 1500 bis 1600 Metern heimisch. Damit haben sie unter den nichtmenschlichen Primaten das nördlichste Verbreitungsgebiet. Die auch als Schneeaffen bezeichneten Tiere sind im Winter einem drastischen Nahrungsmangel ausgesetzt. Kürzlich veröffentlichte Videoaufnahmen einer Studie japanischer Wissenschaftler dokumentieren nun erstmals eine bisher nur vermutete Art der Nahrungsbeschaffung: Die Makaken fangen während der Wintermonate aktiv Fische in fließenden Gewässern. Dieses Verhalten ist für Affen sehr untypisch und wurde nur bei wenigen Arten beobachtet. So konnten Forschende der Universität Zürich in ihrer Studie 2019 zum ersten Mal zeigen, dass Schimpansen auch Krabben fressen. Damit brachten sie erstmals den Beweis, dass nichtmenschliche Affen regelmäßig im Wasser vorkommende Lebewesen fischen und fressen. Jetzt wurde dieses Verhalten auch bei den Schneeaffen beobachtet. Aber wie hat es sich entwickelt?
Übersicht
Japanmakaken ernähren sich von Pflanzen und Insekten
Als Allesfresser ernähren sich Schneeaffen von Pflanzen und Insekten, während der wärmeren Monate auch von Früchten. Ihr Lebensraum wird während der Wintermonate zu einer der kältesten und härtesten Landschaften der Erde. Dem einsetzenden Nahrungsmangel entgehen sie jedoch weder, indem sie Winterschlaf halten, noch sind bei ihnen saisonale Wanderungen in mildere Zonen bekannt. In der Präfektur Nagano leben Japanmakaken ganzjährig in einem abgelegenen, bergigen Hochlandtal der Japanischen Alpen, genannt Kamikochi.
Daher beschränkt sich ihr Nahrungsangebot dort im Winter vor allem auf Rinden und Zweigen, die aus der Schneedecke herausragen. Das ist aber nicht die einzige Nahrungsquelle. So fließen auch kleine Gewässer durch das Hochlandtal, die von Grundwasserquellen und aus aktiven Vulkanen gespeist werden. Dadurch haben sie das ganze Jahr über eine stabile Wassertemperatur von fünf bis sechs Grad Celsius. Sie enthalten Wasserpflanzen sowie Kaltwasser-Fische, die im Winter eine ideale Nahrung darstellen, da sie Proteine und Fett enthalten. Das scheinen die Affen für sich entdeckt zu haben.
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Bisher konnten die Forscher nur vermuten, dass die Japanmakaken Fische fangen können. So wiesen Kotproben der Tiere Bestandteile von Süßwasserlebewesen auf – darunter Wasserinsekten und Bachforellen, wie eine vorangegangene Studie zeigte. Dies war jedoch noch kein ausreichender Beweis dafür, dass die Affen die Fische auch selbst aus dem Wasser geholt hatten.
Videoaufnahmen lieferten den Beweis, dass Japanmakaken fischen
Die Videoaufnahmen der Forscher zeigen nun erstmals, dass Schneeaffen in Kamikochi die fließenden Gewässer gleichzeitig als Wasser- und Nahrungsquelle nutzen. Es ist die erste Dokumentation, dass Makaken aktiv Fische fangen. Insgesamt beobachteten die Wissenschaftler im Rahmen der Studie 200 Schneeaffen in vier verschiedenen Gruppen. Ihr Verhalten nahmen sie sowohl bei Tageslicht als auch nachts mit Infrarot-Sensorkameras auf.
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Die Affen nutzen verschiedene Techniken beim Fischen
Dabei beobachteten die Forscher um Masaki Takenaka, dass die Makaken verschiedene Techniken einsetzen, um Fische zu fangen. Dafür drehten sie zum einen auf der Suche nach Fischen systematisch Steine in den Gewässern um, beschreiben die Forscher in ihren Ergebnissen der Studie. Fanden die Schneeaffen einen Fisch, trieben sie diesen in flacheres Wasser. Dort fixierten sie ihre Beute mit beiden Händen, um sie anschließend mit dem Maul zu greifen. Ebenso sollen die Affen auf das Plätschern der Fische reagiert haben. Die Videoaufnahmen zeigen, wie sie sich im flachen Wasser auf beiden Hinterbeinen aufstellten, um nach Fischen zu suchen.
Allerdings fangen nicht alle Makaken in Japan Fische. Zudem stellten die Forscher fest, dass manche Schneeaffen die Fische im Wasser ignorierten und nicht fraßen.
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Wie entwickelte sich das Verhalten der Affen?
Die Forscher vermuten, dass sich das Fischen der Japanmakaken aus dem Fang- und Fressverhalten bei der Jagd nach Insekten entwickelt hat. Neben den aus der Schneedecke herausragenden Pflanzen finden sich Insekten auch an den Wasserpflanzen der kleinen Fließgewässer. So könnte es im Laufe der Zeit dazu gekommen sein, dass die Japanmakaken bei ihrer Jagd nach Insekten begannen, auch die Fische in den Gewässern als Mahlzeit zu entdecken.
In einer Mitteilung der Shinsu-Universität erklärt Masaki Takenaka: „Die Videoanalyse hat auch gezeigt, dass die Aufmerksamkeit der Tiere während dieser Verhaltensweisen auf den Fisch gelenkt wird, wenn dieser in der Nähe ist. Wir haben diese Verhaltensabfolge als eine Voranpassung an das Fressen der Fische interpretiert und angenommen, dass sich dieses Fressverhalten über diese verschiedenen Stufen entwickelt hat.“
Nun möchten die japanischen Wissenschaftler herausfinden, ob und wie die Affen das Fischen innerhalb der Gruppe weitergegeben. So könnten nachfolgende Generationen das Fischen der älteren durch Beobachtung nachahmen, oder gezielt von Familienmitgliedern beigebracht bekommen. Co-Autor Koji Tojo stellt in der Mitteilung der Shinsu-Universität zudem die Theorie auf, dass das Fischen der Japanmakaken genetisch bedingt sein könnte.