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Raffinierter Selbstschutz

Warum giftige Tiere sich nicht selbst vergiften

Pfeilgiftfrösche, hier die Art Schrecklicher Pfeilgiftfrosch, produzieren ihr Gift nicht selbst, sondern fressen andere Gifttiere
Pfeilgiftfrösche, hier die Art Schrecklicher Pfeilgiftfrosch, produzieren ihr Gift nicht selbst, sondern fressen andere Gifttiere Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

11. August 2023, 16:20 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Einige Schlangen, Frösche und sogar Vögel haben eins gemeinsam – sie sind giftig. Damit verteidigen sie sich vor allem vor Raubtieren, lähmen oder töten aber auch ihre eigene Beute. Doch warum kann ihnen ihre eigene Waffe nicht zum Verhängnis werden und diese Tiere vergiften sich selbst? Dieser Frage geht PETBOOK nach.

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Giftschlangen lähmen oder töten, indem sie mit ihren Zähnen Gift tief in den Organismus ihrer Beute injizieren. Giftfrösche, wie der sogenannte Schreckliche Pfeilgiftfrosch geben über ihre Haut ein starkes Nervengift ab, während Gefieder, Muskeln und Haut eines Vogels, dem Zweifarbenpirol, Gift enthalten. Besonders bei Tieren, die ihr Gift nicht selbst produzieren, stellt sich eine wichtige Frage: Wie kann es sein, dass sich diese toxischen Tiere nicht selbst vergiften? PETBOOK erklärt, was dahintersteckt und was die Wissenschaft bislang weiß.

Der Pfeilgiftfrosch ist eines der giftigsten Tiere der Welt

Pfeilgiftfrösche, auch als Baumsteigerfrösche bezeichnet, sind im Regenwald Süd- und Mittelamerikas verbreitet. Aufgrund ihrer leuchtenden Farben, die neben Blau, Grün, Gelb oder Rot die unterschiedlichsten Abstufungen enthalten, signalisieren diese Froscharten Raubtieren bereits, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist. Denn aufgrund eines Nervengifts, das sie über ihre Haut absondern, gehören sie zu den giftigsten Tieren der Welt. Ihr Gift ist 200 Mal wirkungsvoller als Morphium. Gelangt es in die Blutbahn von Tieren – und Menschen – kann das tödlich enden. Denn Muskulatur und Atmung werden innerhalb weniger Minuten gelähmt. Ein einziger Schrecklicher Pfeilgiftfrosch kann mit seinem Gift zehn erwachsene Menschen töten.

Ihre Bezeichnung als Pfeilgiftfrösche haben die Tiere, von denen es etwa 170 Arten gibt, aus gutem Grund. Indigene Kolumbiens und Panamas nutzen das giftige Hautsekret als Pfeilgift, mit dem sie Blasrohrpfeile bestücken. Manche der farbenfrohen Frösche geben über ihre Hautdrüsen besonders viel Gift ab. Es reicht dann das Streichen eines Pfeiles über den Rücken eines lebenden Tieres aus, um diesen zur tödlichen Waffe zu machen.

Die Frösche werden jedoch nicht als Gift produzierende Amphibien geboren. Hält man sie im Terrarium verlieren sie sogar ihre tödlichen Eigenschaften. Nachzuchten sind vollkommen giftfrei, außer ihr Futter wird erneut mit Giftstoffe angereichert. In der Natur nehmen Pfeilgiftfrösche giftige Chemikalien von Insekten und anderen Gliederfüßern, wie Ameisen, Milben und Tausendfüßlern, auf und speichern dieses.

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Regenwald-Vogel mit giftiger Haut, Muskulatur und Federn

Haut, Muskulatur und Federn des Zweifarbenpirols, ein Vogel, der im Regenwald Papua-Neuguineas lebt, enthalten das gleiche Gift, wie das vom Pfeilspitzenfrosch abgesonderte Sekret. Diese Eigenschaft des kleinen Vogels mit leuchtend orange-schwarzem Gefieder wurde erst vor etwa 33 Jahren entdeckt. Kleinste Verletzungen der menschlichen Haut reichen aus und schon verursacht eine Berührung der Federn ein Taubheitsgefühl und brennenden Schmerz. Mit seinem Gift schützt sich der auch als Zweifarbenpitohui bekannte Vogel vor Feinden. Zu einer für den Menschen gefährlich Vergiftung kann es nur kommen, würden große Mengen Vogelfleisch verzehrt.

