1. August 2023, 14:08 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Im Amazonas herrscht eine gewaltige Artenvielfalt – immerhin sollen dort schätzungsweise 10 Prozent aller Tierarten beheimatet sein. Darunter auch der Amazonas-Flussdelfin, der sich aufgrund seiner rosaroten Färbung besonders von anderen Delfinen unterscheidet. Was macht die Tiere so einzigartig, dass sich sogar zahlreiche Mythen um sie ranken?
Im größten zusammenhängenden Regenwald der Welt, dem Amazonasbecken in Südamerika, tummeln sich die unterschiedlichsten Tierarten. Das Gebiet wird zudem von tausenden Flüssen durchzogen. Darunter der namensgebende Amazonas, längster und wasserreichster Strom der Erde, und der Orinoco, knapp hinter dem Amazonas der zweitwasserreichste Fluss Südamerikas. Zum unglaublich vielseitigen Ökosystem gehören auch die Amazonasdelfine, auch bekannt als rosa Delfine oder Botos, die in Flüssen und überfluteten Gebieten leben. Ihr Lebensraum erstreckt sich über sechs verschiedene Länder Südamerikas. Erst Anfang der 1990er-Jahre begannen Wissenschaftler, das Verhalten der Amazonas-Flussdelfine in freier Natur systematisch zu untersuchen. PETBOOK erklärt, was die rosa Delfine so außergewöhnlich macht.
Übersicht
Warum sind die Delfine des Amazonas rosa?
Der Amazonasdelfin (Ina geoffrensis) ist eine von vier bekannten Arten der Amazonas-Flussdelfine. Sie unterscheiden sich äußerlich stark von anderen Delfinartigen und das nicht nur aufgrund ihrer auffälligen, rosaroten Haut. Diese haben die Flussdelfine jedoch nicht von Geburt an, denn Föten und neugeborene Tiere sind dunkelgrau. Ihre Färbung verändert sich mit zunehmendem Alter: Botos werden zunächst zu hellgrauen und später zu rosa Delfinen. Zudem sind sie an ihrer Unterseite meist heller und auch stärker rosa als an ihrer Oberseite. Ihre sich verändernde Färbung sei somit ein Zeichen für die Reife der Tiere, erklärt Vera da Silva in einer Veröffentlichung in der „Encyclopedia of Marine Mammals“.
Für die Ursache der besonderen Färbung gibt es verschiedene Vermutungen. Männliche Delfine sind insgesamt stärker rosa gefärbt als weibliche, doch es gibt auch einige rosarote Weibchen. Eine Erklärung dafür sei der fortschreitende Verlust dunkler Pigmentierung im Alter, jedoch auch die aggressive Interaktion der Tiere untereinander, so eine im „Latin American Journal of Aquatic Mammals“ veröffentlichte Studie. Bei untereinander entstehenden Kämpfen würden sich die Delfine verletzen und als Folge bleibe zunehmend das rosarote Narbengewebe zurück.
Es werde sogar spekuliert, ob die rosafarbene Haut der männlichen Delfine potenzielle Partner verstärkt anzieht, berichtet die US-amerikanische Zeitschrift „The Atlantic“. Es könnte demnach gelten: je rosaroter die männlichen Delfine, desto eher pflanzen sie sich fort. Einen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt es bislang nicht.
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Amazonasdelfine jagen mit in alle Richtungen drehbaren Kopf und zwei verschiedenen Zahn-Arten
Amazonasdelfine sind bestens an ihren Lebensraum in Flüssen und überfluteten Gebieten angepasst. Neben ihrer besonderen Färbung unterscheiden sie sich daher auch aufgrund ihres Körperbaus von anderen Delfinartigen. Ihr Körper ist sehr flexibel und auch ihr Kopf im Vergleich äußerst beweglich. So können Amazonasdelfine ihren Kopf als einzige Delfinart in alle Richtungen drehen, denn ihre Halswirbel sind nicht miteinander verwachsen. Aufgrund ihrer Beweglichkeit gelangen sie so auch an schwer zugängliche Stellen des Flusssystems.
