14. August 2024, 16:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Von wenigen Tieren sind Menschen so fasziniert oder empfinden einen so großen Horror wie vor dem Weißen Hai. Doch Forscher stellen nun infrage, ob es die eine Art des beutegreifenden Fisches eigentlich gibt und ob es sich nicht sogar um drei handelt. Außerdem gibt es im Bermuda-Dreieck noch ein weiteres Mysterium um den Weißen Hai zu lösen.
Ob man ihn fürchtet oder feiert: den Weißen Hai kennen wohl schon die Kleinsten. Der durch Katastrophenfilme in Verruf geratene Fisch ist zwar omnipräsent in den Medien, seine Bestände im Meer nehmen jedoch immer weiter ab. Forscher haben in einer Studie sogar herausgefunden, dass die Lage wahrscheinlich noch dramatischer ist als bisher angenommen. Denn der Weiße Hai ist auf dem besten Weg, sich in drei unterschiedliche Arten mit winzigen Populationen aufzuspalten. Und doch gibt eins der faszinierendsten Tiere der Erde noch ein weiteres, filmreifes Rätsel auf: Denn ausgerechnet im Bermuda-Dreieck schwimmt ein Weißer-Hai-Hybrid, den es eigentlich nicht geben sollte.
Gibt es mehr als eine Art des Weißen Hais?
In einer bahnbrechenden Untersuchung hat sich eine Gruppe Wissenschaftler von neun verschiedenen Universitäten darangemacht, die DNA Weißer Haie zu analysieren. Dazu nahmen sie Proben von 89 Tieren, die über den ganzen Erdball verteilt in verschiedenen Meeren schwimmen.
Man weiß bereits, dass Weiße Haie sehr standorttreu sind und wollte deshalb so viel verschiedene DNA wie möglich sammeln. Allerdings erwartete die Forscher eine riesige Überraschung. Ähnlich wie bei Lachsen oder Schildkröten kehren die Hai-Weibchen immer an den Ort ihrer Geburt zurück, um ihre Jungen zu bekommen. Studienautor Leslie Noble beschrieb dieses Verhalten im Wissenschaftsmagazin „Livescience“ als eine Art „Reisepass“, der sehr genau zeige, woher die Tiere stammten.
Bei dieser Untersuchung zeigte sich, dass es dadurch drei sehr unterschiedliche Populationen von Weißen Haien gibt. Sie finden sich im Nordatlantik, im Indopazifik und Nordpazifik. Obwohl die Populationen sich zum Beispiel in den Gewässern unter Südafrika oder um die Philippinen treffen könnten, gibt es keine genetischen Vermischungen.
Wie die Populationen des Weißen Hais entstanden
Basierend auf ihren ersten Ergebnissen untersuchten die Forscher die DNA der Tiere gründlicher. Mithilfe einer vollen Sequenzierung kann man auch ablesen, seit wann kein genetischer Austausch zwischen den Populationen mehr stattfand. Die Wissenschaftler konnten diesen Zeitraum auf vor circa 190.000 bis 140.000 Jahren datieren.
Zu diesem Zeitpunkt gab es auf der Erde eine Glazialperiode, also eine längere Kaltzeit. Man geht davon aus, dass die Wasserstände durch Vereisung der Meere etwa 150 Meter niedriger waren als heutzutage. Außerdem herrschten niedrigere Wassertemperaturen und andere Meeresströmungen.
Daher vermuten die Forscher, dass dies zu biogeografischen Barrieren geführt hat, sprich sich Haie nicht mehr so miteinander paaren und austauschen konnten, wie sie es zuvor getan hatten. Tatsächlich sind die drei Populationen heute so isoliert, dass sie sich auf dem Weg hin zu neuen Arten befinden könnten.
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Einzelne Populationen haben sich an ihren Lebensraum angepasst
Für den Erhalt des Weißen Hais, der als Jäger eine wichtige Rolle im Ökosystem spielt, bedeutet dies jedoch überhaupt nichts Gutes, wie Co-Autor Leslie Noble dem Wissenschaftsmagazin „LiveScience“ weiter erklärte.
„Wir wissen jetzt, dass, wenn man Haie in einem bestimmten Gebiet ausrottet, diese nicht durch Haie einer anderen Linie wiederbesiedelt werden“, sagte der Molekularökologe. „Die sogenannte globale Population der Weißen Haie ist jetzt auf diese drei sehr dezenten Einheiten geschrumpft. Und das ist wirklich sehr besorgniserregend.“
Denn die einzelnen Hai-Populationen entfernen sich nicht nur genetisch voneinander, sie sind mittlerweile auch speziell an ihre Standorte angepasst. Dabei legen sie weite Entfernungen zurück und schwimmen meist im Familienverbund. Sie stimmen sich so aufeinander ab, dass sie zeitgleich die immer gleichen Nahrungsgründe erreichen. Ein einsamer atlantischer Weißer Hai wäre also im Pazifik ohne erlernte Wege oder vererbtes Wissen verloren.
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Mysteriöser Weißer Hai im Bermuda-Dreieck gibt Rätsel auf
Eine Ausnahme gibt es jedoch: einen hybriden Weißen Hai, der sich mit Vorliebe im Bermuda-Dreieck aufhält. Doch eigentlich gehört er gar nicht in den Atlantik, denn er trägt genetische Informationen der beiden pazifischen Populationen. In der Studie wird der Hybrid-Hai als „geografisch vertrieben“ beschrieben. Ob er dort durch verwirrende Meeresströmungen oder einen Sturm gelandet ist, muss noch erforscht werden.
Doch allein der Mythos um das Bermuda-Dreieck erlaubt bislang viele interessante Theorien um den einsamen Hybrid-Hai. Allerdings scheint es auch so, als ob der Hybrid-Hai auch reproduktiv isoliert ist und seine einzigartige DNA nicht weitergeben kann. Denn wie die Studie belegt, kann eine Vermischung der spezialisierten Fische zu einem fehlangepassten Lernen und Gedächtnis führen. Dies macht es praktisch unmöglich, die Populationen dauerhaft wieder zusammenzuführen.
Dies ist für Artenschützer wichtig zu berücksichtigen, denn in den letzten Jahren ist das Interesse erwacht, den Weißen Hai durch künstliche Befruchtung zu retten. In vielen Bereichen sind die Fische vom Aussterben bedroht, besonders die atlantische Population ist nun noch gefährdeter als bisher angenommen. Allerdings weiß man jetzt, dass man nicht einfach DNA eines pazifischen Hais für einen atlantischen nutzen kann – oder eine Population nachzüchtet und sie dann in den „falschen“ Ozean setzt. Umso wichtiger sind nun weitere Untersuchungen, um alle drei Populationen zu erhalten. Denn wenn große Jäger wie der Weiße Hai verschwinden, droht das Ökosystem Meer aus dem Gleichgewicht zu geraten.1