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Klärende Algenpackung

Werkzeuggebrauch beim Wal-Wellness – auch Orcas nutzen Kelp zur Körperpflege

Ein Wal schwimmt mit einer Alge, die er scheinbar als Peeling benutzt, durch das Wasser
Viele Wale spielen gern mit Seetang und Algen. Studien haben herausgefunden, dass dies wohl auch wie ein Peeling die Haut der Meeressäuger pflegt – und der sozialen Interaktion dient Foto: Getty Images / FPLV
Louisa Stoeffler
Redakteurin

24. Juni 2025, 12:38 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Manche Tiere investieren viel Zeit in die Haut- und Fellpflege. Katzen putzen sich, Affen nutzen das Lausen als soziale Interaktion und Vögel bürsten regelmäßig das Federkleid zurecht. Dass aber auch Wale Hautpflege betreiben, war lange unbekannt. Forscher fanden dies nun anhand von Videos und Fotos heraus.

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Viele Tiere haben sich die Benutzung von Werkzeugen angeeignet. Dieses Verhalten ist vor allem bei Affen und verschiedenen Papageienvögeln gut dokumentiert. Dass auch verschiedene Bartenwale und auch Orcas vergleichbares Verhalten an den Tag legen, war bisher weniger bekannt. So benutzen verschiedenste Wale wohl Seetang, um sich regelmäßigen Schönheitsbehandlungen zu unterziehen – sie verpassen sich ein regelrechtes Peeling mit Algen. Dafür schwimmen Buckelwale viele tausend Kilometer, um die richtigen Pflanzen zu finden – und Orcas stellen dafür „Bürsten“ aus Seetang her.

Studien zeigen, wie Meeressäuger sich Algenpackungen verpassen

Dass Wale mit Algen und Seetang spielen, wusste man bereits. Jedoch scheinen sie mit dem Spiel nicht nur ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten zu schulen, sondern nutzen ihre Spielzeiten auch für die Hautpflege. Forscher der Griffiths Universität in Australien konnten anhand von Drohnenaufnahmen verschiedener Wale bereits 2023 nachweisen, dass die Tiere bestimmte Algen auch für Peelings einsetzten. Dieses auch als „Kelping“ bezeichnete Verhalten wurde zuvor schon bei Buckelwalen beobachtet.

Dabei spielen die Tiere mit großen Seetangknäulen und reiben sich an ihnen. Dies tun sie manchmal über eine Stunde lang. Doch auch andere Wale benutzen Tang und Algen als Peeling. Das Verhalten ist bei Grauwalen sowie dem südlichen und dem nördlichen Glattwal belegt. Letzterer hat übrigens noch eine andere Besonderheit, über die Sie mehr in diesem Artikel erfahren können: Dieses Tier hat die schwersten Hoden der Welt.

Zuletzt wurde das Verhalten auch bei Schwertwalen, ebenfalls als Orcas bekannt, belegt. Denn sie sind nicht nur geschickte Jäger, sondern offenbar auch raffinierte „Wellness“-Partner. Forscher haben nun erstmals dokumentiert, dass diese Meeressäuger gezielt Werkzeuge herstellen und nutzen – nicht zur Nahrungssuche, sondern zur gegenseitigen Hautpflege. Eine Studie zeigt: In der Salish Sea fertigen Orcas Stücke aus Seetang an, um einander zu „bürsten“.

Orcas praktizieren „Allokelping“

Eine Forschungsgruppe um Michael N. Weiss vom Center for Whale Research und der University of Exeter hat erstmals dokumentiert, dass wildlebende Schwertwale Werkzeuge herstellen und verwenden – und zwar zur sozialen Körperpflege. Die Beobachtungen stammen aus dem Frühjahr und Sommer 2024 und wurden in der Fachzeitschrift „Current Biology“ am 23. Juni 2025 veröffentlicht.

Mit Drohnen filmten die Forscher das Verhalten südlicher residenter Schwertwale (Orcinus orca ater) in der zentralen Salish Sea vor der Pazifikküste Nordamerikas. Dabei entdeckten sie ein neuartiges, komplexes Sozialverhalten, das sie „Allokelping“ tauften – eine kooperative Anwendung von Seetang zur Hautpflege zweier Wale gleichzeitig. „Allogrooming“ ist bei vielen Säugetieren belegt und stellt ein wichtiges Sozialverhalten beim gegenseitigen Putzen dar.

