
19. März 2025, 16:45 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Waschbären fühlen sich in Städten besonders wohl. Man begegnet ihnen vor allem an Müllplätzen oder Gärten. Die Reaktionen fallen dann sehr unterschiedlich aus. Manche finden die kleinen Bären niedlich und möchten sie am liebsten noch näher zu sich locken – andere bekommen es mit der Angst zu tun. PETBOOK-Redakteurin und Biologn Saskia Schneider erklärt, wie man sich in solchen Situationen verhalten sollte.
Waschbären sind mittlerweile genauso häufige Bewohner der Stadt wie Krähen und Füchse. Vor allem nachts kann man den kleinen Bären mit den schwarzen Gesichtsmasken begegnen. Erst kürzlich erzählte mir ein Freund, wie er abends im Garten den Müll wegbringen wollte. Plötzlich hörte er ein Rascheln, was definitiv zu laut war für eine Ratte. Schnell zückte er sein Smartphone und aktivierte die Taschenlampe. Gleich sechs Augen leuchteten ihm entgegen. So nah war er zuvor noch nie einem Waschbären gekommen – und die Tiere waren auch viel größer, als er sich das vorgestellt hatte. Beeindruckt trat er den Rückzug an und beschloss, den Müll lieber morgen früh zu entsorgen.
Waschbären – kleine Räuber oder niedliche Plüschbären?
Während manche Wildtiere meist klare Reaktionen wie „oh, ist das niedlich“ (Eichhörnchen, Igel) oder „dem möchte ich nicht begegnen“ (Wildschwein, Wolf) auslösen, sieht es bei Waschbären anders aus. Das mag zum einen an ihrer Größe liegen – erwachsene Tiere können bis zu 70 Zentimeter Körperlänge haben und sind damit fast doppelt so groß wie Katzen. Zum anderen ranken sich viele Mythen um die Bären – etwa, dass sie schlimme Krankheiten übertragen.
Dazu kommt, dass Waschbären als invasive Art gelten. Ursprünglich stammen die Allesfresser aus Nordamerika und wurden als Pelzlieferanten in Europa eingeführt. Mittlerweile sind sie in ganz Deutschland verbreitet und heimisch geworden. Hier machen sie Jagd auf Vögel, Kleinsäuger sowie Reptilien und Amphibien und können damit theoretisch auch bedrohte Arten dezimieren, weshalb sie vielen ein Dorn im Auge sind und auch aktiv bejagt werden.
Und dann gibt es die Fraktion, die Waschbären so toll findet, dass sie sie am liebsten als Haustiere halten würden. Nicht selten füttern sie die Tiere dann gezielt an oder versuchen, sich ihnen zu nähern. Doch das ist keine gute Idee …
Sind Waschbären gefährlich?
Waschbären sind recht friedliche Tiere und greifen nicht grundlos an. Vor allem in der Stadt sind die Tiere aber an die Nähe von Menschen gewohnt und wirken manchmal recht zutraulich. Das kann einige dazu verleiten, den Tieren näherzukommen und sie sogar streicheln zu wollen. Doch Vorsicht! Fühlt sich ein Waschbär bedrängt, kann er kratzen und sogar zubeißen. Das habe ich einmal im Zoo erlebt, als ein kleines Kind den Finger ins Gehege der Tiere steckte. Danach war das Theater groß (aber der Finger noch dran).
Bevor Waschbären in den Angriff übergehen, zeigen sie jedoch meist Drohgebärden wie Aufstellen und Fauchen. Generell sollte man Abstand halten und die Tiere nicht in die Enge treiben.
Waschbären nicht füttern
Auch wenn dies für viele verlockend ist und manche vielleicht einfach nur etwas Gutes für den kleinen Besucher am Gartenzaun tun wollen: Waschbären sollte man auf keinen Fall füttern. Vor allem in der Stadt kann dies dazu führen, dass Waschbären weiter die Scheu vor Menschen verlieren und so Konflikte verursachen. Denn nicht jeder freut sich über einen pelzigen Besucher, der dann vielleicht noch aufdringlich wird, weil er gelernt hat: Menschen haben Leckereien. In Berlin ist es daher explizit verboten, Waschbären zu füttern.
Übertragen Waschbären Krankheiten?
Oft wird gewarnt, Waschbären könnten neben Flöhen, Läusen und Zecken auch verschiedene Krankheitserreger auf Mensch und Haustier übertragen. Dazu müsste man aber tatsächlich engen Kontakt mit den Tieren haben oder eben gebissen werden. Laut der Interessengemeinschaft hessischer Wildtierpfleger wurde in Deutschland tatsächlich noch nie eine durch Waschbären verursachte Erkrankung nachgewiesen.
Auch die Tierrechtsorganisation Peta gibt Entwarnung: Das Risiko einer Übertragung des gefürchteten Waschbärenspulwurms sei nahezu auszuschließen. Eine Übertragung findet ausschließlich durch den Kontakt mit infektiösen Eiern über den Mund statt. Man müsste also schon Kot oder Urin der Tiere aktiv aufnehmen – und das passiert selten. Dass man sich eine Krankheit einfängt, wenn man einem Waschbären also einfach in der Stadt begegnet, ist nahezu ausgeschlossen.1
Allerdings können Waschbären eine Gefahr für Haustiere darstellen, wenn diese in Häuser oder auf Grundstücke eindringen. So können die Wildtiere theoretisch Tollwut und andere infektiöse Krankheiten wie Staupe, Panleukopenie oder Hasenpest verbreiten. 2 Ob Waschbären explizit eine Gefahr für Katzen darstellen, erfahren Sie in diesem PETBOOK-Artikel.