Ähnlich wie die Pfeilgiftfrösche nimmt auch der Zweifarbenpirol das zur Verteidigung dienende Gift über seine Nahrung auf. Dazu frisst der Vogel gezielt eine bestimmte, giftige Käferart. Je mehr der Regenwald-Vogel davon frisst, desto giftiger werden Federn, Muskulatur und Haut. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist der Schutz seines Gefieders vor Parasiten – diesen Effekt soll auch das giftige Hautsekret des Pfeilrohrfroschs für die Amphibie haben. Das Gift von Käfern, Tausendfüßlern oder Ameisen dient eigentlich dem Schutz vor Räubern. Ganz so wie bei Frosch und Vogel, denen das Gift jedoch nichts anzuhaben scheint. Wie kann es sein, dass diese giftigen Tiere sich beim Fressen ihrer Beute nicht selbst vergiften?

Strategien giftiger Tiere, um sich nicht selbst zu vergiften

Die Wissenschaft rätselte lange darüber, warum giftige Tiere, die ihre „chemische Waffe“ selber aufnehmen, sich nicht selbst damit vergiften. Der in Fachkreisen verwendete Begriff für „Selbstvergiftung“ nennt sich Autointoxikation. Im Tierreich gibt es verschiedene Strategien, um einen solchen Prozess zu stoppen. Als häufigste wird eine genetische Mutation beschrieben. Dabei verändert sich die Form des Zielproteins des Giftes im Organismus leicht, sodass keine Bindung an dieses Protein stattfinden kann.

Eine im Jahr 2017 veröffentlichte Studie zeigt, dass die Resistenz des Blauen Pfeilgiftfrosches, eine Unterart, gegen sein eigenes Gift auf diesen Schutzmechanismus zurückgeht. Eine weitere Strategie, wie sich giftige Tiere davor schützen, sich selbst zu vergiften, ist das Entfernen von Gift aus dem eigenen Organismus. Diese Anpassung nutzen vor allem Raubtiere, die giftige Tiere fressen.

Forscher vermuten „Giftschwamm“ als Schutzmechanismus der Frösche und Vögel

Die dritte Strategie beschreibt ein Abfangen der Gifte im Organismus. Dabei nutzen Tiere eine Art „Proteinschwamm“, auch bezeichnet als „Giftschwamm“. Die Produktion eines Proteins, an das sich das Gift bindet, hindert es daran, sich an andere, lebenswichtige Proteine zu binden. Diese Schwamm-Proteine machen das sich im Organismus befindende Gift unschädlich.

In einer Studie aus dem Jahr 2021 stellten Wissenschaftler die These auf, dass sowohl Pfeilgiftfrosch als auch Zweifarbenpirol die Strategie eines Gift- oder Proteinschwamms verwenden. Der wissenschaftliche Begriff dafür lautet Sequestrierung. Denn an den Fröschen durchgeführte Tests ergaben, dass die Tiere gegen ihr eigenes Gift nicht immun waren. Sie müssen das Gift demnach unschädlich machen.

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Giftschlangen können eigenes Gift unschädlich machen

Obwohl es sich bei Pfeilgiftfrosch und Zweifarbenpirol nicht um Immunität handelt, ist dies bei anderen Tieren der Fall. Darunter auch Giftschlangen. Die Reptilien sind ihrem eigenen Gift normalerweise nur in einer Situation ausgesetzt, die jedoch täglich mehrfach vorkommt: wenn sie ihre Beute fressen. Die Beute ist zu diesem Zeitpunkt entweder tot oder gelähmt – in jedem Fall jedoch vergiftet. Dass Schlangen nicht sterben, wenn sie Beutetiere mit hohem Giftgehalt fressen, liegt neben ihrer Immunität auch an einer weiteren Geheimwaffe.

Die Proteine einer bestimmten Art, aus denen Schlangengift hauptsächlich besteht, können der Magensäure der Reptilien nicht standhalten. Trifft Säure auf sie, verändern sie ihre Form und werden so wirkungslos. Während Schlangen gegen das Gift ihrer eigenen Art immun sind, hilft ihnen dieser Schutzmechanismus bei artfremdem Gift. So können sie auch von anderen Giftschlangen erlegte Beute fressen. Auch andere giftige Tiere können sich nicht selbst vergiften. So auch Skorpione, die gegen ihr eigenes Gift größtenteils immun sind. Ein für sie tödlicher Stich müsste eine so hohe Giftmenge enthalten, dass diese 100 bis 200 Meerschweinchen töten würde.

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Quelle

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