Die Forscher beurteilen dies auch als Werkzeuggebrauch der Orcas. Dieser ist ebenfalls in der Tierwelt weitverbreitet – im marinen Bereich hingegen gelten solche Verhaltensweisen als selten, vor allem bei Walen. Bisher beschränkten sich bekannte Beispiele auf das gezielte Einsetzen von Hilfsmitteln zur Nahrungssuche – etwa Schwämme bei Tümmlern. Dass Meeressäuger Werkzeuge gezielt herstellen, war bislang nicht belegt.

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Wale produzieren Wellness-Werkzeuge für ein Peeling

Zwischen dem 10. April und dem 27. Juli 2024 filmten die Forscher mit 30 Episoden von „Allokelping“, bei der mindestens zwei Wale zur Körperpflege kooperativ Seetang nutzten. Besonders im Fokus stand die Herstellung kurzer Kelpstücke durch gezieltes Abtrennen mit den Zähnen. Die Stängel des Bull-Kelps (Nereocystis luetkeana) wurden gezielt abgebissen, um diese gemeinsam mit einem Artgenossen über ihre Körper zu rollen – mit dem Ziel, lose Hautschuppen zu entfernen.

Die Analyse zeigte, dass Allokelping häufiger zwischen nah verwandten Tieren und zwischen gleichaltrigen Individuen auftritt. Es gab zudem Hinweise auf eine Korrelation zwischen Allokelping und einem höheren Maß an Hauterneuerung. Das Verhalten ist hochstrukturiert und zeigt keine Merkmale von Spielverhalten.

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Die dokumentierten Verhaltensweisen wurden über mehrere Tage hinweg bei unterschiedlichen Individuen und Familienlinien (Matrilien) innerhalb der drei bekannten Schwertwal-Gruppen (J-, K- und L-Pod) beobachtet. Zusätzlich analysierten die Forschenden die sozialen Beziehungen, das Alter und den Zustand der Haut (insbesondere den Grad des Hautwechsels) der beobachteten Tiere, um Rückschlüsse auf die Funktion des Verhaltens zu ziehen.

Manche Wale schwimmen tausende Kilometer für ein Algenpeeling

Diese Beobachtungen erweitern das Verständnis von Werkzeuggebrauch im Tierreich erheblich. Es ist die erste dokumentierte Nutzung hergestellter Werkzeuge bei Orcas außerhalb des Nahrungskontexts – und zugleich die erste bekannte Form von Werkzeuggebrauch, bei der zwei Individuen gleichzeitig profitieren. Zudem nutzen die Tiere ihre Körpermitte (nicht Flossen oder Schnauze), um das Werkzeug zu führen – ein bisher nicht beschriebenes Prinzip.

Sollte sich der funktionale Nutzen für die Hautpflege bestätigen, wäre dies ein einzigartiges Beispiel für sozial motivierten Werkzeuggebrauch bei Meeressäugern. Darüber hinaus weist das Allokelping bei Orcas kulturelle Eigenschaften auf, die speziell bei dieser Population aufgetreten sein könnten – ein weiteres Indiz für kulturelle Vielfalt im Tierreich.

Dass auch verschiedene Bartenwale vergleichbares Verhalten an den Tag legen, war bis 2023 weniger bekannt. Bis ein Forschungsteam der Griffith University in Australien, bestehend aus Jan-Olaf Meynecke und Hilla Kela, dies systematisch dokumentierte. Die Wissenschaftler zeigten, wie Buckelwale (Megaptera novaeangliae) gezielt mit Meeresalgen interagieren. Ihre Studie mit dem Titel „What’s at Play: Humpback Whale Interaction with Seaweed Is a Global Phenomenon“ wurde im „Journal of Marine Science and Engineering“ (September 2023) veröffentlicht.

