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Von Leitgänsen und Vogelzug

Wer gibt bei Zugvögeln eigentlich die Richtung vor? 

Zugvögel
Zugvögel nutzen verschiedenste Faktoren, um sich auf ihren langen Flugstrecken zu orientieren. Foto: Getty Images / Ulrich Roesch

3. Mai 2024, 6:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Jedes Jahr begeben sich unzählige Vogelarten auf ihre lange Reise, überwinden dabei Tausende von Kilometern und trotzen den Herausforderungen der Natur. Doch wie organisieren Zugvögel wie Singdrosseln und Feldlerchen ihre Massenwanderungen? Wie sind die Rollen in einem solchen Schwarm verteilt? Gibt es spezielle Leitvögel, die die Richtung bestimmen, oder ändert sich diese Rolle während des Fluges? PETBOOK hat einen Experten zum Thema Zugvögel befragt und Antworten auf diese und weitere Fragen erhalten. 

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Der Vogelzug, die Reise der Zugvögel von ihren Brutstätten hin zu den Winterquartieren, ist ein perfekt orchestriertes Naturereignis. Im Schwarm bewegen sich Mauersegler, Rauchschwalben und weitere Zugvögel im Winter nach Afrika und Südeuropa und ab Februar zurück. Hier erfahren Sie mehr darüber, welche Fähigkeiten und Instinkte es Zugvögeln ermöglichen, lange Flugstrecken während des Vogelzugs erfolgreich zu bewältigen: – von der Rollenverteilung innerhalb eines Schwarms bis hin zur Orientierung auf langen Flugstrecken. 

Rollenverteilung im Schwarm

Ein Schwarm Zugvögel zeichnet sich durch eine dynamische Rollenverteilung aus. Oft übernimmt ein erfahrener Leitvogel die Führung. Jedoch wechselt diese Rolle häufig während des Fluges. Der Grund, laut Martin Rümmler, Referent für Vogelschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) e. V.: „Der Vogel an der Spitze profitiert von keinerlei energiesparenden Aufwinden, die die Verwirbelungen eines vorausfliegenden Vogels erzeugen.“ Im Umkehrschluss hilft der Wechsel den Mitgliedern des Schwarms also, sich zu erholen und die Navigation zu verbessern. 

Beispiele für regelmäßige Wechsel der Pole-Position liefert der Waldrapp, der in aufwendigen Zucht- und Wiederansiedlungsprojekten in Europa erneut heimisch gemacht werden soll. NABU-Experte Martin Rümmler sagt hierzu: „Bei Waldrappen konnte gezeigt werden, dass jedes Tier einmal an der Spitze fliegt und der jeweilige Zeitanteil mit und ohne Energieersparnis ausgewogen ist. Ausnahmen kennt man zum Beispiel von Blässgänsen. Diese sind in Familiengruppen unterwegs und bei ihnen fliegen fast ausschließlich die Elterntiere an der Keilspitze. Wahrscheinlich aus elterlicher Fürsorge und um ihren Jungen den Weg zu weisen.“ 

Welche Rolle spielt die Erfahrung bei der Flugroute?

„Der Vogelzug ist vor allem genetisch fixiert, wird also von den Eltern an die Nachkommen vererbt“, sagt Martin Rümmler vom NABU. Die erfahrenen Vögel, oft mehrere Jahre alt, haben bereits viele Migrationen erlebt und kennen daher die sichersten und effizientesten Routen. Indem sie erfahrene Vögel nachahmen, erlernen auch Jungtiere einiger Arten, zum Beispiel Gänse und Kraniche, die Routen. 

Beim Waldrapp werde dies deutlich, betont Martin Rümmler. Er sagt: „Jungtiere, die per Hand aufgezogen wurden, müssen den Weg von ihren menschlichen Zieheltern gezeigt bekommen. Dafür begleiten diese ihre Zöglinge beim ersten Flug in die Winterquartiere und weisen ihnen den Weg.“ 

Wie orientieren sich Zugvögel auf langen Flugstrecken?

