29. Februar 2024, 16:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Forscher haben einen erstaunlichen Fund gemacht: Ein winziger, durchsichtiger Fisch erzeugt Geräusche, die lauter sind als ein Düsenjet! Doch das ist nicht alles – seine Methode zur Klangerzeugung stellt sogar die Grenzen der Muskelkraft infrage.
Wer an laute Tiere denkt, kommt wohl zunächst auf das Brüllen von Löwen oder das Tröten von Elefanten. Allerdings gibt es noch viel lautere Tiere. Zum Beispiel den Pistolenkrebs, der mit einer Lautstärke von 220 Dezibel Druckwellen durchs Wasser schießt. Auch ein unscheinbarer Fisch, der kleiner ist als ein Daumennagel, kann lauter als ein Düsenjet sein, sodass sich Wissenschaftler in einer Studie wundern, weshalb er von seinen eigenen Geräuschen nicht taub wird.
Kristallbärbling lässt einmalige Einblicke ins Gehirn zu
Über den winzigen Vertreter der Kristallbärblinge ist noch sehr wenig bekannt, denn er wurde erst 2021 beschrieben. Der Danionella cerebrum getaufte Fisch hat noch nicht mal einen deutschen Namen! Man könnte die lateinische Bezeichnung etwa mit „Gehirn-Bärbling“ übersetzen, obwohl auch die inoffizielle Bezeichnung „gläserner Zwergbärbling“ existiert.
Den Artnamen „cerebrum“ hat der Fisch bekommen, da sein Gehirn eins der kleinsten jemals bei einem Wirbeltier beschriebenen ist. Forscher erhoffen sich von ihm, dass er bislang noch unbekannte Erkenntnisse über das Organ und seine essenziellen Funktionen und Entwicklungen liefern kann. Denn, was den winzigen Bärbling einzigartig macht, ist die fehlende Schädeldecke, die zusammen mit seinem transparenten Körper einmalige, direkte Einblicke erlaubt. Beobachtet man ihn also lange genug, kann man sein Hirn buchstäblich arbeiten sehen.
Fisch wurde lange übersehen
Lange wurde der Fisch von der Forschung übersehen, da er dem „durchscheinenden Bärbling“ (Danionella translucida) optisch nahezu identisch ist. Beide Arten teilen sich ein Habitat in Myanmar in den Flussläufen des Bago-Yoma-Gebirges.
Forscher von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und der Texas A&M University beschreiben die Entdeckung des Tieres in einer Pressemitteilung von 2021 wie folgt: „Durch genetische Untersuchungen in Kombination mit klassischen taxonomischen Methoden konnten wir zeigen, dass es sich bei der in mehreren internationalen Labors untersuchten und als Danionella translucida bezeichneten Fischart tatsächlich um eine bisher unbekannte Art handelt“.
Winziger Fisch ist lauter als ein Düsenjet
In der neuen Untersuchung haben sich nun Wissenschaftler unter der Leitung von Verity Cook von der Charité Universitätsmedizin Berlin den Fisch noch ein bisschen genauer angeschaut. Sie erschien im Fachjournal „PNAS“.
Die Forscher beschreiben ihre Beobachtungen zum „Gehirn-Bärbling“ wie folgt: „Wir haben herausgefunden, dass er einen einzigartigen Apparat zur Klangerzeugung besitzt.“ Dieser bestehe aus einem Trommelknorpel, einer spezialisierten Rippe und einem ermüdungsresistenten Muskel. Dieser Apparat ermöglicht es dem Fisch also, den Trommelknorpel mit extremen Kräften zu beschleunigen und schnelle, laute Impulse zu erzeugen. Und die haben es wahrlich in sich.
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Fisch trommelt schneller als Muskelkraft erklären könnte
Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Der kleine Bärbling schlägt mit einem bestimmten Knorpel gegen seine Schwimmblase. Dies ist ein luftgefülltes, ballonartiges Gebilde, das Fischen Auftrieb und Schwimmfähigkeit verleiht. Sie können damit aber auch Geräusche erzeugen – nur sind diese in der Regel viel leiser als beim „Gehirn-Bärbling“. Bei anderen Fischen funktioniert dies über einen Trommelmuskel, Bänder oder knöcherne Strukturen.
Mit einer hochauflösenden Kamera, die bis zu 8000 Bilder pro Minute aufnimmt, sahen die Forscher in diesem Fall jedoch etwas Einzigartiges. Denn der Zwergbärbling hat auch noch eine hoch spezialisierte Rippe, die er einfach aus dem Weg schiebt, wenn er trommelt. Außerdem verfügt er über einen spezialisierten Muskel, der scheinbar nie müde wird und eine sogenannte „Fatigue-Resistenz“ zeigt.
Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass keine Bewegung schneller als Muskelkraft sein kann. Der kleine Fisch scheint diese bislang als gültig angesehene These jedoch auf den Kopf zu stellen. Auf nur wenigen Aufnahmen war der Prozess des Trommelns überhaupt sichtbar.
Warum wird der „Gehirn-Bärbling“ nicht taub?
Daher rechneten die Forscher aus, dass er seine Trommelschläge alle 125 Mikrosekunden abschoss, um Töne im Ultrafrequenzbereich zu erzeugen. Dies ermögliche eine einzigartige Lösung für die akustische Kommunikation und die ultraschnelle Skelettbewegung bei Wirbeltieren, die die Grenzen der Muskelkontraktionsgeschwindigkeit überschreite.
Doch wozu ein so kleiner Fisch so viel Krach schlägt, muss noch untersucht werden. Es ist möglich, dass die extrem lauten Geräusche der Abschreckung von Fressfeinden dienen, oder dass Männchen, die besonders laut trommeln, von Weibchen als die besten Partner angesehen werden. Auch sind sich die Forscher noch unklar, weshalb der Bärbling nicht sein Gehör verliert, denn der einzigartige Trommelapparat sitzt sehr dicht neben seinem Ohr. Diese Fragen müssen weitere Untersuchungen klären.
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Quellen
- Cook, V. A., Groneberg, A. H., Hoffmann, M., Kadobianskyi, M., Veith, J., Schulze, L., … & Judkewitz, B. (2024). Ultrafast sound production mechanism in one of the smallest vertebrates. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 121(10), e2314017121.
- Britz, R., Conway, K. W., & Rüber, L. (2021). The emerging vertebrate model species for neurophysiological studies is Danionella cerebrum, new species (Teleostei: Cyprinidae). Scientific reports, 11(1), 18942.
- NaturhistorischesMuseumBern.ch, „Der Fisch, dem man ins Hirn schaut: Neue Fischart in Myanmar entdeckt“ (aufgerufen am 29.02.2024)