Hilfreich ist dafür auch die ungewöhnlich lange, schnabelförmige Schnauze der Tiere. Damit können sie ihre Beute auch zwischen Ästen und Stämmen in überfluteten Wäldern oder ausgedehnten Matten von Wasserpflanzen erreichen. Tasthaare an ihrem Maul ermöglichen ihnen, sich auch im trüben Wasser zu orientieren. Mit ihren Zähnen, von denen sie zwei verschiedene Arten haben, können sie sogar Panzerwelse mit ihrer knochenartig gepanzerten Haut zermalmen. Auf ihrem Speiseplan stehen neben Flussschildkröten und Krabben auch Piranhas – insgesamt bis zu 53 Fischarten. Sie sind die einzige Delfinart, die Zähne ähnlich den menschlichen Backenzähnen hat. Anstelle einer Rückenflosse haben die rosa Delfine im Amazonas nur einen Höcker auf dem Rücken.
Rosa Delfine sind Teil der Kultur im Amazonasgebiet
Den rosa Delfinen werden von den Menschen im Amazonasgebiet oft übernatürliche Kräfte nachgesagt, denn Botos sind ein Teil der Kultur. Ihre Legenden und Mythen sind daher unter den Ribeirinhos, den Uferbewohnern, weitverbreitet. Einige Mythen verdeutlichen jedoch auch die komplizierte Beziehung der Menschen zu den Botos, berichtet die Zeitung „The Atlantic“. Einerseits würden die Flussdelfine den einheimischen Fischern unbewusst helfen, indem sie diese in fischreiche Gebiete führen. Andererseits hätten sie Fischer bereits in gefährliche Gebiete „gelockt“, um sie zu verwirren und ihre Boote zu versenken.
Die rosaroten Flussdelfine sind zudem auch Teil deutlich düsterer Mythen. Diese besagen, die Tiere würden sich nachts in Männer in weißen Anzügen und mit weißen Hüten verwandeln, die an Land kommen. Ihre Kleidung würden sie tragen, um die Spuren ihrer wahrend Gestalt zu verstecken. Sie seien im Umgang so verführerisch, heißt es, dass junge Frauen von ihnen schwanger werden, so die Zeitung „The Atlantic“. Die Delfine würden oft dazu benutzt, eine Erklärung für unerklärliche Dinge zu finden – wie in diesem Fall ein „Kind ohne Vater“.
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Amazonas-Flussdelfine sind gefährdet
Zwar werden die rosa Delfine des Amazonas in Teilen Südamerikas als mystische Wesen angesehen. Dennoch gelten sie heute als gefährdet, berichtet Delphinschutz.org. Die Bedrohung aller Arten der Flussdelfine weltweit sei vor allem menschengemacht und verstärke sich trotz neuer Gesetze und Schutzmaßnahmen zum Teil. Als größte Bedrohung gelten in Südamerika Fischereikonflikte. Denn in diesem Zusammenhang würden Fischer die Amazonasdelfine direkt töten, um ihr Fleisch als Köder zu verwenden. Ebenso gefährlich für die Tiere sei das unbeabsichtigte Verfangen in Fischernetzen, lange Zeit die Hauptursache ihrer Sterblichkeit. Auch die Verschmutzung der Flüsse und die Veränderung der Umwelt durch Bergbau, Staudämme und Chemikalien oder Gifte sei problematisch, berichtet die Umweltschutzorganisation WWF.
In freier Wildbahn könne der Amazonas-Flussdelfin mehr als 30 Jahre alt werden. In Gefangenschaft würden die Tiere nicht lange überleben, wie eine Studie von in den USA gehaltenen Tieren zeigt. Besonders in den 1960er- und 1970er-Jahren waren einige Amazonasdelfine eingefangen und in die USA, Japan und nach Europa gebracht worden. Selbst in Deutschland gab es einen Flussdelfin, der 2020 im Zoo Duisburg verstarb, wie Whales.org berichtet.