Um sich auf ihren langen Flugstrecken zu orientieren, nutzen Zugvögel verschiedene Faktoren. 

  • Tagziehende Arten wie Stare und Lerchen orientieren sich an der Sonne, unter anderem über den Sonnenstand, den sie mit einer inneren Uhr verrechnen. 
  • Nachziehende Arten wie Möwen und Enten orientieren sich mithilfe eines Sternenkompasses. Beim Sternenkompass nutzen die Vögel die feste Lagebeziehung der Gestirne zueinander. 
  • Nachts oder bei bewölktem Himmel orientieren sie sich am Erdmagnetfeld mithilfe eines Magnetsinns im Schnabel und im Auge. 

Zusätzlich können sich die Tiere dank einer inneren „Gedächtniskarte“ auch an markanten Landschaftsmerkmalen wie Flüssen, Küstenlinien und Gebirgen orientieren. Die verschiedenen Navigationshilfen erlauben es den Vögeln, selbst über Tausende von Kilometern hinweg präzise und effizient ihre Ziele zu erreichen. „Die Fähigkeit zur Bestimmung von Zugrichtung und -strecke ist zumeist angeboren“, sagt Vogelschutz-Referent Martin Rümmler. 

Er fügt hinzu: „Oft wird diese aber durch soziale Bindungen und durch Erfahrung vergangener Zugwanderungen modifiziert. Grundsätzlich nutzen Zugvögel je nach Art und Zugverhalten verschiedene, zum Teil auch mehrere Formen von biologischen Kompasssystemen.“ 

Auch interessant: Der Vogelzug beginnt! Diese Vögel fliegen jetzt in den Süden

Warum Zugvögel in V-Formation fliegen

Wenn Zugvögel in ihre Winterquartiere ziehen oder zurückkehren, fliegen größere, tagsüber ziehende Zugvögel meistens in Keil- oder V-Formation. Dabei positionieren sich die Tiere – zum Beispiel Gänse und Kraniche – versetzt hintereinander. Die Formation hat sich, laut Vogelschutz-Referent Rümmler, „bei Vogelarten herausgebildet, die aktiv im sogenannten Schlagflug fliegen – im Gegensatz zum Segelflug, bei dem energiesparend thermische Luftströmungen genutzt werden“. 

Der Grund für das Fliegen in V-Formation ist laut Martin Rümmler auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Verwirbelungen des Flügels des jeweils vorausfliegenden Tieres einen zusätzlichen Auftrieb erzeugen. Er sagt: „So werden je nach Vogelart und Flugbedingungen durchschnittlich 18 Prozent der Leistung eingespart.“ 

Tatsächlich machen sich aber bei Weitem nicht alle Arten die Keilformation beim Zug in den Süden zunutze. Martin Rümmler betont: „Die meisten wandernden Arten ziehen einzeln oder in kleineren Gruppen ohne Formation und dann oft nachts, also außerhalb unserer Wahrnehmung.“ 

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Wie kommunizieren Vögel miteinander während des Fluges?

Während des Fluges kommunizieren Zugvögel mithilfe verschiedener Laute, aber auch visuell miteinander, indem sie einander anschauen. Dies ermöglicht es den Tieren, die Flugrichtung abzustimmen. Es bringt ihnen aber weitere Vorteile. 

Martin Rümmler sagt hierzu: „Tiere im Formationsverband, aber auch im klassischen Schwarm stehen durch gegenseitiges Schauen und Kontaktrufe immer in einem visuellen und akustischen Austausch zueinander. So halten sie genügend Abstand, formieren sich neu und warnen einander vor Angreifern.“ 

Insgesamt ist die verbale und nonverbale Kommunikation während des Fluges also entscheidend für das Überleben und den Erfolg von Zugvögeln bei ihren langen Wanderungen über weite Strecken.

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