Gibt es mehr Waschbären in der Stadt?
Über die genaue Zahl der Tiere oder die Entwicklung der Populationen lassen sich nur Vermutungen anstellen. Offizielle Zahlen oder Erfassungen gibt es nicht. Daher lässt sich auch nicht sagen, ob die Zahl der Tiere in Städten höher ist. Allerdings bietet die Nähe zum Menschen das ideale Umfeld für Waschbären. Hier finden sie dank Mülltonnen und Abfallkörben, Komposthaufen und Obstbäumen sowie Futterstellen für Katzen und Wildvögel nahezu das gesamte Jahr über ausreichend Nahrung.3 Kein Wunder also, dass die Tiere sogar in Großstädten wie Berlin heimisch sind und sich ungehindert ausbreiten.
Wo begegnet man Waschbären in der Stadt?
Auf ihrer Nahrungssuche inspizieren Waschbären vor allem Abfallbehälter. Besonders Mülltonnen, die nicht abgeschottet oder umzäunt sind, machen es den kleinen Raubtieren leicht, an Fressbares zu kommen. Dabei hinterlassen die Tiere nicht nur Chaos und Dreck – gelegentlich passiert es, dass eines von ihnen in die Tonnen fällt und von selbst nicht wieder hinauskommt. Hier sollte man auf keinen Fall beherzt zugreifen – auch, wenn man es nur gut meint und helfen will. Besser ist es, ein Handtuch oder eine Decke in die Tonne zu hängen. Auch ein dickerer Ast oder ein Brett eignen sich. Waschbären sind hervorragende Kletterer und können sich so schnell aus der Lage befreien.
Ein weiterer Ort, an dem man in der Stadt typischerweise auf Waschbären trifft, sind Parks oder Gärten. Gerade im Herbst finden Waschbären dort reifes Obst oder Nüsse. Manche Tiere kommen über die Katzenklappe sogar ins Haus und bedienen sich dort am Futternapf von Hund und Katze. Hier sollte man ruhig bleiben und den Tieren Zeit zum Rückzug lassen, damit sie nicht in Panik geraten. Zudem bietet es sich an, die Katzenklappe zukünftig mit einem Chip zu sichern, denn Waschbären sind clevere Kerlchen. Haben sie einmal gelernt, wo es etwas gutes zu fressen gibt, werden sie garantiert wiederkommen.
Auch auf den Dächern kann man Waschbären in der Stadt begegnen. Die Tiere nutzen Gebäude als Ruhe- und Zufluchtsplatz und zur Aufzucht ihrer Jungen. Meist gelangen sie über Fallrohre der Regenrinnen oder angrenzende Bäume auf das Dach. Von dort hat man nicht nur einen guten Überblick – verschobene Ziegel oder Öffnungen nutzen die intelligenten Tiere, um auf Dachböden oder Zwischendecken zu gelangen. 4
Kranke oder verletze Waschbären in der Stadt? Das ist zu tun
Was aber, wenn die Tiere krank oder verletzt sind und Hilfe brauchen? Auch hier gilt: Waschbären auf keinen Fall anfassen oder gar einsammeln und zum Tierarzt bringen. Zum einen steigt so die Gefahr, dass sich bei solch engem Kontakt zu den Tieren Krankheiten übertragen. Zum anderen werden Waschbären in der Regel nicht veterinärmedizinisch versorgt. Sie sind Wildtiere und sollen es auch bleiben.
Daher sollte man von gut gemeinten, aber letztlich gefährlichen Hilfsaktionen lieber Abstand nehmen. Wer ein stark verletztes oder gar totes Tier im eigenen Garten findet, sollte die entsprechenden Behörden informieren – in der Regel sind das die Polizei oder Jäger. 5

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Vor allem bei Jungtieren neigen Menschen zu schnellen Hilfsaktionen. Aber Vorsicht! Waschbärinnen lassen ihren Nachwuchs auch mal bis zu 48 Stunden allein, wenn sie auf Nahrungssuche sind. Die Jungtiere sind zudem früh in der Lage, sich selbst zu ernähren – und sich auch zu verteidigen, wenn es notwendig ist.
Wer sogar auf die Idee kommt, ein Jungtier mitzunehmen, um es aufzupäppeln und als Haustier zu halten, macht sich nicht nur strafbar. Man entreißt die Tiere ihrem natürlichen Umfeld und der Familie und verdammt sie praktisch zu einer lebenslangen Haltung in menschlicher Obhut, die selten artgerecht ist. Waschbären werden niemals zu handzahmen Haustieren.
Selbst wenn man kranke oder junge Waschbären nur kurzzeitig aufnimmt, um ihnen „zu helfen“. Die Tiere dürfen danach nicht wieder freigesetzt werden. Zudem wären Jungtiere, die unter artfremden aufgezogen wurden, wahrscheinlich nicht mehr allein überlebensfähig. Denn es handelt sich um hoch intelligente Wildtiere, die in Sozialverbänden leben. Eine Fehlprägung auf den Menschen und das Leben unter nicht artgerechten Bedingungen kann zu Verhaltensstörungen führen.5