Die Forscher analysierten dabei sowohl eigene Drohnenvideos als auch über 100 Social-Media-Beiträge mit Foto- und Videomaterial. Sie wollten herausfinden, wie verbreitet diese Interaktionen sind und ob sie bestimmte Muster aufweisen – und was dieses Verhalten möglicherweise für die Tiere bedeutet.

Buckelwale haben einen erhöhten Peeling-Bedarf

So benutzen verschiedenste Wale wohl Seetang, um sich regelmäßigen Schönheitsbehandlungen zu unterziehen – sie verpassen sich ein regelrechtes Peeling mit Algen. Dafür schwimmen die Meeressäuger sogar viele tausend Kilometer, um die richtigen Pflanzen zu finden.

Das auch bei vielen anderen Meeressäugern beobachtete Kelping – also das gezielte Reiben oder Rollen in Meeresalgen – könnte auch weiteren Arten laut bisherigen Hypothesen sensorische Stimulation bieten, soziale Funktionen erfüllen oder eben der Hautpflege dienen.

Besonders Buckelwale tragen oft Parasiten wie Seepocken oder Wal-Läuse, vor allem an empfindlichen Stellen wie dem Rostrum (Schnauze), den Flossen und der Fluke. Gleichzeitig enthalten die genutzten Braunalgen bioaktive Stoffe mit antibakteriellen Eigenschaften, die potenziell zur Hautgesundheit beitragen könnten. Die Nutzung von Social Media als Datenquelle erlaubt nun erstmals eine globale Betrachtung dieses ungewöhnlichen Verhaltens.

Kelping auch bei Buckelwalen sehr verbreitet

Wahrscheinlich leiden Buckelwale verstärkt unter diesem Phänomen, weil sie sehr weite Wege zurücklegen. So wechseln die Tiere häufiger als andere zwischen arktischen und tropischen Gewässern, was Bakterienwachstum und Virenbefall begünstigt. So wurden auch die meisten Interaktionen der Tiere außerhalb der tropischen Zonen der Meere registriert. Dies legt nahe, dass Buckelwale wohl viele tausend Kilometer an einen kühleren Ort schwimmen, um ihre Schönheitsbehandlung durchzuführen.

Bei den beobachteten Tieren handelte es sich größtenteils um erwachsene, gesunde Wale. Manchmal waren sie allein, manchmal auch in einer Gruppe unterwegs. Die Ergebnisse zeigen: Das Kelping ist kein Einzelfall, sondern ein weltweit verbreitetes Verhalten unter Buckelwalen. Die Interaktionen wurden auf beiden Hemisphären dokumentiert, mit Schwerpunkt in Kanada, den USA und Australien.

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Sind Algen nicht nur Peeling, sondern auch Medizin für Wale?

Videos zeigten, wie Wale aktiv Algen aufnahmen, sich darin wälzten oder sie mit Flossen und Schnauze bewegten. Einige Wale nahmen Algen sogar ins Maul, spuckten sie aber wieder aus – häufig begleitet von Blasenausstoß. Besonders auffällig war, dass die Tiere gezielt auf die Algen zusteuerten, mit wiederholten Bewegungen über Minuten hinweg. Die Beobachtungen legten nahe, dass das Verhalten absichtlich und nicht zufällig erfolgt – sowohl allein als auch in Gruppen.

Bei der Untersuchung konnten sie feststellen, dass Wale verschiedene Areale ihres Körpers über einen längeren Zeitraum an Algen reiben, die häufig besonders von Bakterien befallen sind. Besonders häufig kam dabei der Oberkiefer der Tiere in Kontakt mit den Algen. Aber auch in den Bereichen der seitlichen, sowie der Rücken- und der Schwanzflosse fanden häufige Interaktionen mit Seetang statt.

Entsprechend nutzen die Wale die Algen wohl nicht nur aus kosmetischen Zwecken und für ihre Hauterneuerung, sondern auch, um die beanspruchte Haut lange gesund zu halten und sie zu reinigen. Aber auch kleinere Wunden könnten mithilfe der Alge gesäubert und desinfiziert werden. Ob diese Algennutzung der Meeressäuger jedoch auch als „Medizingebrauch“ gewertet werden kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Themen Meerestiere Neues aus Wissenschaft und Forschung Wale

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